von gk 07.10.2024 13:18 Uhr

Das Kriegsende in Italien: Vom Faschismus zur „antifaschistischen“ Regierung

Nachdem die deutschen und italienischen Truppen in Nordafrika kapituliert hatten, die Alliierten am 10. Juli 1943 auf Sizilien gelandet waren und sich die dort stationierten italienischen Truppen reihenweise ergeben hatten, fand in Rom eine wundersame und plötzliche Mutation des Faschistischen Großrats statt.

Der faschistische Massenmörder und "Marschall von Italien" Pietro Badoglio wurde von König Vittorio Emanuele III. zum "antifaschistischen" neuen Regierungschef bestellt (Bild: Effekt Verlag).

In diesem Kapitel aus seinem Buch “Repression I” (den Bericht zum vorherigen Kapitel findest du hier) beleuchtet der Historiker Helmut Golowitsch die turbulenten Ereignisse in Italien zur und nach der Zeit des Zweiten Weltkriegs: den Sturz Mussolinis, die Entstehung einer neuen „antifaschistischen“ Regierung unter Marschall Badoglio und die Machtspiele innerhalb der italienischen Elite. Während das faschistische System offiziell beendet wurde, blieben viele Akteure aus Mussolinis Regime an den Schalthebeln der Macht – ein taktisches Ringen, das Fragen zur Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit Italiens aufwirft.

Am 24. Juli 1943 entschied der „Großrat des Faschismus“, Benito Mussolini abzusetzen. Die Mehrheit im Rat stimmte für seine Entmachtung, darunter prominente Faschisten wie Dino Grandi. Nur einen Tag später wurde Mussolini verhaftet und damit ein bedeutender Bruch in der faschistischen Führung vollzogen. König Vittorio Emanuele III., der Mussolini 1922 zum Ministerpräsidenten ernannt hatte, leitete diese Entscheidung ein, obwohl er den Diktator einst unterstützt hatte.

Nach Mussolinis Entmachtung wurde Badoglio, ein ehemaliger hoher Militär und enger Vertrauter des Königs, als Regierungschef eingesetzt. Diese „antifaschistische“ Regierung bestand jedoch größtenteils aus Mitgliedern des alten faschistischen Systems. Neben Militärs und Funktionären waren auch Politiker beteiligt, die zuvor dem Mussolini-Regime gedient hatten. Die neue Führung Italiens zielte auf eine Balance zwischen öffentlicher Loyalität zum faschistischen Erbe und geheimen Verhandlungen mit den Alliierten.

Doppeltes Spiel um den Waffenstillstand

Italien bemühte sich offiziell, an der Seite Deutschlands weiterzukämpfen, während gleichzeitig geheime Friedensverhandlungen mit den Alliierten geführt wurden. In einer bemerkenswerten Aktion erklärte Badoglio öffentlich, den Krieg gegen die Alliierten fortzuführen, verhandelte jedoch heimlich einen Waffenstillstand, der schließlich am 3. September 1943 unterzeichnet wurde. Diese Zweigleisigkeit wird im Kapitel als „Furberia all’italiana“ (italienische List) bezeichnet, die die Verworrenheit und Unsicherheit der italienischen Politik in dieser Phase verdeutlicht.

Die Rolle von Badoglio und die „antifaschistische“ Elite

Badoglio selbst war tief in die kolonialen Verbrechen Italiens in Libyen und Äthiopien verstrickt. Unter seiner Führung wurden tausende Menschen in Konzentrationslager interniert und ermordet. Trotz dieser Vorgeschichte wurde er vom König und den Alliierten als Führungsfigur akzeptiert, da er politische Stabilität versprach. Das Kapitel beleuchtet auch die Rolle anderer prominenter Figuren, die nach dem Sturz des faschistischen Regimes weiterhin politische Machtpositionen innehatten und sich nie für ihre Verbrechen verantworten mussten.

Unter anderem General Mario Roatta, ein faschistischer Kriegsverbrecher und enger Mussolini-Vertrauter. Dieser hatte als Kommandant der II. Italienischen Armee auf dem Balkan im Kampf gegen die Partisanen Massaker mit tausenden Todesopfern durchführen lassen und Todeslager eingerichtet, in denen mehr als 11.000 slowenische und kroatische Zivilisten unter furchtbaren Bedingungen zugrunde gegangen waren. Nach dem Krieg sollte sich Roatta vorsichtshalber nach Spanien absetzen und Jahre später wieder zurückkehren können, um seinen Lebensabend friedlich in Rom zu verbringen.

  • Kind im Konzentrationslager auf der Insel Rab (Bild: Effekt Verlag).
  • Erwachsener Häftling im Konzentrationslager auf der Insel Rab (Bild: Effekt Verlag).

Nach der Verkündung des Waffenstillstands am 8. September 1943 kam es zu einer Spaltung Italiens. Der König und die Regierung Badoglio flohen in den Süden, während der Norden von deutschen Truppen besetzt wurde. In dieser Situation formierte sich das „Comitato di Liberazione Nazionale“ (CLN), eine nationale Befreiungskomitee, das zum bewaffneten Widerstand gegen die deutschen Besatzer aufrief. Flugblätter mit dem Slogan „Der ewige deutsche Feind“ mobilisierten die Italiener zum Widerstand.

Das CLN bestand aus verschiedenen politischen Gruppierungen, darunter Kommunisten, Sozialisten und Liberale, die eine nicht-faschistische Zukunft für Italien anstrebten. Besonders die Kommunistische Partei, mit den „Brigate Garibaldi“ (Garibaldi-Brigaden), spielte eine zentrale Rolle in der Widerstandsbewegung und versuchte Einfluss auf die zukünftige politische Machtverteilung in Italien zu nehmen. Das sollte auch in einem erheblichen Ausmaß gelingen und zur Folge haben, dass auch auf staatspolitischer Ebene der Kommunismus weiter in das Zentrum der Machtausübung vordringen konnte.

Kollaboration und das Erbe des Faschismus

Die Alliierten versuchten, das „Comitato di Liberazione Nazionale“ (CLN), das sich der Befreiung Italiens verschrieben hatte, unter Kontrolle zu bringen. Sie sorgten dafür, dass das CLN, insbesondere die kommunistischen Mitglieder, nicht zu einer eigenmächtigen Macht werden konnten. Sie setzten auf antikommunistische Kräfte und überwachten die Aktivitäten des CLN genau.

Während die Widerstandsbewegung im Süden und in den Bergen an Stärke gewann, installierte Deutschland Mussolini als Marionettenherrscher der „Sozialrepublik Italien“ in Salò. In dieser „Repubblica Sociale Italiana“ kollaborierten italienische Einheiten weiterhin mit den Deutschen und bekämpften den Widerstand im eigenen Land. Sie diente als letzte Bastion des Faschismus. Doch die RSI fand wenig Unterstützung und war besonders bei jungen Italienern unbeliebt. Als die Alliierten und die kommunistischen Partisanen die letzten faschistischen Stellungen überwanden, wurde Mussolini 1945 gefangen genommen und nach einem kurzen Prozess hingerichtet. Seine Leiche und die seiner Geliebten Clara Petacci wurden öffentlich zur Schau gestellt, was symbolisch das Ende des Faschismus in Italien markierte.

Fortsetzung folgt…

  • Repression Band 1 (Bild: Effekt Verlag)

Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde“ von Dr. Helmut Golowitsch.

Golowitsch, Helmut: Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt!. 2020. ISBN: 978-88-97053-68-2

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