von gk 05.11.2024 18:05 Uhr

Die Strategie zur Bewahrung der „Kriegsbeute“ Südtirol für Italien

Nach dem Sturz Mussolinis und der deutschen Besetzung Norditaliens etablierte sich der Nationale Befreiungsausschuss Oberitalien (Comitato di Liberazione Nazionale Alta Italia, CLNAI) als bedeutende Widerstandsorganisation. Der CLNAI verfolgte das Ziel, Italien in seiner ursprünglichen territorialen Integrität wiederherzustellen.

De Angelis (links) nach der erfolgten Machtübernahme in Südtirol zusammen mit dem amerikanischen Oberstleutnant William E. McBratney, Kommissar der Alliierten Kommission für die "Provinz Bozen" (Bild: Effekt Verlag).

Im Rahmen dieses nationalistischen Gebietsanspruchs war natürlich auch Südtirol für die nationalistisch und faschistisch geprägten Kreise von hoher Bedeutung. Der CLNAI wollte Südtirol als „Kriegsbeute“ sichern. Diese in bester faschistischer Tradition stehende Zielsetzung wurdde interessanterweise von den im CLNAI vertretenen Kommunisten widerspruchslos mitgetragen. Die Wiederherstellung der italienischen Kontrolle über Südtirol galt als Ziel mit höchster ideologischer und strategischer Bedeutung.

Interessanterweise bestand der CLNAI nicht nur aus linksgerichteten und kommunistisch gesinnten Partisanen, sondern auch aus nationalistisch und faschistisch orientierten Kräften. Diese Ideologien verband das gemeinsame Ziel, die deutsche Besatzungsmacht zu bekämpfen und Südtirol unter italienischer Kontrolle zu halten, obwohl dies zu ideologischen Spannungen innerhalb der Bewegung führte. Der CLNAI nutzte die Existenz eines „antifaschistischen Widerstands“ auch als propagandistisches Mittel, um die internationale Unterstützung für das italienische Vorhaben zu gewinnen.

  • Aus den "Dolomiten" vom 24. April 1965 (Bild: Effekt Verlag).

Bruno De Angelis: Der Geschäftsmann als Vertreter einer nationalistischen Strategie

Bruno De Angelis, ein Mailänder Geschäftsmann, übernahm eine Schlüsselrolle im südtirolerischen CLN. Zuvor mit der Chemieindustrie verbunden, stets in engem Kontakt mit den italienischen Eliten und früherer Mussolini-Gesprächspartner, wurde De Angelis zum Vertreter des CLNAI in Südtirol. Sein Hintergrund und seine Verbindungen zur faschistischen Elite machten ihn zu einer ambivalenten Figur in der Widerstandsbewegung, da er sowohl den italienischen Nationalismus als auch die Interessen des CLNAI vor Ort verfolgte. Er nutzte seine Beziehungen, um strategische Gespräche mit den deutschen Kommandanten zu führen und agierte dabei oft opportunistisch.

Die Rolle des CLNAI in der „Entnationalisierungspolitik“ in Südtirol

Nach der Kapitulation Italiens setzte der CLNAI in Bozen und Meran eine Entnationalisierungspolitik um, die darauf abzielte, die deutschsprachige Bevölkerung Südtirols zu schwächen und die Region nachhaltig zu „italienisieren“. Im Rahmen dieser Politik wurden gezielt Übergriffe und Propaganda gegen die deutsche und ladinische Volksgruppe durchgeführt, um klarzustellen, dass Italien der legitime Herrscher über die Region war und jede deutsche Dominanz unterdrückt werden würde. Dieser Prozess war mit Drohungen und Druck verbunden, die darauf abzielten, die deutsche Bevölkerung zur Abwanderung zu bewegen oder zur Kooperation mit der neuen italienischen Ordnung zu zwingen.

  • Kommandant Junio Valerio Borghese, links im Bild (Bild: Effekt Verlag).

Verbindung zu faschistischen Organisationen: Die „Brigata Giovane Italia“

Im Herbst 1943 nahm De Angelis Kontakt zur ultranationalistischen und faschistisch geprägten Gruppe „Brigata Giovane Italia“ auf. Diese Organisation, die auch Verbindungen zum faschistischen Geheimdienst der Mussolini-Republik, „Repubblica Sociale Italiana“ (RSI), pflegte, setzte sich für die Verteidigung des „heiligen italienischen Bodens“ ein und betrachtete Südtirol als integralen Bestandteil Italiens. Die „Brigata Giovane Italia“ war bereit, extreme Mittel anzuwenden. Die Gruppe sah sich selbst in einer Propagandabroschüre „als Teil der unsterblichen italienischen Rasse“ mit der Aufgabe „unseren heiligen Boden“ zu verteidigen.

Die Leitung über die „Giovane Italia“ hatte ein gewisser Gino Beccaro inne, der in einer programmatischen Schrift „die Vertreibung des deutschen Gesindels aus diesem Land, das Gott uns zugewiesen hat“ als anzustrebendes Ziel bezeichnet hatte. In seiner Schrift „Una storia vera“ bestätigt er, mit der Hilfe des italienischen Offiziers Junio Valerio Borghese, ein Kommandant der faschistischen Eliteeinheit „Decima MAS“, Waffen der RSI nach Bozen gebracht und den Männern der „Giovane Italia“ übergeben zu haben. Als Borghese 1948 in Rom der Prozess gemacht wurde, erklärte er, dass er 1944 „italienischen Patrioten in Bozen“ 700 Gewehre habe liefern lassen, damit diese „zu Kriegsende dazu bereit seien, die Pläne des österreichischen Gauleiters zu vereiteln“. Die Waffen kamen während des Krieges nie zum Einsatz, wohl aber unmittelbar nach Kriegsende. Die „Brigata Giovane Italia“ gehörte zu den „Nachkriegshelden“ mit Partisanenanstrich.

Fortsetzung folgt…

(Zum vorherigen Artikel hier entlang).

  • Repression Band 1 (Bild: Effekt Verlag)

Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde“ von Dr. Helmut Golowitsch.

Golowitsch, Helmut: Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt!. 2020. ISBN: 978-88-97053-68-2

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