Zwischen Willkür und Gewalt: Die düstere Realität der Nachkriegszeit in Südtirol
Am 3. Mai 1945, einen Tag nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Italien, begannen in Bozen, insbesondere im Stadtviertel Gries-Quirein, italienische „Freiheitskämpfer“ (partisanenähnliche Gruppen), willkürliche Aktionen gegen deutschsprachige Südtiroler. Ein Bericht beschreibt, wie ein italienischer „Befreiungsausschuss“ ein Haus in der Horazstraße konfiszierte, das Eigentum eines Südtirolers war. Der Hausbesitzer musste daraufhin gegen die Plünderung seines Eigentums vorgehen. Der Bericht beleuchtet die willkürlichen Aktionen dieser „Partisanen“ und ihre Verwechslung mit Befreiungskomitees (CLN), die ebenfalls solche Übergriffe initiierten. Selbst gestohlenes Eigentum, wie ein Traktor, wurde zur Unterstützung italienischer Einheiten genutzt, was die Eskalation und die Willkür in dieser Zeit zeigt.
2. Aldein – Konflikte mit „Partisanen“ und amerikanischen Truppen
In der Unterlandler Berggemeinde Aldein spielten sich ebenfalls dramatische Szenen ab. Amerikanische Soldaten, die vor Ort waren, schützten die deutsche Bevölkerung nicht vor Übergriffen. Am 22. Mai 1945 wurden Einwohner von einem Italiener in Partisanenuniform denunziert, der mit einem roten Halstuch und aggressivem Verhalten auftrat. Er beschuldigte Rückkehrer aus dem Kriegsdienst fälschlicherweise, Mitglieder der SS zu sein. Die Amerikaner reagierten auf die falschen Anschuldigungen, indem sie die Verdächtigen festnahmen und in ein italienisches Lager überstellten. Der Denunziant, ein ehemaliger Faschist, hatte sich opportunistisch in einen Partisanen verwandelt, um Macht auszuüben.
Ein Bericht aus dem Südtiroler Landesarchiv beschreibt die Ereignisse in Aldein detailliert. Schwer bewaffnete Partisanen drangen in das Dorf ein, hissten die italienische Flagge und verschleppten mehrere Einwohner, darunter vier ehemalige deutsche Soldaten, nach Branzoll. Der Seelsorger Alfons Karner berichtete von diesen Übergriffen und charakterisierte die Aktionen der Partisanen als Terrorakte. Die Eskalation wurde durch Drohungen und Einschüchterung der Dorfbewohner verstärkt, wobei auch die Kirche betroffen war.
Neumarkt – Versuch, italienische Kontrolle zu etablieren
In Neumarkt versuchten Partisanen, die italienische Kontrolle über das Dorf zu etablieren. Am 3. Mai 1945 forderte eine Gruppe von etwa 20 Mann die Übergabe des Rathauses und das Hissen der italienischen Flagge. Diese Aktionen wurden begleitet von Diebstählen und Plünderungen durch die Partisanen, die Dorfbewohnern Wertgegenstände entwendeten. Besonders deutlich wird der Versuch, das Dorf symbolisch und praktisch unter italienische Kontrolle zu bringen. Die Partisanen handelten willkürlich und mit einer Mischung aus Machtanspruch und opportunistischen Motiven.
Tramin und Kurtatsch – Raub und Erpressungen
In Tramin und Kurtatsch wurden während der Nachkriegszeit schwerwiegende Übergriffe durch die sogenannte „polizia partigiana“ dokumentiert. Diese Partisanenpolizei, die später von den Engländern aufgelöst wurde, führte Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und Erpressungen durch. Berichten zufolge wurde ein Revolver in das Haus des Besitzers Carli eingeführt, um Schweigegeld in Höhe von 20.000 Lire zu erzwingen. Ebenso wurde Frau Gruber ein Betrag von 9.000 Lire abgepresst. Die gezielten Maßnahmen zeigen ein klares Muster von willkürlicher Gewalt und Ausbeutung durch diese Gruppen.
Salurn – Misshandlung, Raub und Erpressung unter Beteiligung der Carabinieri
In Salurn wurden deutsche Familien mit Hilfe der Carabinieri geplündert. Am 6. Juni 1945 überfielen „Partisanen“ mit Unterstützung der Carabinieri die Häuser der deutschen Bevölkerung. Ein Bericht von Giovanni Parteli beschreibt, dass 8 bis 10 italienische Bewaffnete die Bewohner mit Maschinenpistolen bedrohten und unter Androhung von Gewalt ihre Wertsachen entwendeten. Den Opfern blieb keine Wahl, als die Übergriffe still hinzunehmen, was die Machtlosigkeit der Betroffenen angesichts der systematischen Plünderungen verdeutlicht.
Graun im Vinschgau – Erpressung, Raub und Beschießung
In einem Protokoll aus dem Südtiroler Landesarchiv wird ein Vorfall vom 11. Juni 1945 in Rojen, einem Weiler in der Gemeinde Graun im Vinschgau, geschildert. Sieben bewaffnete „Partisanen“ forderten von der Mutter eines Dorfbewohners die tägliche Herausgabe von Butter und Milch und plünderten zudem das Haus. Am gleichen Tag wurde die Frau von den Partisanen beschossen, wobei eine Kugel knapp an ihr vorbeiflog. Weitere Berichte aus dem Archiv dokumentieren ähnliche Übergriffe auf andere Familien in der Region, die zeigen, wie systematisch und einschüchternd diese Gruppen agierten.
St. Jakob in Pfitsch – Mit Maschinenpistolen bewaffnete „Partisanen“ als Räuber
Im Mai 1945 drangen schwer bewaffnete Partisanen in das Dorf St. Jakob in Pfitsch ein. Der Kurator der Pfarrgemeinde, Dr. Max Radl, berichtete, dass neun Häuser geplündert wurden. Offiziell rechtfertigten die Partisanen ihr Vorgehen damit, dass sie zurückgelassene Wehrmachtsgüter beschlagnahmen wollten, in Wahrheit stahlen sie jedoch Geld, Schmuck und persönliche Gegenstände wie Eheringe. Nach ihrem Abzug informierten die Bewohner die Carabinieri und die Alliierten, die den Betroffenen jedoch kaum Hoffnung auf Entschädigung machten. Der Bericht schildert die gezielte Ausbeutung und das machtpolitische Vorgehen der Partisanen.
Bozen – Misshandlung eines Kriegsversehrten
Ein weiterer Bericht vom 27. Juni 1945 beschreibt die Misshandlung eines aus Marburg stammenden und nach Südtirol zurückgekehrten Kriegsversehrten namens Josef Mair. Er wurde von bewaffneten Mitgliedern des CLN verhaftet, misshandelt und zusammen mit anderen Deutschen im Gasthof „Zentral“ eingesperrt. Auf dem Weg zum Gerichtsgefängnis erlitt Mair schwere Misshandlungen durch einen Mann namens Menghin, der ihn mit einem Gewehrlauf und Schlägen traktierte. Nach vier Tagen in Haft und anschließender Freilassung war Mair körperlich geschwächt. Er appellierte an die Südtiroler Volkspartei, gegen diese Übergriffe vorzugehen. Der Bericht zeigt die Brutalität, mit der Partisanen gegenüber deutschen Zivilisten vorgingen, selbst gegenüber Verwundeten.
Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde“ von Dr. Helmut Golowitsch.
Golowitsch, Helmut: Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt!. 2020. ISBN: 978-88-97053-68-2