von gk 08.09.2023 10:37 Uhr

1945: Das Grauen in Dresden

Der Südtiroler Freiheitskämpfer und Musiker Günther Andergassen weilte während seiner frühen Schulzeit an einer Eliteschule in Dresden. Dort erlebte er die schreckliche Dresdner Bombennacht 1945 hautnah mit.

Bombennacht in Dresden 1945 (Bild: Wikimedia Commons).

Das furchtbarste Erlebnis, die Bombennacht vom 13. auf den 14. Februar 1945, eine „Hölle“ auf Erden, sah ich als kleiner Luftschutzwart aus 18km Entfernung. Diese wunderbare Stadt – ich hatte sie noch vorher besuchen dürfen – das „Rom des Nordens“, wie es auch genannt wurde, brannte lichterloh. 30.000 Tote gab man später offiziell als Opfer an. Aber es waren in Wirklichkeit an die 250.000 in einer einzigen Nacht und dem Tag darauf zu beklagen, Flüchtlinge aus dem Osten, die hier Tag für Tag durchzogen auf dem Weg in den Süden und viele, viele völlig Unschuldige aus Dresden und Umgebung, wo es weder eine Kriegs- noch eine Zivilindustrie zu zerstören gab – alle starben einen furchtbaren Tod. Hier ist nicht der Ort, an dieser brutalen Vergangenheit zu rühren – es gab schon bald nach dem Krieg eine detaillierte Dokumentation über dieses an sich völlig unnötige Bombardement. Einige aus unserer Schule sollten an den Tagen darauf bei einem Hilfseinsatz das entsetzliche Elend aus der Nähe kennenlernen: phosphorverbrannte Leichen haufenweise übereinander gestapelt! Aber wie hätte man hier überhaupt noch helfen können. Wir waren uns unserer ganzen Ohnmacht bewusst.

  • Die Bombennacht von Dresden erlebte der junge Schüler im Februar 1945 aus nächster Nähe. Wenn auch nicht direkt betroffen, war es für ihn ein sehr einprägendes und erschütterndes Erlebnis (Bild: Effekt Verlag).

Im April des Jahres 1945 war wohl allen klar, dass das Ende des Krieges nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Trotzdem mussten viele unserer Professoren und Lehrer in diesen letzten Wochen noch an die zusammenbrechende Front, und wir Schüler waren so ziemlich allein zurückgeblieben.

Da übertrug mir unser Erzieher Hans Kristen die Verantwortung – ich war gerade 15 Jahre alt geworden – mit den dreizehn 12-jährigen des jüngsten Jahrgangs der Schule in Pirna per Fahrrad in den Süden zu fahren zum Zielort Wasserburg am Inn. Wir machten uns also auf den 800km langen Weg. Dabei kamen wir noch durch das Sudetenland und die Stadt Eger, wo uns die Menschen – Frauen und Mütter der Soldaten, die alle an der Front kämpften – in herzlicher Gastfreundschaft aufnahmen – nur wenige Tage vor ihrer brutalen Vertreibung durch Tschechen und Sowjetrussen. Nie werde ich das vergessen!

  • Kurz vor dem Zusammenbruch kommt von den Erziehern die Anweisung die Eliteschule zu verlassen und sich mit dem Fahrrad Richtung Süden zu begeben. Als 15-jähriger führte Günther Andergassen in Eigenverantwortung rund ein Dutzend jüngere Schüler auf einem 800km langen Weg nach Wasserburg in Süddeutschland (Bild: Effekt Verlag).

In Deggendorf an der Donau hielt uns die Wehrmacht auf. Man war dabei, den Übergang über diese weit und breit einzige Donaubrücke zu sperren, um die Brücke zu sprengen. Der verantwortliche Offizier ließ uns aber gerade noch durch, und so erreichte ich mit unserer jungen Truppe wohlbehalten – ein großer Stein fiel mir vom Herzen – den Zielort Wasserburg, wo die Entlassung stattfand und jeder in seinen mehr oder weniger weit entfernten Heimatort weiterziehen konnte. Ich habe bald darauf auch erfahren, dass alle Buben gut bei ihren Familien angekommen waren.

Ich selber fuhr noch mit dem Rad weiter Richtung Tirol. Am „Grenzort“ Kufstein drohte man – wie Tage zuvor in Deggendorf – mit der Sperre des Zugangs nach Tirol. Aber auch dieses Hindernis konnte ich gut hinter mich bringen.

Meine Eltern waren nach der mehrmaligen Bombardierung Innsbrucks – auch „unsere“ Speckbacherstraße war betroffen – bei Bekannten in Imst im Oberinntal untergebracht worden. Was war das für ein glückliches Wiedersehen! Meine Eltern hatten nichts von meiner abenteuerlichen „Fahrradtour“ gewusst!

Fortsetzung über Günther Andergassens Leben und Wirken in Nordtirol folgt…

Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Ohne Opfer keine Freiheit“ von Prof. Dr. Günther Andergassen.

Andergassen, Günther: Ohne Opfer keine Freiheit. Autobiographie eines Musikers und Freiheitskämpfers: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt!. 2010. ISBN: 978-88-9040-546-4

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