von gk 15.03.2024 17:50 Uhr

Die Tiroler und das „Tschüss“

Während im Süden Tirols das bundesdeutsche „Tschüss“ schon etwas mehr verbreitet ist, wird es im Norden und Osten des Landes kaum verwendet bzw. gilt sogar teilweise als verpönt. Warum ist das so? Ein Netzfund hat UT24 dazu bewogen, dem genauer auf dem Grund zu gehen.

Wenn zwei Tiroler sich begrüßen bzw. voneinander verabschieden, kommen die unterschiedlichsten Grußworte zum Einsatz: Von „Griaß Di“, „Hoi“, „Pfiat Di“ über „Servus“ und „Heil/e“ ist alles dabei. Warum aber erfährt das – sonst im deutschsprachigen Raum vielverwendete „Tschüss“ – im Tiroler Raum nur eher zögerliche Anwendung?

Ein Netzfund lässt darauf schließen, dass eine nähere Betrachtung der Sprache nahelegt, dass dies daran liegen könnte, dass es den Umlaut „ü“ in der Tiroler Mundart möglicherweise gar nicht gibt.

Wie bitte? In unserem Dialekt soll es kein „ü“ geben? Das kann doch gar nicht sein, es gibt doch so viele Wörter, die ein „ü“ enthalten, oder?

Laut besagtem Netzfund gäbe es wohl einige phonetische Regeln (Anm. Phonetik = Lautlehre), die bestimmen, wie das geschriebene „ü“ in der Mundart klingen soll.

Regel 1:
Im einfachsten Fall werde der Umlaut „ü“ einfach durch den Vokal „u“ ersetzt:

Standarddeutsch: ü – Tirolerisch u:
drücken = druckn
Mücke = Muck(e)/Mugg(e)
hüpfen = hupfn
Brücke = Brugg(e)

Regel 2:
In vielen Fällen werde der Umlaut „ü“ durch den im Dialekt ohnehin häufig verwendeten Vokal „i“ ersetzt.

Standarddeutsch: ü – Tirolerisch i:
Schüssel = Schissl
Krüppel = Krippl
Dübel = Dibl
Büffel = Biffl
Tüftler = Tiftler
Strümpfe = Strimpf
Hütte = Hittn
Tür = Tir
Glück = Glick

Regel 3:
Bei der dritten Regel werde der Umlaut „ü“ durch eine Kombination zweier Vokale ersetzt. Sie beginne mit einem i, welches schleifend in ein a übergehe.

Standarddeutsch: ü – Tirolerisch ia:
müde = miad
Hosentür = Hosntiarl
Kühe = Kia
süß = siaß
Füße = Fiaß
gemütlich = gmiatlich
grün = grian
Blümchen = Bliaml
früh = friah
Tücher = Tiacher

Regel 4:
Sei auf ein Wort, welches ein „ü“ enthält, keine der Regeln 1–3 anwendbar, werde das Wort einfach durch ein anderes ersetzt.

küssen = bussln
pflücken = brockn
Pfütze = Lackn
Rücken = Buckl
Gülle = Jauchn
Hühnchen = Hendl
Mütze = Haubn

Man sehe also, dass der Tiroler mit allen Mitteln versuche, dem „ü“ aus dem Weg zu gehen, so der Verfasser dieser Theorie im Netz.

Was sagt der Südtiroler Sprachwissenschaftler Dr. Cristian Kollmann dazu?

Es ist schon richtig, dass es im Tirolerischen so wie in allen bairischen Mundarten kein ö und ü gibt, wenn es historisch vorliegt, weil ö und ü “entrundet” wurden, also zu é, éi, ea und i, ii, ia wurden, z.B. Böcke > Pékch, Böden > Péidn, böse > peas, Glück > Glikch, Stübelein > Schtiibl, Hüte > Hiat. Die Umlaute ö und ü sind den Tiroler Mundarten somit tatsächlich fremd.

Doch in manchen Mundarten, nämlich den mittelbairischen, zu denen die Tiroler Mundarten ab Jenbach nordwärts auch gehören, seien ein neues ö und ü entstanden, und zwar bei e und i vor l, wobei dann das l geschwunden sei. So heiße es in solchen Mundarten dann etwa Kööch für Kelch oder Müüch statt Milch. Historisch habe man es es hier aber nicht mit ö bzw. ü zu tun. Die hier gebrachten Beispielwörter seien manchmal korrekt, weil es sich tatsächlich um etymologische Gleichungen handle, manchmal jedoch hätten die beiden Wörter natürlich auch nichts miteinander zu tun.

Und ja: dann gibt es tatsächlich auch Fälle von Wörtern mit ü in der deutschen Schriftsprache, doch dieselben Wörter haben u, z.B. Brücke vs. Pruk, zurück vs. zruk, verrückt vs. forrukcht, Rücken vs. Rukkng, drücken vs. drukchn usw. Diese Wörter hatten im Bairischen nie ü, sondern u, weil vor k im Bairischen, anders als in der deutschen Schriftsprache, das u nicht zu ü umgelautet wurde.

Dass man mit allen Mitteln versuche, dem ü (und auch dem ö) aus dem Weg zu gehen, sei – so der Sprachwissenschaftler – wohl nur lustig gemeint. Es gäbe, historisch bedingt, im Tirolerischen, von einzelnen mittelbairischen Mundarten abgesehen, kein ö und kein ü. Heute würden es junge Leute allerdings häufiger verwenden, indem sie z.B. Tür, derfür, Größe, böse usw. sagen. Für die ganz alten Tiroler seien ö und ü bis heute nicht aussprechbar, weshalb diese beispielsweise “pit fir uns” und “erlese uns von den Pesen” sagen würden.

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  1. Itstime
    16.03.2024

    Eine Unart. Und es ist ja nicht nur das Tschüss sondern die dämliche Aussprache : Tschüüüüüss

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