von ih 10.02.2020 16:17 Uhr

„Eine Grausamkeit, mit der unsere schöne Sprache verstümmelt wird“

Das Rektorat der Universität Wien hat im Dezember 2019 eine „Leitlinie für „geschlechterinklusiven Sprachgebrauch“ erlassen. Um Diversität auszudrücken, seien Anreden wie „Herr“ oder „Frau“ zu unterlassen, Mehrfachnennungen wie „Studenten und Studentinnen“ ebenso wie Binnen-I, Gender-Gap und dergleichen zu vermeiden; stattdessen sei die geschlechtliche Diversität mittels Genderstern („Liebe*r Studierende*r“) auszudrücken. Weiters liest man: „Der sogenannte Gender­stern * wird in der mündlichen Kommunikation als kurze Pause gesprochen.“

APA (AFP)

Der Verein Muttersprache in Wien argumentiert seit Jahren in den von ihm heraus­gegebenen „Wiener Sprachblättern“ gegen rechtschreibwidrige und unaussprech­liche Sprachverformungen, die unter dem Vorwand der Geschlechter­gerechtigkeit von verschiedenen Institutionen als sogenannte Leitfäden verordnet werden. Wir verweisen auf Gutachten maßgeblicher Sprachwissenschaftler, auf den „Offenen Brief der 800“, auf Publikationen wie Tomas Kubeliks „Genug gegendert“ oder Birgit Kelles „Gender Gaga“, auf Horst Fröhlers Expertise „Gendern – aber richtig“ und auf den Bescheid der Österreichischen Volksanwaltschaft, den Zwang zum Gendern in wissenschaftlichen Arbeiten auf die öffentliche Missstandsliste zu setzen. Vor allem weisen wir darauf hin, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung die genannten Empfehlungen Horst Fröhlers als Richtlinie übernommen und damit dem Ansinnen, den „Genderstern“ als Regel aufzunehmen, faktisch einen Riegel vorgeschoben hat. Die unmittelbare Sprechbarkeit und Verständlichkeit sind unverzichtbare Anforderun­gen bei der Textgestaltung.

Der neuerliche davon abweichende Regelungsversuch durch die Universität Wien werde vom Verein Muttersprache für zweckwidrig, gesetzwidrig, asozial und bildungsfeindlich erachtet: zweckwidrig, weil er dem Ziel der Gleichstellung der Geschlechter nicht dient, sondern den Widerstand breiter Bevölkerungskreise erregt; gesetzwidrig, weil er den geltenden Rechtschreibregeln widerspricht; asozial, weil er Keile zwischen Genera­tionen, Regionen und Bildungsschichten treibt; bildungsfeindlich, weil er Sprach­erwerb und Integration von Neubürgern behindert.

Man sei entsetzt über die Grausamkeit, mit der unsere schöne Sprache verstümmelt werde, ausgerechnet in Wien, wo das Burgtheaterdeutsch sein hohes Ansehen erworben habe. Es darf ausgeschlossen werden, dass jemand aus der formulierenden Task Force die Force für den Task aufgebracht hat, sich zur Lektüre von George Orwells „1984“ oder Václav Havels „Benachrichtigung“ zu bequemen, sonst hätte * sich von Neusprech oder Ptydepe abschrecken lassen.

Kaum eine andere Maßnahme sei erinnerlich, die so gründlich das angestrebte Ziel verfehle. Mit dem Leitlinienverordnungsschwenk vom Binnen-I zum Genderstern gerät die gekünstelte Amtssprache vom Regen in die Traufe. Die Wurzel der Verwirrung liegt in der zur Phrase erstarrten Metapher, man müsse die Frauen in der Sprache sichtbar machen. Nun erst wurden mit Binnen-I, Gender-Gap und anderen Konstruk­ten alle objektiv oder subjektiv vorhandenen geschlechtlich abweichenden Erschei­nungs­formen ausgegrenzt. Dabei wurde die Tatsache des generischen Masku­linums („der Star“, „der Gast“) und Femininums („die Person“, „die Hoheit“), also die Ver­schiedenheit von grammatischem und biologischem Geschlecht, erst übersehen und dann schlichtweg verleugnet. Wer auf diese grundlegende Tatsache hinwies, wurde als „Anhänger des generischen Maskulinums“ verhöhnt, als ob es um einen Fußballverein ginge. Durchgehende Doppelnennung (laut SPIEGEL „Blähdeutsch“) und Ausweich­gram­ma­tik („Flüchtende, Säugende, Studierende“) kamen in Mode. In die „Genderfalle“ tappten vor laufender Kamera Harald Mahrer („Kinder und Kinder­innen“) und Eva Glawischnig („Eltern und Elterinnen“), und die Broschüre „Liebe Prostatapatienten und Prostatapatientinnen“ wurde nur durch eine aufmerksame Grafikerin am millionenfachen Druck gehindert. Wie in einem Albtraum erinnert man sich an Ausbildungspläne der deutschen Bundeswehr über das „Lösen vom Feind/von der Feindin“ und an eine Leitlinie für das österreichische Bundesheer, die Ausdrücke wie „man“, „jemand“, „jedermann“ und „niemand“ unterbinden wollte. Unvergessen sind die skurrilen Bemühungen, das Binnen-I in die Blindenschrift zu implementieren, und Robert Sedlaczeks Spaß mit dem „Knacklaut des Wiener Bürgermeisters“, als dieser das Binnen-I per Glottisschlag vertonte (gelesen in der Wiener Zeitung).

Nun also setzt die universitäre Task Force forciert auf den Asterisk als Jolly Joker im Amtsdeutsch und macht uns damit zu Gendersterndeutern. Doch bereits in ihrer Empfehlung Nr. 2 dämmert ihr der Widerspruch zwischen Absicht und Regel, indem geschlechtsneutrale Formulierungen die Geschlechtervielfalt eben nicht wieder­geben. Am Ende der Sackgasse angelangt, sei die Task Force darauf hingewiesen, dass der Ausweg aus dem Dilemma allein in der Rückbesinnung auf die seit jeher bestehende, früher allgemein anerkannte geschlechtsneutrale Ausdrucksweise des generischen Maskulinums, Femininums und Neutrums liegt. Bei „Lieber Leser!“ ist eben nicht die Leserin „nur mitgemeint“, sondern es sind schlicht alle gemeint. Im Heft 2/2019 der „Wiener Sprachblätter“ hat Horst Fröhler dazu ausführlich Stellung genommen. Die vielgeforderte Rückkehr zur sprachlichen Vernunft liegt nun, nach den zahlreichen sprachpolitischen Geisterfahrten, mehr denn je als einzig vernünftige Lösung auf der Hand.

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  1. Tom
    10.02.2020

    Genderisierung…Einfach nur krank.. als ob die Menschheit keine wirklichen Probleme hätte !!!

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