von red 09.10.2024 14:00 Uhr

Alte Tirolensien neu gelesen (Teil 38)

Schwarzweiß in Farbe von Gottfried Solderer dokumentiert auf höchst anschauliche Weise die Entwicklung des deutschsprachigen Fernsehens in Südtirol, insbesondere durch den Sender Rai Südtirol (vormals Sender Bozen). Es bietet einen tiefgründigen Einblick in seine 50-jährige Geschichte, die Herausforderungen und die Errungenschaften des Mediums und zeigt, wie das Fernsehen hierzulande zur Stärkung der kulturellen Identität der deutschen Minderheit beigetragen hat. Eine Rezension von Andreas Raffeiner.

„Mut zur Lücke“

Das Buch ist ein Mix aus historischer Chronologie und Reflexionen über den Stellenwert des Fernsehens in der Südtiroler Gesellschaft und ist in verschiedene Aspekte unterteilt, die thematisch und rein von der Zeitabfolge her die bedeutsamsten Stationen in der Entwicklung des Fernsehens beleuchten und dokumentieren. Im ersten Kapitel „Mut zur Lücke“ führt Solderer in die Thematik ein und gibt einen profunden Überblick über die Herausforderungen bei der Gründung und Etablierung eines deutschsprachigen Fernsehprogramms in Südtirol. Dabei werden die mutigen Schritte, die erforderlich waren, um das Projekt in die Tat umzusetzen, minutiös dargestellt.

„Das Land und die Welt im regionalen Fernsehen“ - „Bilder für Südtirol“

Vittorio Longati indessen thematisiert in seiner Abhandlung „Das Land und die Welt im regionalen Fernsehen“ das Beziehungsgeflecht zwischen dem regionalen Fernsehen und der globalen Berichterstattung. Rai Südtirol wird hier als Erfolgsgeschichte dargestellt, die es der deutschen Minderheit ermöglicht hat, sowohl ihre regionale Identität zu bewahren als auch weltoffen zu werden und folglich zu bleiben. Markus Perwanger analysiert in seinem Beitrag „Bilder für Südtirol“, wie das Fernsehen das Selbstbewusstsein der deutschen Minderheit in Südtirol gestärkt hat. Zudem wird die Rolle der Bilder und Medien im gesellschaftlichen und kulturellen Kontext veranschaulicht. Dabei zeigt der Verfasser, wie das Fernsehen dazu beigetragen hat, ein intensiviertes Gemeinschaftsgefühl zu fördern.

„Daheim – und doch weltoffen“ - „Was bringt mir die Zukunft?“

Der Rezensent möchte mit den Aufsätzen von Wolfgang Mayr („Daheim – und doch weltoffen“) und Arno Kompatscher („Was bringt mir die Zukunft?“) fortfahren. Mayr geht auf die Bedeutung der Nachrichtensendung „Tagesschau“ und die Integration neuer Medien ein. Dabei hebt er hervor, wie die Nachrichtenberichterstattung der Bevölkerung ein Gefühl der Zugehörigkeit zur globalen Welt vermittelt, ohne die lokale Verwurzelung zu verlieren. Landeshauptmann Kompatscher reflektiert über die Chancen und Perspektiven von Rai Südtirol und betont die Herausforderungen, denen sich der Sender in einer sich rasch verändernden Medienlandschaft stellen muss und macht überdies positive Entwicklungsmöglichkeiten dingfest.

Neben anderen Aufsätzen glänzt das zu besprechende Buch durch seine umfassende Darstellung der Geschichte des Fernsehens in Südtirol und die Menge von Perspektiven, die es abdeckt. Die Publikation bietet eine ausgewogene Mischung aus technischen Informationen, politischen Hintergründen und kulturellen Überlegungen. Wertvoll sind die Beiträge von Zeitzeugen und Politikern, die den Lesern einen mehr als nur lebendigen Einblick in die Wichtigkeit des Fernsehens für die deutsche Minderheit gewähren. Für Leser, die sich nicht intensiv mit der Landesgeschichte oder der Südtiroler Medienlandschaft auskennen, kann das Werk etwas technisch, trocken oder zu detailreich erscheinen. Für den Fokus auf die kulturellen und politischen Konflikte, zugegeben sehr spezifisch, braucht man einige Vorkenntnisse, die zweckdienlich sind, will man die Bedeutung komplett erfassen.

„Schwarzweiß in Farbe“ ist ein in der Tat buntes Werk, das die Bedeutung des Fernsehens für die deutsche Minderheit eindrucksvoll darstellt. Weg vom Schwarz-Weiß-Denken richtet es sich an Leser, die ein Interesse an der Medienhistorie, Südtirol und kulturellen Fragen der Identität haben. Solderer schafft es spielerisch, die Entwicklung des Fernsehens als eine Erfolgsgeschichte zu verkaufen, die mittlerweile weit über die reine Berichterstattung hinausgeht und zum integralen Bestandteil der Südtiroler Identität geworden ist.

von Andreas Raffeiner
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Gottfried Solderer, Schwarzweiß in Farbe. 50 Jahre deutsches Fernsehen Rai Südtirol, Bozen 2018.

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