von red 20.03.2025 17:00 Uhr

Joseph Raffeiner – ein Südtiroler Weinfachmann in Kanada

Joseph (Joe) Raffeiner erblickte am 13. Februar 1927 in Bozen als ältester Sohn des Josef Raffeiner und der Anna Röll das Licht der Welt. Bereits in jungen Jahren stand er vor der wichtigen Entscheidung, welchen Weg er einschlagen sollte. Im Alter von 15 Jahren entdeckte er eine Anzeige für eine Winzerlehre und bewarb sich umgehend.

Mission Hill wurde 1967 gebaut, und Joe Raffeiner und seine Familie sind nach Westbank, British Columbia, gezogen, um beim Aufbau des kleinen Weinguts zu helfen (Foto: Archiv Familie Joe Raffeiner)

Zu seiner großen Freude wurde er angenommen und begann seine berufliche Ausbildung in der traditionsreichen Weinkellerei Schloss Schwanburg, der ältesten Privatkellerei Südtirols.

Schloss Schwanburg – Lehrjahre in der Weinkellerei

Joe Raffeiner wohnte während seiner Ausbildung in einem bescheidenen Zimmer unter dem Dach, das insbesondere in der kalten Jahreszeit eisigen Temperaturen ausgesetzt war – so sehr, dass das Waschwasser am Morgen gefror und erst mit einem Messer zerkleinert werden musste.

  • Alte Postkarte vom Innenhof der Weinkellerei Schloss Schwanburg

    Seine ersten Tätigkeiten in der Kellerei waren wenig glamourös: Als „Bürolaufbursche“ musste er zweimal täglich die Post abholen und unterschiedliche kleinere Arbeiten erledigen. Seine Arbeitszeiten waren lang – von montags bis freitags arbeitete er von 8 bis 18 Uhr mit einer zweistündigen Mittagspause, samstags bis zur Mittagsstunde. Trotz der Entbehrungen erlernte er in diesen Jahren dank seines unermüdlichen Einsatzes und seiner raschen Auffassungsgabe die Grundlagen des Weinbaus und der Kellertechnik.

    Unterbrechung durch den Militärdienst und die Rückkehr in den Weinbau

    Nach zwei Jahren Lehrzeit wurde seine Ausbildung durch den Einzug zum Militär unterbrochen. Mit 17 Jahren musste er für ein Jahr dienen, bevor er mit 18 Jahren seine Arbeit in der Schlosskellerei fortsetzen konnte. Während dieser Zeit vertiefte er sein Wissen über den Weinanbau, die Gärungstechniken und die Reifung edler Tropfen. Zwar lag direkt neben dem Schloss ein Weinberg, doch Joe war dankbar, nicht dort arbeiten zu müssen – seine Kindheitserinnerungen an die harte Arbeit im elterlichen Weinberg waren wenig erfreulich.

    Technisches Interesse und erste Innovationen in der Weinherstellung

    Neben seiner Leidenschaft für den Weinbau zeigte sich bereits früh sein großes Zeichentalent, insbesondere im Bereich technischer Illustrationen. Besonders faszinierten ihn die Konstruktion und Funktionsweise traditioneller Weinpressen. Auf diese Weise fertigte er detaillierte und genaue Skizzen und Beschreibungen historischer Pressen an, darunter eine mittelalterliche Balkenpresse, die bereits seit dem 14. Jahrhundert verwendet wurde.

    • Joe Raffeiners Zeichnung der Weinpresse in der Weinkellerei Schloss Schwanburg

      Kommen wir zu seiner Zeichnung und der Beschreibung: Diese massive Weinpresse bestand aus einem quadratischen Presskorb aus Eichenholzlatten, verstärkt mit Eisenbändern. Der Hauptbalken hatte eine Länge von über 12 Metern und einen Querschnitt von etwa 46 cm × 30 cm. Eine massive Spindel mit einem ca. 140 kg schweren Stein auf der Oberseite diente als Druckgewicht. Um den Most aus den Trauben zu extrahieren, wurden diese in den Korb gefüllt, mit Holzblöcken und Bleigewichten beschwert, und die Spindel wurde langsam nach unten gedreht, bis die gesamte Flüssigkeit herausgepresst war.

