von aw 15.01.2025 08:30 Uhr

Zweisprachigkeit in Gefahr: Wie positionieren sich die Freiheitlichen?

Die Zweisprachigkeitspflicht ist das Herzstück der Südtiroler Autonomie – ein Grundrecht, das den Bürgern garantiert, in ihrer Muttersprache mit öffentlichen Institutionen zu kommunizieren. Doch dieses Recht wird zunehmend mit Füßen getreten. Immer wieder berichten Bürger von Institutionen, die Deutsch schlicht ignorieren (UT24 hat berichtet).

Landesrätin Ulli Mair Foto: LPA/Lukas Forer

Obwohl die Zweisprachigkeit ein Symbol für den Schutz der deutschsprachigen Bevölkerung sein soll, fühlen sich viele Bürger längst als Bittsteller. Die jüngsten Vorfälle rund um die Agentur der Einnahmen sind nur die Spitze des Eisbergs: Termine können online nur auf Italienisch gebucht werden, deutsche Anträge sind Fehlanzeige. Und dies in einem Land, dessen Autonomie weltweit als Vorbild gilt?

In einer neuen Artikelserie beleuchtet UT24 die schleichende Aushöhlung eines Grundrechts, fragt nach Verantwortlichkeiten und fordert Antworten von den politischen Entscheidungsträgern im Landtag. Denn eines steht fest: Die Zukunft der Autonomie hängt auch davon ab, ob das Versprechen der Zweisprachigkeit gehalten wird – oder ob es nur auf dem Papier existiert. Heute mit Ulli Mair von den Freiheitlichen.

Wie bewerten Sie die Tatsache, dass deutschsprachige Bürger in Südtirol bei staatlichen Einrichtungen wie der Agentur der Einnahmen systematisch benachteiligt werden? Halten Sie diesen Zustand gegenüber der deutschen Bevölkerung für fair und vertretbar?

Es ist essenziell, dass alle Dienstleistungen, die in Südtirol erbracht werden – und das betrifft auch und vor allem staatliche Körperschaften – in Deutsch und Italienisch kommuniziert werden. Das beginnt bei Kundmachungen und Informationen und endet beim Personal, dem eigentlichen Schlüsselbereich in Sachen Zweisprachigkeit. Gerade das Thema Personal ist essenziell. Freilich geht es in der Praxis um die Gehälter und die Zweisprachigkeitszulage. Um allerdings eine flächendeckende Zweisprachigkeit durchzusetzen, müssen wir auch Südtiroler dazu motivieren, für staatliche Körperschaften zu arbeiten, ob es nun die Post, die Eisenbahn oder die Agentur für Einnahmen ist oder welche Einrichtung auch immer. Solange aber jeder Südtiroler, der für eine staatliche Körperschaft arbeiten will, politisch quasi als „Landesverräter“ abgestempelt wird, werden Probleme vergrößert statt gelöst. Das mag manchen recht sein, mir aber nicht, dafür ist mir unser Land zu wichtig.

Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen, um sicherzustellen, dass die deutsche Sprache in öffentlichen Einrichtungen den ihr gebührenden Platz erhält? Wie sieht Ihr Einsatz für die Zweisprachigkeitspflicht aus?

Im Jahr 2019 wurde ein freiheitlicher Beschlussantrag im Südtiroler Landtag angenommen, der eine eigenständige Sprachstelle für das Land Südtirol vorsieht. Gerade ein autonomes Land wie Südtirol muss hier Initiativen setzen, Bewusstsein schaffen und letztlich auch Verstöße gegen die Zwei- oder Dreisprachigkeit ankreiden. Wir wissen aber leider alle, wie es mit Beschlussanträgen im Landtag läuft, insbesondere dann, wenn die Kompetenzen im Bereich des Staates liegen. Derzeit liegt die Zuständigkeit noch beim Regierungskommissariat und es spricht alles dafür, diese auf das Land zu übertragen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass dieses Thema im Rahmen der Autonomieverhandlungen behandelt wird.

Was sagen Sie den Bürgern, die sich von öffentlichen Institutionen im Stich gelassen fühlen und den Eindruck haben, dass die deutsche Sprache systematisch ignoriert wird? Welche Verantwortung trägt die Politik hier?

Erstens, wir brauchen eine Instanz, die diese Beschwerden in Sachen Zwei- oder Dreisprachigkeit aufnimmt. Zweitens, wir brauchen dann Bürger, die die Meldungen erstatten, insofern Unrechtmäßigkeiten vorliegen. Wir brauchen darüber hinaus aber auch konstruktive Vorgangsweisen, die sich wie die Volksanwaltschaft den Mängeln widmet und konkret an Lösungen arbeitet. Das Jammern allein wird uns nämlich in keinem Bereich weiterbringen. Hier kommt es auch auf konkrete Initiativen an, wie jene, die ich im Landtag zuletzt gesetzt habe und zum Inhalt hat, dass die konsequente Berücksichtigung der Zweisprachigkeit auch bei Einbürgerungen und im Bereich Einwanderung durchzusetzen ist.

Halten Sie es für gerecht, dass trotz zahlreicher gemeldeter Verstöße gegen die Zweisprachigkeitspflicht keine Strafen verhängt werden? Welche Schritte werden Sie setzen, um sicherzustellen, dass der Schutz der deutschen Sprache nicht länger nur auf dem Papier existiert?

Wenn es so etwas, wie eine konsequente Missachtung der Zweisprachigkeitspflicht gibt, dann ist natürlich auch über Strafen zu sprechen. Man muss sich dann aber juristisch ansehen, ob ich als Land Südtirol der Agentur für Einnahmen eine Strafe verhängen kann oder ob wir eine politische Lösung brauchen. Gerade dann, wenn wir nicht nur über Rechte sprechen wollen, die am Papier bestehen, sondern diese auch konsequent durchgesetzt haben wollen, müssen wir zahlreiche Kilometer machen, uns mit den entsprechenden Stellen zusammensetzen, auf Veränderungen drängen, aber auch verstehen, wo eine Lösung erarbeitet werden kann und muss. Seien wir uns ehrlich: Für eine flächendeckende Zweisprachigkeit kommt es auf lokales Personal an, alles andere ist eine reine Augenauswischerei. Und dafür müssen wir uns alle auf die Hinterfüße stellen.

Meldung einer Verletzung der Zweisprachigkeitspflicht

Bürger, die von einer Verletzung der Zweisprachigkeitspflicht betroffen sind, oder denen eine solche Verletzung auffällt, können sich an das Amt für Landessprachen und Bürgerrechte wenden und die Verletzung melden.

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite