von red 20.09.2024 17:00 Uhr

Direktor Peter Silbernagl im UT24-Interview über das neue Programm des Südtiroler Kulturinstituts

Im Rahmen der vor kurzer Zeit über die Bühne gegangenen Pressekonferenz stellte das Südtiroler Kulturinstitut sein Programm für die Saison 2024/25 vor. Unter dem Motto „Mitten im Geschehen“ verspricht die neue Spielzeit eine spannende Zusammensetzung an kulturellen Höhepunkten zu bieten, die aktuelle soziale Fragen in den Fokus rückt. UnserTirol24 sprach mit Direktor Peter Silbernagl über die Auswahl des Mottos, die Herausforderungen bei der Programmgestaltung und seine langfristigen Visionen für das Institut. Erfahren Sie mehr über die geplanten Höhepunkte und die Bedeutung des kulturellen Austauschs.

Peter Silbernagl, Direktor des Südtiroler Kulturinstitutes - Foto: privat

UnserTirol24: Herr Direktor Silbernagl, das Programm der Spielzeit 2024/25 des Südtiroler Kulturinstituts wurde vor kurzem der Presse vorgestellt. Auch heuer wurde ein bestimmtes Motto ausgewählt. Wie lautet es? Gibt es in Ihren Augen spezielle Kriterien oder Themen, die besonders im Fokus stehen?

Peter Silbernagl: Für die Saison 2024/25 haben wir das Motto „Mitten im Geschehen“ gewählt. Dieser Leitgedanke spiegelt unser Bestreben wider, kulturelle Veranstaltungen zu präsentieren, die sich intensiv mit aktuellen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen. Eigentlich könnte man diesen Satz jedes Jahr zu unserem Motto küren, zumal wir stets auf Stücke und Produktionen setzen, die relevante Fragen aufwerfen und lebendige Diskussionen anregen.

UT24: Wie gestaltet sich der Auswahlprozess für das Programm? Wie finden Sie bei einem so großen Angebot an Theaterstücken und kulturellen Darbietungen im deutschsprachigen Kulturraum das perfekte Potpourri, das sowohl abwechslungsreich als auch ansprechend für das Südtiroler Publikum ist?

Silbernagl: Die Programmauswahl basiert auf einem sorgfältigen Auswahlprozess: der Bogen reicht dabei von Stücken zeitgenössischer Autorinnen und Autoren, über Werke der klassischen Moderne bis hin zu Klassikern. Wir berücksichtigen aktuelle Trends, prüfen Publikumsrückmeldungen und die Vielfalt der kulturellen Angebote, um ein Programm, das sowohl abwechslungsreich als auch für das Südtiroler Publikum von Interesse ist, auf die Beine zu stellen.

Eines langen Tages Reise – Foto: DERDEHMEL Urbschat

UT24: Wie schätzen Sie das kulturelle Interesse der Südtiroler Bevölkerung ein? Haben sich die Vorlieben in den vergangenen Jahren verändert, und wie passen Sie das Programm an, um auf besagte Veränderungen besser und effizienter einzugehen?

Silbernagl: Das kulturelle Interesse in Südtirol ist nach wie vor hoch. Wir beobachten ein wachsendes Interesse an zeitgenössischen Themen und interaktiven Formaten, während klassische Werke auch weiterhin geschätzt werden. Unser Programm wird kontinuierlich angepasst, um aktuelle Fragestellungen aufzugreifen und innovative Formate zu integrieren. Wir möchten dem Wandel der Zeit nicht mit verschlossenen Augen begegnen.

Unser Programm wird kontinuierlich angepasst, um aktuelle Fragestellungen aufzugreifen und innovative Formate zu integrieren. Wir möchten dem Wandel der Zeit nicht mit verschlossenen Augen begegnen.

Peter Silbernagl, Direktor des Südtiroler Kulturinstitutes

UT24: Gibt es in der neuen Spielzeit besondere Höhepunkte, auf die Sie eingehen möchten und auf die Sie sich persönlich freuen? Welche Veranstaltungen oder Künstler sind für Sie unverzichtbare Elemente in der neuen Saison?

Silbernagl: In der Saison 2024/25 begrüßen wir neue Bühnen wie das Bronski & Grünberg Theater aus Wien, das Schlosspark Theater aus Berlin sowie das Hessische Landestheater aus Marburg. Das Münchner Volkstheater und das Theater in der Josefstadt, Wien laden wir immer wieder gerne mit ihren Erfolgsproduktionen ein. Höhepunkte dürften zweifelsohne die Aufführungen zeitgenössischer Stücke wie Gott von Ferdinand von Schirach sowie klassischer Werke wie Shakespeares Was ihr wollt sein.

Szenenfoto aus Gott von Ferdinand von Schirach – Foto: Roland Ferrigato

Musikalisch dürfen wir uns auf die Gastkonzerte des Kammermusikensembles Desiderio, des Kammerorchesters Concerto Stella Matuina aus Vorarlberg oder des aus sieben Frauen bestehenden A-cappella-Ensembles Sjaella aus Leipzig freuen. Die Beginnzeit der Vorstellungen wird auf 19.30 Uhr vorverlegt. Des 150. Geburtstags von Arnold Schönberg (am 13. September 2024, Anm. A. R.) wird mit einem Konzert mit dem Titel Verklärte Nacht gedacht.

Ensemble Desiderio – Foto: Rosalía Gómez Lasheras

UT24: Höhepunkte waren in der Vergangenheit auch stets Begegnungen mit Autorinnen und Autoren. Wird es auch in dieser Spielzeit solche Veranstaltungen geben? Wenn ja, welche Themen erwarten die Freunde der Literatur?

Silbernagl: Autorinnen und Autoren begegnen wir vordringlich in der Lesereihe HÖRbar gut. Am 13. November wird Caroline Peters, eine der wichtigsten deutschen Schauspielerinnen, aus ihrem Erstlingsroman Ein anderes Leben lesen und von Hanna, die nacheinander drei Studienfreunde heiratete, drei Töchter bekam und aus der Rolle fiel, berichten. Die Protagonistin, so viel sei verraten, ist eine mit Gedichten im Kopf, die den Alltag vergisst und ihren Platz zwischen Familie und eigenen Ansprüchen sucht.

Franziska Augstein, die Tochter des legendären SPIEGEL-Gründungsvaters und -Herausgebers Rudolf Augstein, entführt wenig später den Zuhörer in das Leben von Winston Churchill, des britischen Staatsmanns, der für seine Rolle im Zweiten Weltkrieg bekannt war und mit seinen Reden und Entscheidungen die Geschichte des letzten Jahrhunderts maßgeblich prägte. Die Biografin versucht seine facettenreiche Persönlichkeit, politischen Erfolge und privaten Herausforderungen zu beleuchten.

Beide Lesungen bieten spannende Einblicke in verschiedene Themen und sind eine wertvolle Ergänzung unseres Angebots.

UT24: Das JUKIBUZ ist ein fester Bestandteil der Südtiroler Kulturlandschaft. Wird es auch in der kommenden Spielzeit wieder ein spezielles Angebot für Kinder und Jugendliche geben, und welche Schwerpunkte werden auf diese Weise gesetzt?

Silbernagl: Ja, das Literaturfestival im Waltherhaus, das vom 30. September bis zum 4. Oktober stattfinden wird, richtet sich an alle Altersgruppen. Es feiert das 25-jährige Bestehen unseres jungen Literaturhauses in Südtirol und umfasst mit verschiedenen Lesungen und literarischen Veranstaltungen ein breitgefächertes Angebot, um die Freude an der Literatur zu fördern.

Amadeus – Foto: Marcel Urlaub

UT24: Sie stehen dem Südtiroler Kulturinstitut als Direktor vor. Sehen Sie sich selbst eher als Kulturvermittler, Kulturmanager oder Kulturbotschafter? Welche dieser Rollen ist Ihnen am wichtigsten, und wie gehen Sie damit in Ihrer täglichen Arbeit um?

Silbernagl: Ich sehe mich in allen drei von Ihnen angeführten Rollen. Jede Rolle ist wichtig, wenn es darum geht, die Vielfalt und die Qualität der Kulturarbeit voranzutreiben. Als Kulturvermittler ist es mein Ziel, kulturelle Inhalte mit anderen zu teilen und parallel dazu Brücken zwischen Menschen, Generationen und Kulturen zu bauen. Gleichzeitig bin ich als Kulturmanager und -botschafter tätig, um gerade auch die strategische Weiterentwicklung der Kulturarbeit zu fördern. Dieser Balanceakt ist essentiell für meine tägliche Arbeit.

Als Kulturvermittler ist es mein Ziel, kulturelle Inhalte mit anderen zu teilen und parallel dazu Brücken zwischen Menschen, Generationen und Kulturen zu bauen. Gleichzeitig bin ich als Kulturmanager und -botschafter tätig, um gerade auch die strategische Weiterentwicklung der Kulturarbeit zu fördern.