      • Handgeschriebene Beschreibung der Weinpresse von Joe Raffeiner in Englisch

        Internationale Erfahrungen – der Weg in die Neue Welt

        Nach seiner Ausbildung im Etschtal entschied sich Joe, sein Wissen zu erweitern, und sammelte Erfahrungen in der Schweiz, wo er zahlreiche Fortbildungskurse besuchte. 1952 fasste er den mutigen Entschluss, zum Sprung über den großen Teil anzusetzen und nach Kanada auszuwandern, um dort seine berufliche Laufbahn in der Weinbranche fortzusetzen. Seine erste Anstellung fand er im angesehenen Chateau-Gai-Weingut in Niagara Falls, Ontario, wo er sich insbesondere der Herstellung von Schaumweinen widmete.

        • Joe Raffeiner im Chateau-Gai-Weingut in Ontario

          Familiengründung und privates Glück

          Privat erlebte Joe Raffeiner eine ebenso bedeutende Zeit: 1948 lernte er während einer Zugfahrt in der Schweiz seine zukünftige Ehefrau Trudy (Gertrude) kennen. Die beiden schlossen am 3. Jänner 1953 den Bund fürs Leben. 1955 wurde ihr Sohn Tom geboren, 1958 folgte ihre Tochter Karen. Trotz seines engagierten Berufslebens blieb ihm seine Familie stets ein zentraler und in der gleichen Weise wichtiger Lebensinhalt.

          Weinbau in British Columbia – eine neue Ära bei Mission Hill

          1967 zog Joe mit seiner Familie nach Westbank, British Columbia, wo sie ein eigenes Haus bezogen. Im selben Jahr trat er als Assistent von Henryk Schoenfeld in das Weingut Mission Hill ein und übernahm Schoenfelds Position, als dieser aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand ging.

          Während der sogenannten Ginter-Ära stellte Raffeiner eine breite Palette von Weinen her, darunter einen im Eichenfass gereiften kanadischen Médoc aus roten Hybridreben. Allerdings sah er sich mit Herausforderungen konfrontiert, da langfristige Verträge mit minderwertigen Labrusca-Trauben seine Arbeit erschwerten. „Die Qualität der Trauben war nicht die beste“, erinnerte sich Raffeiner später. Dessen ungeachtet, gelang es ihm, das Beste aus den verfügbaren Rohstoffen herauszuholen.

          Anthony von Mandl und die Vision eines Weltklasse-Weinguts

          Im Jahre 1981 verkaufte Ben Ginter das Weingut Mission Hill an Anthony von Mandl, einen visionären Unternehmer, der das Potenzial des Okanagan Valley erkannte. Von Mandl hatte die ambitionierte Vorstellung, die Region zu einem international anerkannten Zentrum für Spitzenweine zu entwickeln. Kurz nach der Übernahme hielt er eine wegweisende Rede vor der örtlichen Handelskammer, in der er seinen Traum eines touristischen Ziels mit erstklassigen Weingütern und malerischen Weinbergen skizzierte.

          • Anthony von Mandl und Joe Raffeiner

            Diese Zukunftsvision wurde einige Jahre später Wirklichkeit. Als Mission Hill schließlich den Preis für den besten Chardonnay der Welt gewann, war dies nicht nur ein Triumph für das Weingut, sondern für die gesamte Weinregion Okanagan Valley.

            • Dieses Bild wurde bei Mission Hill von einem Fotografen für ein Magazin aufgenommen. Joe Raffeiner präsentiert mit Stolz alle Weine, bei deren Produktion er geholfen hat (Alle Fotos: Archiv Familie Joe Raffeiner)

              Vermächtnis und späte Jahre

              Joe Raffeiner spielte eine entscheidende Rolle in der Erfolgsgeschichte von Mission Hill und trug maßgeblich dazu bei, das Weingut auf internationales Niveau zu heben. Nach dem großen Erfolg von Mission Hill blieb er viele Jahre als Berater tätig und führte zusätzlich sein eigenes Unternehmen, Enologica Winery Equipment, das Korken und Weinausrüstung importierte, ehe er 2005 in den wohlverdienten Ruhestand trat.

              Am 11. August 2011 verstarb er nach einem arbeitsreichen Leben im Alter von 84 Jahren in Westbank. Er hinterließ Ehefrau Trudy, Sohn Tom, Tochter Karen, Schwiegertochter Michelle und Enkelkinder Natalie und Coulter. Sein Vermächtnis lebt in den vielfach ausgezeichneten Weinen weiter, die er mit Hingabe und Sachverstand produziert hat – ein wahrer Pionier des kanadischen Weinbaus.

              Andreas Raffeiner

              Jetzt
              ,
              oder
              oder mit versenden.

              Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite