Scholz stellt Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag
Das geschieht auf Bitten des Kanzlers, danach kann der Neuwahltermin festgelegt werden. Das Schreiben von Scholz hat nur zwei Sätze: „Sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin, gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes stelle ich den Antrag, mir das Vertrauen auszusprechen. Ich beabsichtige, vor der Abstimmung am Montag, dem 16. Dezember 2024, hierzu eine Erklärung abzugeben.“
Stabile Mehrheiten gesucht
Dass Steinmeier die Auflösung verweigert, ist praktisch ausgeschlossen. Er hat bereits wissen lassen, dass er den 23. Februar für realistisch hält. Und er hat erklärt, nach welchem Maßstab er entscheiden werde: „Unser Land braucht stabile Mehrheiten und eine handlungsfähige Regierung.“
Das ist seit dem Rauswurf von FDP-Finanzminister Christian Lindner und dem damit verbundenen Aus der Ampel-Koalition am 6. November nicht mehr gegeben. Scholz führt seitdem eine von SPD und Grünen getragene Regierung, die im Deutschen Bundestag keine Mehrheit mehr hat und deswegen ohne Unterstützung aus der Opposition nichts mehr durchsetzen kann.
Wie wird die Abstimmung am Montag ablaufen?
Im Bundestag wird Scholz den Abgeordneten am Montag seine Gründe für die Vertrauensfrage in einer Rede erläutern. Anschließend wird es eine etwa 90-minütige Aussprache geben. Danach entscheidet das Parlament voraussichtlich in namentlicher Abstimmung. Das bedeutet, dass das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Abgeordneten mit etwas Verzögerung veröffentlicht wird. Es kann sich also kein Parlamentarier anonym für oder gegen Scholz aussprechen.
Ist sicher, dass Scholz keine Mehrheit bekommt?
Es ist ziemlich sicher, dass Scholz mit der Vertrauensfrage scheitert – auch wenn es einen Unsicherheitsfaktor gibt. Dem Bundestag gehören 733 Abgeordnete an. Um das Vertrauen des Parlaments zu bekommen, müsste Scholz 367 Stimmen erhalten – die absolute Mehrheit aller Parlamentarier, auch Kanzlermehrheit genannt. Die SPD-Fraktion mit ihren 207 Abgeordneten will dem Kanzler das Vertrauen aussprechen.
Grüne wollen sich enthalten
Die Grünen wollen Scholz bei der Abstimmung am Montag im Bundestag nicht das Vertrauen aussprechen, aber weiter in Regierungsverantwortung bleiben. „Wir schlagen der Fraktion vor, sich bei der Abstimmung zur Vertrauensfrage zu enthalten“, teilten ihre Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge mit. Der Bundeskanzler habe sich für die Vertrauensfrage entschieden, um die vorzeitige Neuwahl des Bundestages zu ermöglichen. Dafür müsse die Vertrauensfrage scheitern. “Mit einer Enthaltung der Grünen-Bundestagsfraktion ermöglichen wir dies”, unterstrichen die Fraktionschefinnen.
Wie geht es weiter, wenn Scholz verliert?
Er wird dann Bundespräsident Steinmeier vorschlagen, den Bundestag aufzulösen, wozu der dann drei Wochen Zeit hat, also bis zum 6. Jänner. Wenn Steinmeier sich dafür entscheidet, was als sicher gilt, muss die Neuwahl innerhalb von 60 Tagen stattfinden. SPD, Grüne und die Union als größte Unionsfraktion haben sich auf den 23. Februar als Wahltermin verständigt. Der Bundespräsident hat bisher keine Einwände dagegen erkennen lassen.
Ist der Deutsche Bundestag nach der Auflösung noch handlungsfähig?
Ja. Der alte Bundestag bleibt bis zum Zusammentritt des neuen Bundestages mit all seinen Rechten und Pflichten bestehen, heißt es in einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages. Das Parlament kann jederzeit wieder zusammentreten, es kann weiter Gesetze beschließen, auch seine Gremien wie Untersuchungsausschüsse bestehen bis zum Ende der Wahlperiode fort. Dieses Ende ist mit dem ersten Zusammentreten des neu gewählten Bundestages erreicht.
Wie sieht es mit der Bundesregierung aus?
Auch die Bundesregierung ist weiterhin im Amt – und zwar im vollen Umfang und nicht nur geschäftsführend. Erst mit der Konstituierung des neuen Bundestages endet laut Artikel 69 Grundgesetz das Amt des Bundeskanzlers und seiner Minister. Sie bekommen dann vom Bundespräsidenten ihre Entlassungsurkunden überreicht.
Und wenn bis dahin noch keine neue Regierung gebildet ist?
Der neue Bundestag tritt nach Artikel 39 Grundgesetz spätestens am 30. Tag nach seiner Wahl zusammen. Wegen der sich oft in die Länge ziehenden Koalitionsverhandlungen ist es üblich, dass die neue Regierung zu diesem Zeitpunkt noch nicht steht. Dann kann der Bundespräsident den Kanzler ersuchen, die Geschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen. Dazu ist dieser dann verpflichtet. Gleiches gilt für Ministerinnen und Minister.
apa