Peter Silbernagl, Direktor des Südtiroler Kulturinstitutes

UT24: Gewiss gibt es immer wieder spannende Kooperationen mit anderen Kulturinstitutionen. Wie gestaltet sich beispielsweise die Zusammenarbeit mit der Tiroler Kulturszene, und welche gemeinsamen Projekte, wenn wir über den Brenner blicken, sind geplant?

Silbernagl: Die Ausstellungsreihe Blick-Kunst-Tirol fördert den künstlerischen Austausch über die Grenzen hinweg. Sie bietet nunmehr seit einem Jahrzehnt Kulturschaffenden aus Nord- und Osttirol die Möglichkeit, ihre Werke bei uns zu präsentieren. Ziel ist es, den künstlerischen Austausch zu forcieren und die universelle Sprache der Kunst zu betonen.

Der Talisman – Foto: Krafft Angerer

UT24: Kultur, Politik und Wirtschaft sind oft eng miteinander verwoben. Wie sehen Sie das Spannungsfeld zwischen diesen Bereichen? Können sie Ihrer Meinung nach isoliert voneinander existieren oder sind sie aufeinander angewiesen?

Silbernagl: Kultur, Politik und Wirtschaft sind eng miteinander verflochten. Während der Kultursektor oft unterschätzt wird, hat er erhebliche wirtschaftliche und soziale Auswirkungen. Eine über die rein ökonomischen Werte ganzheitliche Betrachtung der Kultur, auch wenn eine klare Definition der Kulturwirtschaft fehlt, ist wichtig, um ihre Eigenständigkeit und Vielfalt zu fördern.

Die Bozner Handelskammer hat in einer Studie den Einfluss der Kultur auf die Wirtschaft untersucht. Eine differenzierte Debatte ist aber vonnöten. Leider stellt man immer wieder fest, dass der Kunst- und Kultursektor nicht so stark wahrgenommen wird wie andere Branchen. Unser Sektor schafft viele Arbeitsplätze, und ich finde es beeindruckend, wie bildungsorientiert der Beschäftigungseffekt im Kultur- und Kreativsektor ist.

Leider stellt man immer wieder fest, dass der Kunst- und Kultursektor nicht so stark wahrgenommen wird wie andere Branchen. Unser Sektor schafft viele Arbeitsplätze, und ich finde es beeindruckend, wie bildungsorientiert der Beschäftigungseffekt im Kultur- und Kreativsektor ist.

Peter Silbernagl, Direktor des Südtiroler Kulturinstitutes

UT24: Die Corona-Pandemie hat unter anderem die Kulturszene arg gebeutelt. Und just in Krisenzeiten wird oft an der Kultur gespart oder sie wird kurzerhand übergangen oder vergessen. Wie wichtig ist es, dass Kultur auch in ökonomisch schwierigen Zeiten unterstützt wird? Welche Maßnahmen können oder müssen vielmehr ergriffen werden, um ein kulturelles Überleben über kurz oder lang zu sichern?

Silbernagl: Kultur muss auch in Krisenzeiten unterstützt werden, da sie essenziell für den sozialen Zusammenhalt ist. Um das kulturelle Überleben zu sichern, sind gezielte finanzielle Unterstützung und langfristige Investitionen notwendig. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind noch spürbar, und der Druck auf den Kulturbereich bleibt hoch. Die Auswirkungen mit teils geringen Auslastungszahlen waren bedrohlich. Auch die steigende Inflation kommt erschwerend hinzu.

UT24: Blicken wir noch schnell in die Zukunft: Welche langfristigen Visionen haben Sie für das heuer 70 Jahre alt gewordene Südtiroler Kulturinstitut? Gibt es in Ihren Augen besondere Ziele oder Projekte, die Sie in den kommenden Jahren verwirklichen möchten, um die Kultur hierzulande weiter zu stärken, zu fördern und dabei stets das Interesse des Publikums zu intensivieren?

Silbernagl: Unsere langfristige Vision für die Zukunft umfasst die kontinuierliche Stärkung unserer Rolle als kulturelle Brücke sowie die Förderung eines intensiveren Dialogs zwischen Südtirol und dem deutschsprachigen Kulturraum. Wir planen innovative Projekte und Partnerschaften, um den kulturellen Austausch gezielter erweitern zu können. Daran wird sich hoffentlich auch in den nächsten 70 Jahren nichts ändern.

Unsere langfristige Vision für die Zukunft umfasst die kontinuierliche Stärkung unserer Rolle als kulturelle Brücke sowie die Förderung eines intensiveren Dialogs zwischen Südtirol und dem deutschsprachigen Kulturraum.

Peter Silbernagl, Direktor des Südtiroler Kulturinstitutes

UT24: Danke für das Interview!

Das Interview führte Andreas Raffeiner

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