Florian Stumfall

03.12.2024

Angela Merkels „Freiheit“

Man muss die „Freiheit“ betitelte Autobiographie der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel nicht gelesen haben, um sich ziemlich sicher zu fühlen, dass dabei manche Darstellung ihrer Regierungsbilanz etwas zu kurz kommt. Es ist ja ganz allgemein nicht die Art der schreibenden Politiker – oder derer, bei denen sie schreiben lassen –, schonungslose Bilanzen vorzulegen. Dabei fiele das bei Merkel denkbar einfach. Nur einige wenige Punkte ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

„Freiheit“: Titel von Angela Merkels Memoiren (Foto: Montage/Kiepenheuer & Witsch).

Der Staat ist heillos verschuldet, und es besteht keine vernünftige Hoffnung, aus dieser Falle auf eine einigermaßen schmerzfreie Weise herauszukommen; die Folgen der völlig unkontrollierten Immigration überfordern das Land in steigendem Maße, das reicht vom Wohnungsbau bis zur ausufernden Kriminalität; die Infrastruktur ist marode; auf dem Gebiet der Digitalisierung gleicht Deutschland einem Schwellenland; die Deutsche Bahn ist ruinös und zum Ziel von Spott und Hohn geworden; die Insolvenzen auch großer, traditioneller Firmen häufen sich; internationale Investoren wenden sich anderen Ländern zu; die Bundeswehr ist nicht mehr im Stande, ihre Aufgaben zu erfüllen.

Kontinuität statt Kurswechsel: Vom Ende der Merkel-Ära zur Ampel-Regierung

„Doch halt!“, mag da jemand einwenden, „wir haben ja heute das Ergebnis von drei Jahren Ampel vorliegen, nicht die Regierungszeit Merkel!“ Oh, wenn das so einfach wäre! Denn: Deutschland war vor, sagen wir, 20 Jahren in einer Verfassung, die es in der Spitzengruppe der weltweiten Industrie- und Wirtschaftsnationen positioniert hat. Eine solche Substanz geht nicht in nur drei Jahren zugrunde. Nicht einmal mit Rot und Grün.
Was nämlich viel zu wenig Aufmerksamkeit gefunden hat, ist der Umstand, dass es zwischen der Ära Merkel und der Regierung Scholz keinerlei Kurswechsel gab, keine neue Richtung wurde ausgerufen, kein neues Ziel beschworen. Die Ampel machte so weiter wie zuvor, nur mit etwas mehr Tempo, Rücksichtslosigkeit und ideologischem Ingrimm.

Energiepolitik als Kernproblem

Ein ganz zentrales Thema ist dabei die Energiepolitik. Merkel hat die Nutzung der Kernenergie aus eigener Machtvollkommenheit verboten – entgegen der bestehenden Rechtslage und Verträge und ganz im Sinne der rot-grün-gelben Nachfolge-Regierung. Die hat dann auch noch die Kohlenwasserstoffe mit der Behauptung abgeschafft, das alles lasse sich durch Wind und Sonne ersetzen. Die Folge: Die Energiepreise schossen in die Höhe, und Deutschland ist darauf angewiesen, Atomstrom aus Frankreich oder Kohlestrom aus Polen teuer einzukaufen.
Doch das ist nicht einmal das Schlimmste. Vielmehr ist Deutschland von der kerntechnischen Forschung abgeschnitten. Deutsche Wissenschaftler, sofern sie sich überhaupt noch im Lande aufhalten, werden nicht einmal mehr zu bedeutenden internationalen Kongressen eingeladen. Aber es sind ohnehin nicht mehr viele. Es gibt hierzulande noch acht Lehrstühle für Kernforschung – gegenüber rund 200 über das Gender-Unwesen. Wer soll da Deutschland noch ernst nehmen? Und die Russen bauen Kernreaktoren, die keinen nuklearen Abfall mehr produzieren!

Die Herrschaft der Angst: Von Baumsterben bis Klimakrise

Das größte, das ursprüngliche Übel aber besteht darin, dass diese ganze, kurz skizzierte Schieflage nur die Folge eines viel schlimmeren Verfalls darstellt. Es ist dies die Aushöhlung des geistigen und sittlichen Bestandes, der Europa, wenn auch nicht die EU kennzeichnet, oder es jedenfalls bis in die jüngere Vergangenheit getan hat. Zwei Generallinien werden bei der Betrachtung dieses Verfalls sichtbar.
Da gibt es, beginnend mit den Kassandrarufen wegen eines angeblichen Baumsterbens in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts über Rinderwahn, Ozonloch und Feinstaub bis hin zur Klimadebatte eine zunehmende Bedeutung der Angst in der Gesellschaft. Diese Angst wird von der Politik nicht etwa gedämpft, sondern vielmehr genutzt, um den Bürgern mehr Geld und vor allem mehr Gehorsam abzuverlangen.

Die Leugnung der Realität: Gender-Wahn und Ideologie

Der zweite Strang ist gegenüber dem ersten scheinbar gegenläufig, tatsächlich aber ergänzt er diesen. Denn wo zunächst mit meist vorgeblichen Tatsachen operiert wird, besteht die zweite Entwicklung darin, in ausgesuchten Bereichen die Wirklichkeit zu leugnen. Paradigmatisch ist hier der Gender-Wahn. Aus den USA importiert, schien er zunächst darin zu bestehen, dass man mit abwegigen Begründungen die deutsche Sprache verschandelte – angeblich, um Gerechtigkeit zwischen Geschlechtern herzustellen.
Dass dies nur ein Vorwand für die Obstruktion war, ist daran zu erkennen, dass in einem zweiten Schritt die biologische Tatsache geleugnet wird, dass es beim Menschen wie auch bei allen Säugetieren zwei Geschlechter gibt, nicht mehr. Denn mögliche, höchst selten auftretende Mutationen schaffen kein weiteres Geschlecht. Mittlerweile ist aus einer Politik, welche die Tatsachen leugnet, ein Drohinstrument der Justiz geworden. Hier aber ist auch der Rückgriff auf das Instrument der Angst erkennbar.

Politik und Planung: Wer zieht die Fäden?

In diesem Zusammenhang gewinnt ein Wort des früheren US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt bestürzende Aktualität: „In der Politik passiert nichts zufällig. Wenn es passiert, können Sie wetten, dass es so geplant wurde.“ Das wirft die Frage auf, wo die Beweggründe der deutschen Politik während der vergangenen zwanzig Jahre liegen können. Denn kultureller Selbsthass, Wehleidigkeit, ideologische Verblendung und mangelnde Einsicht entwickeln für sich allein genommen keine dauerhafte Wirkkraft, weil sie kein geschlossenes Konzept darstellen, sondern die Begleiterscheinungen eines solchen sind.
Es wird wohl der Geschichtsforschung nachfolgender Generationen auferlegt sein herauszufinden, wer denn die Planer in der Kulisse waren, die Roosevelt meint, wem die daraus folgende politische Entwicklung in die Karten gespielt und wem sie Macht verliehen hat. Denn darum geht es schließlich und in der Hauptsache.
In der altrömischen Republik galt eine unbestrittene Überzeugung: „Die Konsuln sollen darauf achten, dass der Staat keinen Schaden nehme.“ Dass es aber die Konsuln selbst sein könnten, welche dem Staat Schaden zufügen, war in den Tagen der altväterlichen Tugenden außerhalb des Vorstellungsvermögens. Bis es dann anders kam …

Kolumne von Dr. Florian Stumfall
Erstveröffentlichung PAZ (redaktion@preussische-allgemeine.de)

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