von red 14.04.2025 17:00 Uhr

Alte Tirolensien neu gelesen (Teil 51)

Der Sammelband Von der Via Claudia Augusta zum Oberen Weg, herausgegeben von Rainer Loose, beinhaltet die Beiträge der Landeskundlichen Tagung 2005 in Landeck. Die Tagung widmete sich der historischen Entwicklung der Region entlang von Etsch und Inn von der Vorzeit bis zur Gegenwart. Eine Rezension von Andreas Raffeiner.

Von der Via Claudia Augusta zum Oberen Weg, herausgegeben von Rainer Loose

Annäherung an Geschichte und Gegenwart

Die zu besprechende Publikation bietet eine facettenreiche und interdisziplinäre Annäherung an die Geschichte und Gegenwart einer bedeutenden Alpenregion, die seit Jahrtausenden von Mobilitäten, kulturellem Austausch und lokaler Identitätsbildung geprägt ist. Im Zentrum steht die Via Claudia Augusta, eine der wichtigsten römischen Nord-Süd-Verbindungen über die Alpen und ihre spätere Nachfolgerin, der sogenannte Obere Weg. Beide Routen verbanden keineswegs bloß geografische Räume, sondern prägten nachhaltig Siedlungsstrukturen, wirtschaftliche Entwicklungen, Herrschaftsverhältnisse und kulturelle Kommunikation entlang von Etsch und Inn. Die Konferenzschrift umfasst 20 wissenschaftliche Beiträge, die diese Thematik von der mittleren Bronzezeit bis in die Jetztzeit beleuchten.

Inhaltliche Breite und Interdisziplinarität als Pluspunkte

Die große Stärke des Werkes liegt in der inhaltlichen Breite und in der disziplinenübergreifenden Perspektive. So widmen sich Archäologen frühgeschichtlichen Funden und stellen diese in überregionale Kontexte. Historiker untersuchen Verkehrsverhältnisse, analysieren Herrschaftsstrukturen im Oberinntal oder die Einflussnahme geistlicher Institutionen wie des Stifts Stams. Sprachwissenschaftliche Beiträge erforschen die Entstehung der Dialekträume beidseits des Arlbergs, während kulturgeografische und bildungsgeschichtliche Untersuchung die Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert nachzeichnen. Auch der Blick auf Naturgefahren und ihre Auswirkungen auf die historische Mensch-Raum-Interaktion bereichert den Band um eine gegenwartsbezogene Sichtweise.

Gute Struktur als weitere Stärke

Inhaltlich überzeugt das Buch durch sorgfältig recherchierte und quellengesättigte Beiträge. Die meisten Abhandlungen sind gut strukturiert und verständlich geschrieben, sodass auch interessierte Laien mit einem gewissen Vorwissen von der Lektüre profitieren können. Zwar blieben einige Texten in einem akademischen Duktus verhaftet, doch dies schmälert nicht den alles in allem recht guten und positiven Gesamteindruck. Der Band wird seinem Anspruch gerecht, die geschichtliche Entwicklung der Region nicht nur aus einer verkehrshistorischen Perspektive zu betrachten, sondern als kompliziertes Wechselspiel von politisch, wirtschaftlichen, kulturellen und natürlichen Faktoren darzustellen.

Die Ausstattung der Publikation ist hochwertig. Neben zahlreichen Abbildungen, Karten und Tabellen trägt eine beigelegte Übersichtskarte zur besseren Orientierung bei. Die visuelle Aufbereitung unterstützt das Verständnis der dargestellten Inhalte und macht den Band auch gestalterisch ansprechend. Ein Abkürzungsverzeichnis erleichtert den Zugang, wenngleich ein zusätzliches Personen- oder Ortsregister wünschenswert gewesen wäre, um die reiche Materialfülle noch besser erschließen zu können.

Plädoyer für die lokale Historie

Im weiteren Sinne ist der Band auch als Plädoyer für die regionale Geschichtsforschung zu verstehen. Er zeigt, wie fruchtbar die Beschäftigung mit vermeintlich peripheren Räumen sein kann, wenn sie mit wissenschaftlicher Neugier, methodischer Vielfalt und interdisziplinärem Dialog betrieben wird. Die behandelten Themen sind nicht nur für die Geschichte Tirols oder der angrenzenden Gebiete von Relevanz, sondern fügen sich in größere europäische Diskurse über Mobilität, Raum und kulturellen Wandel ein.

Fazit

Insgesamt handelt es sich um eine außerordentlich gelungene Veröffentlichung, die sowohl inhaltlich als auch formal überzeugt. Der Band bietet zahlreiche Impulse für die weitere Forschung, aber auch für die regionale Bildungs- und Kulturarbeit. Für Historikerinnen und Historiker, Archäologinnen und Archäologen, Kulturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie alle an der Geschichte des Alpenraums Interessierten stellt er eine wertvolle und inspirierende Lektüre dar.

von Andreas Raffeiner

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Rainer Loose (Hrsg.), Von der Via Claudia Augusta zum Oberen Weg. Leben an Etsch und Inn. Westtirol und angrenzende Räume von der Vorzeit bis heute (Schlern-Schriften, Bd. 334), Innsbruck 2005.

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