Florian Stumfall
Grüne Anti-Ästhetik
Beim Versuch, darauf eine Antwort zu finden, stellt sich schon an diesem Punkt heraus, dass hier eine fanatische, umstürzlerische Kraft wirksam ist. Zu deren Instrumentarium gehört es ganz wesentlich, Wertvorstellungen der Gesellschaft, die sie bekämpft, abzuschaffen, und die eigenen an diese Stelle zu setzen. So ist es eben auch nicht die Natur als Ausdruck einer harmonischen Schöpfung, um die es der grünen Bewegung geht, sondern die Verwirklichung der eigenen Ideologie. In dieser aber und in ihrem Gefüge gibt es für einen Begriff wie Schönheit oder Ästhetik keinen Platz – im Gegenteil: Man setzt dies mit dem hässlichen Wort vom „ästhetisieren“ bewusst herab und macht damit das Anliegen verächtlich.
Kampf gegen bürgerliche Relikte
Auch hier zeigen sich die Grünen in der revolutionären Gefolgschaft Lenins, welcher den Kern seiner Partei von der strengen Observanz der proletarischen Vorschriften ausgenommen hat. Wenn etwa die Außenministerin optisch renoviert und kalfatert werden muss, dann darf das dem Steuerzahler durchaus einen sechsstelligen Betrag pro Jahr wert sein. Doch im Allgemeinen gilt: Ästhetik ist ein schädliches Relikt der bürgerlichen Epoche, und jede Rücksicht darauf ist nicht nur überflüssig, sondern vielmehr schädlich. Was im grünen System nicht grundgelegt ist, genießt keinen Bestandsschutz.
Diese Einstellung zeigt sich durchgehend, nicht nur in der Sünde wider die Natur. Ihre ursprünglich herausfordernde Art und Weise, sich in ihrem Äußeren zu zeigen, hat im Laufe der Jahrzehnte allerdings an Strahlkraft verloren. Doch als die ersten Grünen die Parlamente eroberten, taten sie das teilweise in Kleidern, als kämen sie unter den Brücken hervor, und das zu einer Zeit, als sich sogar die Besucher eines Hohen Hauses bemühten, korrekt gekleidet aufzutreten. Doch an diesem Nebenschauplatz haben die Grünen ihre erste Wut eingebüßt, dies ist aber nur eine taktische Niederlage. Vielleicht ziehen sie keine Turnschuhe mehr an, aber in den Köpfen sind diese noch vorhanden.
Der Zusammenhang von Ästhetik und Wert ist heute so gut wie vergessen
Ein breites Feld, mit bürgerlichen Vorstellungen und Vorlieben aufzuräumen, ist das Bauwesen, nicht nur was die Errichtung von Windmühlen angeht. Kein Wunder: Das Bauen war zu allen Zeiten bewusster Ausdruck hoheitlichen Anspruchs. Nachdem die kommunale Planungshoheit ihre Regelungskraft eingebüßt hat, schützt niemand mehr vor gewollten, herausfordernden und beleidigenden Bausünden. Da sind indes weniger die Gebäude und ihre Art gemeint, denn hierin soll Freizügigkeit herrschen, sondern die Frage, wo ein Glas-/Beton-/Aluminium- Monster hingestellt werden darf. Geschieht das in einem Neubaugebiet – warum nicht? Doch innerhalb eines historischen Ensembles ist derlei unerträglich und trägt einen Zug der Bösartigkeit.
Der Kulturkampf gegen die bürgerliche Welt spielt sich auch im Krieg gegen ihre äußerliche Darstellung ab. Wenn es dem einen ein Gräuel ist, eine gotische Häuserreihe durch einen Glaspalast zu unterbrechen, ist es für den anderen Ausdruck eines – angeblich dringend erforderlichen – neuen Denkens und somit gut. Gut – das führt von der reinen, formalen Ästhetik weiter zu ihrer inhaltlichen Bedeutung und damit zum Wertebewusstsein.
Dieser Zusammenhang von Ästhetik und Wert ist in der Gegenwart so gut wie vergessen, doch für die Griechen der Antike war er unerlässlicher Bestandteil der Weltanschauung. Das ging so weit, dass die beiden Begriffe für „schön“ und „gut“ im ethischen Sinne zu einem verschmolzen wurden. Das brachte zum einen die Überzeugung zum Ausdruck, dass äußerliche Schönheit in der Kunst immer auch mit einem innerlichen Wert zusammenhängt, und zum anderen, dass dieses Verhältnis eine Bestimmung des Menschen zum Ausdruck bringt.
Nehmen wir den Umkehrschluss und wenden wir die vielen Hässlichkeiten, die uns bedrängen, an im Sinne einer Wegweisung für den Menschen, dann kann einem angst werden.
Angriff auf die Sprache
Der Kampf gegen die Schönheit ist nicht auch nur umrissen, ohne dass erwähnt würde, was unserer Sprache unter dem Ansturm plebejischer Wut zu leiden hat. Das unsägliche und mit einer unerhörten Penetranz vorgetragene Gendern steht dabei im Mittelpunkt dessen, was die grün-rote Linke an Angriffen auf die Sprache und damit die bürgerliche Welt in Stellung bringt. Doch zur selben Zeit und im Schatten dieses Ärgernisses findet zum zusätzlichen Schaden eine Entwicklung statt, die gekennzeichnet ist durch rapide sinkende Ansprüche an die Sprachästhetik, wenn nicht gar durch den bewussten Willen, diese auszurotten.
Auch hier wird ein Motiv wirksam, das für revolutionäre Bewegungen unerlässlich ist: der Gleichheitswahn. Es dürfe keine Unterschiede mehr geben, so die Lehre. Danach herrsche erst Gerechtigkeit, wenn alle auf dem Stand eines Halbdebilen angekommen wären. Herausragende Eigenschaften und Leistungen, wie sie notwendig sind, wenn in der Gesellschaft Schönheit und Harmonie Geltung haben sollen, werden verächtlich gemacht und verfemt.
Das ist der Punkt, an welchem sich der Zusammenhang zwischen Ästhetik und Ethik wieder nebelverhangen erahnen lässt – weit entfernt von der grünen Welt und den Illusionen, auf denen sie errichtet werden soll; weit entfernt auch von aller Bösartigkeit, mit welcher jeder Kulturkampf einhergeht, welche die schönen Dinge trifft und den Menschen meint.
Kolumne von Dr. Florian Stumfall
Erstveröffentlichung PAZ (redaktion@preussische-allgemeine.de)