von aw 06.10.2024 09:40 Uhr

Medizinstudium in Bozen – Ein Magnet für ausländische Eliten?

Mit der Eröffnung des ersten Medizinstudiengangs in Bozen soll die medizinische Versorgung des Landes gestärkt werden, doch bereits jetzt häufen sich Zweifel, ob dieses Vorhaben tatsächlich den Interessen der Südtiroler Bevölkerung dient. Hohe Studiengebühren, die internationale Ausrichtung und der starke Einfluss italienischer Professoren werfen die Frage auf, ob hier wirklich die Bedürfnisse Südtirols im Fokus stehen – oder ob es sich um ein weiteres Prestigeprojekt handelt, das vor allem wohlhabende ausländische Studierende anzieht.

Bild von Darko Stojanovic auf Pixabay

Hohe Studiengebühren: Ein Vorteil für reiche Ausländer?

Auch wenn das Land Südtirol ein Stipendiensystem für alle Studierenden anbietet, das die finanzielle Belastung abmildern soll, sind diese Stipendien an klare Bedingungen geknüpft. Dazu gehört unter anderem, dass die Studierenden die Zweisprachigkeit beherrschen und sich verpflichten, nach ihrem Abschluss mindestens vier Jahre im lokalen Gesundheitssystem zu arbeiten. Diese Regelung schließt die meisten ausländischen Studierenden aus, da sie diese sprachlichen Anforderungen in der Regel zum Zeitpunkt der Inskription nicht erfüllen können. Dies führt zur Situation, dass der Großteil der ausländischen Studierenden, die nach Bozen kommen, überwiegend aus vermögenden Familien stammt – ansonsten könnten sie sich die Studiengebühren nicht leisten.

Von den insgesamt 60 eingeschriebenen Studierenden kommen etwa 25 aus Südtirol. Das bedeutet, dass über die Hälfte der Plätze von ausländischen Studierenden besetzt wird, die vermutlich nicht langfristig im Land bleiben werden. Diese wohlhabenden Studierenden nutzen das Medizinstudium in Bozen möglicherweise als Alternative, wenn sie beispielweise in ihren Heimatländern aufgrund des Numerus Clausus keinen Studienplatz erhalten haben. Das eigentliche Ziel, durch das Studium in Bozen Ärzte für Südtirol auszubilden, wird so jedoch verfehlt. Denn der Großteil dieser Studierenden wird nach dem Abschluss in ihre Heimatländer zurückkehren, ohne einen langfristigen Beitrag zur lokalen Gesundheitsversorgung zu leisten. Was bleibt, ist die Tatsache, dass die hiesigen Studierenden zunehmend um Plätze mit ausländischen Eliten konkurrieren müssen, während der eigentliche Zweck des Studiums – die medizinische Versorgung Südtirols zu sichern – nicht erreicht wird.

Die Sprache der Patienten – und die Sprache des Studiums?

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Sprachsituation im Medizinstudium. In Südtirol ist Deutsch für einen Großteil der Bevölkerung die Muttersprache, besonders im medizinischen Bereich, wo die Verständigung zwischen Arzt und Patient von entscheidender Bedeutung ist. Doch das englischsprachige Medizinstudium in Bozen wird in den ersten beiden Jahren von Professoren aus Rom geleitet, was unweigerlich dazu führt, dass der Unterricht stark auf Englisch und Italienisch ausgerichtet ist. Ist dies vielleicht der Anfang eines Modells, das ähnliche Entwicklungen wie an der Freien Universität Bozen zeigt? Dort hat sich im Laufe der Jahre Italienisch und Englisch immer mehr durchgesetzt, und man fragt sich, ob auch beim Medizinstudium in Bozen der Einfluss Italiens weiter gestärkt wird.

Diese Situation wirft die berechtigte Frage auf, ob die Ausbildung wirklich den lokalen Bedürfnissen gerecht wird. Wäre es nicht sinnvoller, die zukünftigen Ärzte in der Sprache auszubilden, die sie später im direkten Kontakt mit den Patienten am häufigsten benötigen? Wenn der Fokus auf Englisch und Italienisch liegt, könnten genau die sprachlichen Fähigkeiten vernachlässigt werden, die für die Praxis in Südtirol entscheidend sind. Deutschsprachige Patienten erwarten, dass ihre Ärzte sie in ihrer Muttersprache verstehen und behandeln können – ein Aspekt, der im Studium nicht ausreichend berücksichtigt wird.

In Südtirol, wo Mehrsprachigkeit im Alltag eine zentrale Rolle spielt, müsste die medizinische Ausbildung stärker auf die sprachlichen Realitäten der Patienten ausgerichtet sein. Doch durch die internationale Prägung des Studiengangs und den geringen Fokus auf Deutsch scheint dieses wichtige lokale Anliegen in den Hintergrund zu geraten. Der Eindruck entsteht, dass das Medizinstudium in Bozen mehr auf internationale Standards und die Bedürfnisse ausländischer Studierender ausgerichtet ist – mit wenig Rücksicht auf die Anforderungen der deutschsprachigen Patienten, die später auf die medizinische Versorgung angewiesen sind.

Prestigeprojekt ohne nachhaltigen Nutzen?

Das Medizinstudium in Bozen verspricht viel, doch es ist fraglich, ob es wirklich den langfristigen Bedürfnissen Südtirols gerecht wird. Die hohen Kosten machen es für viele Einheimische nur mit Stipendien tragbar, während reiche ausländische Studierende die Gebühren problemlos zahlen und das Studium als Sprungbrett nutzen könnten, ohne eine langfristige Bindung an Südtirol. Gleichzeitig wird die Ausbildung in einer Sprache durchgeführt, die für viele Patienten in Südtirol nicht die Muttersprache ist. Der Fokus auf Internationalität und die Zusammenarbeit mit Rom lassen befürchten, dass Bozen eher zu einem Zentrum für ausländische Eliten wird als zu einem Standort, der den medizinischen Nachwuchs für Südtirol ausbildet.

Südtirol braucht ein Medizinstudium, das in erster Linie den lokalen Bedürfnissen dient – mit einer Ausbildung, die in der Sprache der Patienten stattfindet und darauf abzielt, Ärzte zu fördern, die im Land bleiben. Sonst droht dieses Projekt, lediglich ein weiteres Prestigevorhaben zu werden, das am Ende den Menschen vor Ort wenig nützt.

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