„Viele Südtiroler fühlen sich zu Recht verraten!“ – UT24-Interview

Herr Ranzmaier, Sie waren gestern in Ihrer Funktion als Südtirol-Sprecher der FPÖ in Bozen, um sich den Sonderlandtag bezüglich der umstrittenen Autonomiereform anzusehen. Wie war Ihr Eindruck?
Nationalratsabgeordneter Christofer Ranzmaier (FPÖ): Ich muss ganz offen sagen: Das war kein demokratischer Glanzmoment, sondern ein politischer Offenbarungseid, der symptomatisch für die Genese dieser Reform ist, die ja hauptsächlich hinter verschlossenen Türen diskutiert wurde.
Die SVP hat mit fadenscheinigen Begründungen eine Abstimmung über einzelne Punkte der Autonomiereform verhindert – offenbar aus Angst, dass ihr „großer Wurf“ als das entlarvt wird, was er ist: ein gefährlicher Rückschritt. Bei entsprechendem politischem Willen wären nämlich die rechtlichen Bedenken in Hinblick auf diese Abstimmung schnell vom Tisch gewesen. In Österreich gibt’s dazu das Sprichwort „Zwei Juristen, drei Meinungen“, das südlich des Brenners wohl genauso zur Anwendung kommt. Das Vorgehen von Kompatschers SVP erinnert mehr an autoritäres Machtkalkül als an echte parlamentarische Kultur.
Dass man hier – im Gegensatz zur parteiinternen SVP-Versammlung, die ja abstimmen durfte – dem Landtag eine Abstimmung über die entscheidenden Punkte dieser Autonomiereform verweigert, ist nicht nur inhaltlich problematisch, sondern demokratiepolitisch brandgefährlich.
Welche Gefahren erkennen Sie persönlich in der geplanten Autonomie-Reform?
Die Reform bringt keinen echten Zugewinn an Autonomie, sondern verschleiert unter dem Deckmantel scheinbarer Kompetenzerweiterung eine systematische Aushöhlung zentraler Minderheitenrechte bzw. stellt diese teilweise sogar auf den Kopf und erklärt den Italiener zur Minderheit im eigenen Staat.
Die Aufweichung der Ansässigkeitsklausel bei Landtagswahlen ist ein direkter Angriff auf das sensible Gleichgewicht zwischen den Volksgruppen. Gleichzeitig werden Kompetenzen in Bereichen versprochen, die längst EU-rechtlich durchreguliert sind – also ohne realen Gestaltungsspielraum und vom Verfassungsgericht ja unter dem Titel „Nationales Interesse“ jederzeit wieder aufhebbar. Unterm Strich wird hier eine angebliche Verbesserung der Autonomie verkauft, während in Wahrheit ein gefährlicher Abbau zulasten der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung passiert.
Eine weitere Gefahr sehe ich für das sprachliche Gleichgewicht in Südtirol aufgrund der Umbenennung der Region, deren Namen künftig ja auch in der deutschen Version die faschistische Fantasiebezeichnung „Alto Adige“ enthalten soll. Die Autonomiegegner werden keine Sekunde zögern, dieses Nachgeben zum Anlass zu nehmen, wieder neuen Schwung in die Ortsnamen-Diskussion zu bringen und damit das Minderheitenrecht auch in dieser Frage weiterhin mit Füßen zu treten.
Eine weitere hoch brisante, aber bisher kaum diskutierte Facette ist, dass diese Reform auch völkerrechtlich für die Schutzmachtfunktion Österreichs durchaus eine Gefahr darstellen könnte, weil die Verfasstheit des Textes durch die im Letztentwurf kastrierte „Schutzklausel“ signalisiert, dass die Südtirolfrage eine inneritalienische Angelegenheit sei. Dies ist aber unter Betrachtung der historischen Tatsachen geradezu ein Affront und darf so nicht in Umsetzung gelangen.
Wie sollte sich Österreich als Schutzmacht, Ihrer Meinung nach, jetzt verhalten, um einen Verlust fundamentaler Rechte der Südtiroler zu verhindern?
Österreich ist laut Pariser Vertrag völkerrechtlich verpflichtet, als Schutzmacht einzuschreiten, wenn in Südtirol grundlegende Rechte unter Druck geraten. Und genau das ist jetzt der Fall. Ich erwarte mir daher ein klares und unmissverständliches Bekenntnis der gesamten Bundesregierung zu Österreichs Schutzfunktion.
Dazu gehört, diplomatisch auf Rom einzuwirken, aber auch die umgehende Einberufung des Südtirol-Unterausschusses im Nationalrat, damit sich das österreichische Parlament mit den Schwachstellen dieser Reform befassen kann, bevor durch einen endgültigen Beschluss in Rom irreversible Tatsachen, die die Autonomie dauerhaft beschädigen und wie bereits geschildert auch ein Fragezeichen hinter das Thema „Schutzmachtfunktion“ setzen, geschaffen werden.
Mehrere Oppositionsvertreter in Südtirol sind der Auffassung, die SVP habe sich bei den Verhandlungen zur Autonomiereform von den italienischen Neofaschisten über den Tisch ziehen lassen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Was hier passiert ist, war kein gleichberechtigter Dialog, sondern ein politischer Kuhhandel zu Lasten der Autonomie. Ziel war die Wiederherstellung des Standards aus dem Jahr 1992, der ja schließlich erst zur Streitbeilegung zwischen Österreich und Italien in dieser Frage geführt hat.
Ein Indiz für die Richtigkeit dieser Wahrnehmung und Bestätigung für die gefährlichen Schwächen dieser Reform ist, dass sich ausgerechnet jemand wie Urzì, der den Minderheitenschutz jahrzehntelang bekämpft hat, nun am meisten über diese Einigung zu freuen scheint, was ja auch Luis Durnwalder medial zu bedenken gab.
Wenn die SVP glaubt, damit Südtirols Zukunft abzusichern, dann hat sie sich bitter getäuscht – und viele Südtiroler fühlen sich zu Recht verraten. Wenn die SVP glaubt, dass diese Reform für Rom ein Zwischenschritt und nicht die Enderledigung der Frage sei, dann ist sie politisch naiv und tatsächlich auf einen Taschenspielertrick hereingefallen.
Wie wird sich die geplante Autonomiereform auf die Südtirol-Politik der FPÖ auswirken?
Für uns als FPÖ ist klar, dass wir unser Südtirol-Engagement – gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen – intensivieren. Wir stehen klar auf der Seite der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung und werden uns auf allen Ebenen gegen jede Form des Autonomieabbaus stellen – parlamentarisch, diplomatisch und politisch.
Die aktuelle Entwicklung bestätigt unsere Linie: Die Versprechen aus Rom sind in Sachen Minderheitenschutz mit großer Vorsicht zu genießen. Umso wichtiger ist es, dass Österreich als Schutzmacht nun Rückgrat zeigt und dass es im Nationalrat eine starke Stimme für Südtirol gibt. Diese Rolle wird die FPÖ weiterhin konsequent übernehmen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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