von hm 20.11.2021 07:16 Uhr

Die Staatsbürgerschaften der Südtiroler

Das Bestreben, Südtirolern die Möglichkeit zu geben, auch österreichische Staatsbürger zu werden, ist nicht neu. Trotzdem geistern viele Fragen zu den gesetzlichen Möglichkeiten, zum Nutzen und zu einer praktischen Handhabung durch die Gesellschaft. Der Bozner Jurist Otto Mahlknecht hat mit UT24 über seine neue Publikation gesprochen. Das Buch stellt das Ansinnen einer doppelten Staatsbürgerschaft in einen historischen Kontext und zeigt die politische Entwicklung der letzten Jahre auf.

Der Bozner Rechtsanwalt Mahlknecht beleuchtet die Möglichkeiten der doppelten Staatsbürgerschaft. (Foto: UT24/FH/Mahlknecht)

Doppelstaatsbürgerschaften sind mittlerweile in ganz Europa normal und tragen zur Verwirklichung der europäischen Idee bei. „Viele Südtiroler haben zwischen 1918 und 1948 viermal ihre Staatsbürgerschaft gewechselt, obwohl sie immer am gleichen Ort gewohnt haben“, unterstrich Mahlknecht im Vorfeld der Buchpräsentation.

Der Jurist befürwortete in seiner neuesten Publikation das Anliegen einer österreichisch-italienischen Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler: „Ich halte es für eine wertvolle Chance. Im europäischen Geist sind Doppelstaatsbürgerschaften eine faszinierende Bereicherung.“ UT24 hat mit dem Autor eingehender über das oftmals emotional diskutierte Thema gesprochen.

UT24: Die Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler ist in den Medien immer wieder für „tot“ erklärt worden. Wollten Sie mit Ihrem Buch das Gegenteil beweisen?

Mein Buch bietet einen Überblick über die seit 2009 geführte Diskussion. Die Debatte ist nicht tot, aber es ist alles ausdiskutiert. Es existiert ein ausformulierter Gesetzesentwurf der vormaligen ÖVP-FPÖ-Regierung, der jederzeit im Nationalrat mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann.

  • RA Otto Mahlknecht aus Bozen. (Foto: Archiv/FH)

    UT24: Es heißt, Staatsbürgerschaften spielen heutzutage dank EU keine wesentliche Rolle mehr. Können Sie dem als Jurist zustimmen?

    Nein, das stimmt so nicht. Innerhalb der EU gibt es eine weitgehende Gleichstellung aufgrund der Unionsbürgerschaft, aber der Besitz der Staatsbürgerschaft bleibt Voraussetzung für das Wahlrecht auf Staats- und Landesebene oder den Zugang zu höheren Stellen im öffentlichen Dienst. Ein Südtiroler kann z.B. nicht österreichischer Diplomat oder Richter werden, wenn ihm die österreichische Staatsbürgerschaft fehlt.

    UT24: Welchen Mehrwert sehen Sie, Herr Mahlknecht, also in einer zusätzlichen österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler? Ist es ein emotionaler oder reden wir hier von einer politischen Dimension?

    Solange die EU in Ihrer heutigen Form bestehen bleibt, ist es vor allem ein ideeller Mehrwert. Ein Gefühl der Zugehörigkeit, das gleichzeitig eine Stärkung der kulturellen Identität bedeutet. Eine österreichisch-italienische Doppelstaatsbürgerschaft wäre für uns Südtiroler das genaue Gegenteil der Option 1939: Damals standen unsere Vorfahren vor einem unmenschlichen Entweder-Oder, während die Doppelstaatsbürgerschaft heute etwas Verbindendes wäre.

    UT24: Hat Ihrer Meinung nach hier die Politik zuletzt eine „Jahrhundertchance“ verpasst?

    Ja, das hat sie. Vor dem Auseinanderbrechen der ÖVP-FPÖ-Regierung nach „Ibiza“ war alles bereit für die Abstimmung des Gesetzesentwurfs. Dann hat die ÖVP Kindesweglegung betrieben und das Vorhaben ist derzeit auf Eis gelegt. Durch die Staatsbürgerschaftsfrage wurde die ÖVP auf dem falschen Fuß erwischt, weil ihre jahrelange politische Rhetorik – Stichwort „Herzensangelegenheit“ – als inhaltsleer entlarvt wurde. Die ÖVP-Spitze interessiert sich nicht die Bohne für uns Südtiroler, das dürfte jetzt jedem klar sein. Erst durch das Insistieren der Freiheitlichen wurde die Staatsbürgerschaft für Südtiroler am 15. Dezember 2017 in das ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm 2017–2022 aufgenommen.

    UT24: Woher rührt Ihre Motivation und Ihr Interesse für das Thema, dass Sie es in Buchform aufgearbeitet haben?

    Doppelstaatsbürgerschaften sind heute in ganz Europa normal und tragen zur Verwirklichung der europäischen Idee bei. Menschen sind heute viel mobiler als früher, studieren und arbeiten oft im Ausland. Ich halte die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler deshalb für ein Zukunftsthema.

    Das Buch „Die Staatsbürgerschaften der Südtiroler. Rechtliche und politische Hintergründe“ von Otto Mahlknecht ist im effekt! Verlag Neumarkt erschienen und umfasst 166 Seiten.

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