Ostern und die Hoffnung einer 106-jährigen Tirolerin

Ich werde in diesem Monat 106 Jahre alt – und ich warte immer noch mit Sehnsucht auf die Rückgabe meiner österreichischen Staatsbürgerschaft. Langsam frage ich mich, ob ich mich in Wien entschuldigen muss, dass ich immer noch unter den Lebenden bin? Hat sich das Aussitzen, das Verleugnen und das Wegschauen für die Herrschaften in Wien nicht gelohnt? Wie mir geht es übrigens auch den noch lebenden (von Rom unschuldig verurteilen!) Freiheitskämpfern Prof. Dr. Erhard Hartung und Siegfried Steger, ihnen wir die Heimat, die Hilfe durch Italien und Österreich verwehrt! Und, auch hier zeigt sich die wahre „Größe“ von Politik und Kirche! Sie könnten, aber sie wollen mir und den anderen 350.000 Südtirolern nicht bestehen, ganz zu schweigen von anderen Alt-Österreichern. Ich, Hermine Aloisia Mayr, verwitwete Orian, werde heuer, kurz nach
Ostern, nämlich am 23. April– so der Herrgott will – meinen 106. Geburtstag begehen. Und, ich muss mich dafür wohl bei der Bundesregierung, bei ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos, dem Bundespräsidenten und beim Wiener Kardinal entschuldigen, dass ich immer noch hier bin und auf meine österreichische Staatsbürgerschaft warte, oder? Vor 106 Jahren, im damals noch österreichischen Kurtatsch, geboren.
Ja, damals vor 106 Jahren wurde ich in Kurtatsch an der Weinstraße in Deutsch-Südtirol in eine Bauernfamilie hineingeboren. Mein Heimatdorf war damals noch bei (Deutsch-) Österreich, ich wurde also noch als Österreicherin geboren, worauf ich mein ganzes Leben stolz war und es auch heute noch bin. Damals, als ich geboren wurde, war fast ganz Tirol bis nach Innsbruck vom Feind besetzt. Es waren italienische Politiker, die uns im Mai 1915 mit Ihrem Krieg überzogen. Hunderttausende unschuldige junge Männer kamen auf beiden Seiten der Grenze ums Leben. Man sagt, dass damals die Stimmung in Italien und Europa so ähnlich war, wie wir es heute wieder erleben: Fast alle Medien und die größten Teile der politisch gestörten Öffentlichkeit wollten Krieg, sie wollten Krieg um einerseits
von selbst verursachten sozialen und wirtschaftlichen Problemen abzulenken, andererseits um uns Südtiroler vom Mutterland Österreich zu „befreien“. Im November 1918 waren wir ohne Schutz durch die Krone, unser Heer in Auflösung und letztendlich bekam Italien 1920 auch meine urösterreichischen Südtiroler Heimat. Seit Jahrzehnten kämpfe ich nun, unterstützt vom Andreas-Hofer-Bund für Tirol, um meine österr. Staatsbürgerschaft.
Ich will eigentlich schon längst gehen, denn mein Körper und ich selbst werde von Tag zu Tag müder und schläfriger. Irgendwie kann ich aber (noch!) nicht Heimgehen, zum meinem Herrgott, denn ich habe immer noch keinen rot-weiß-roten Reisepass. Viele mögen über meine Liebe zu Österreich spotten und nicht selten hört man: „Was will diese Alte, sie soll doch ruhig sein und endlich…!“ Nun, so einfach ist es nicht, denn es ist mehr als der Verstand herzugeben vermag, es ist meine Liebe zu Österreich, der Heimat meiner Eltern, Groß- und Urgroßeltern, die mich am Leben hält.
Wir Südtiroler haben offenbar die falsche Hautfarbe, Sprache und Kultur. Beamte, Politiker, sogar Minister, Kanzler, Bundespräsident bis zum Kardinal hatten außer Ausreden und Verweise auf dies und das nichts übrig für mich, sie haben nichts übrig für Südtiroler. Wo sonst so gern hinweggeschaut, nach Strich und Faden gemogelt wird, wird bei mir jeder Buchstabe, jeder Punkt und Beistrich des Gesetzes gegen mich verwendet. Ja, ich weiß, ich bin ja nur eine Deutsche, eine alte Südtirolerin, eine ehemalige Katakombenlehrerin, eine einfache Mutter, Großmutter und Urgroßmutter. Ich habe offenbar die falsche Religion, die falsche Hautfarbe, die falsche Muttersprache! Am Ende meiner Tage werde ich wohl ohne meinen ersehnten rot-weiß-roten Pass vor de, Herrgott stehen! „Wenn nicht Österreich, so wird mir mein Herrgott Heimat geben.
