Zweisprachigkeit in Gefahr: Wie positioniert sich die Süd-Tiroler Freiheit?
Obwohl die Zweisprachigkeit ein Symbol für den Schutz der deutschsprachigen Bevölkerung sein soll, fühlen sich viele Bürger längst als Bittsteller. Die jüngsten Vorfälle rund um die Agentur der Einnahmen sind nur die Spitze des Eisbergs: Termine können online nur auf Italienisch gebucht werden, deutsche Anträge sind Fehlanzeige. Und dies in einem Land, dessen Autonomie weltweit als Vorbild gilt?
In einer neuen Artikelserie beleuchtet UT24 die schleichende Aushöhlung eines Grundrechts, fragt nach Verantwortlichkeiten und fordert Antworten von den politischen Entscheidungsträgern im Landtag. Denn eines steht fest: Die Zukunft der Autonomie hängt auch davon ab, ob das Versprechen der Zweisprachigkeit gehalten wird – oder ob es nur auf dem Papier existiert. Heute mit Sven Knoll von der Süd-Tiroler Freiheit.
Wie bewerten Sie die Tatsache, dass deutschsprachige Bürger in Südtirol bei staatlichen Einrichtungen wie der Agentur der Einnahmen systematisch benachteiligt werden? Halten Sie diesen Zustand gegenüber der deutschen Bevölkerung für fair und vertretbar?
Die Tatsache, dass die deutschsprachigen Südtiroler gegenüber staatlichen Institutionen, wie beispielsweise der Agentur für Einnahmen, noch immer nicht durchwegs ihre deutsche Muttersprache verwenden können und immer wieder in Situationen kommen, wo sie mit Deutsch nicht weiterkommen, ist nicht nur eine Diskriminierung, sondern eine eklatante Missachtung der Rechte der Südtiroler. Denn es gibt ja mehrere Bestimmungen, schon seit bald 40 Jahren, die im Grunde das Recht auf Gebrauch der Muttersprache vorsehen würden, nur das wird immer wieder ignoriert und das ist einfach eine untragbare Situation, gegen die wir auch im Landtag bei jeder einzelnen Landtagssitzung vorgehen.
Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen, um sicherzustellen, dass die deutsche Sprache in öffentlichen Einrichtungen den ihr gebührenden Platz erhält? Wie sieht Ihr Einsatz für die Zweisprachigkeitspflicht aus?
Um das Recht auf Gebrauch der Muttersprache sicherzustellen, haben wir auch im Landtag eine eigene Anlaufstelle eingefordert, die wurde dann auch eingerichtet, das Amt für Landessprachen und Bürgerrechte.
Dort können sich Bürger beschweren, wenn ihnen beispielsweise das Recht auf Gebrauch der Muttersprache verwehrt wird. Wir rufen auch die Bürger dazu auf, sich entweder selbst bei diesem Amt zu melden oder uns ihre Fälle vorzutragen. Wir leiten jeden einzelnen Fall an dieses Amt weiter, weil es einfach auch wichtig ist, dass es dokumentiert wird, wie viele Fälle von Missachtungen des Rechts auf Gebrauch der Muttersprache es gibt.
Denn wir haben vor einigen Jahren schon einmal eine Anfrage an das Regierungskommissariat gestellt, wie viele Strafen beispielsweise ausgestellt wurden. Und wir haben zur Antwort bekommen, dass in den letzten Jahren keine einzige Strafe wegen Missachtung des Rechts auf Gebrauch der deutschen Sprache ausgestellt wurde. Im Gegenteil, man hat sich sogar zur dreisten Behauptung hinreißen lassen, dass es keine Verletzungen des Rechts auf Gebrauch der Muttersprache gibt.
Das ist blanker Hohn, denn jedem Südtiroler wird es schon einmal passiert sein, dass er mit der deutschen Sprache nicht weitergekommen ist. Deswegen ist es wichtig, dass man jeden einzelnen Fall dokumentiert und auch zur Anzeige bringt bei dieser Behörde, damit dann gegebenenfalls auch der notwendige politische Druck entsteht. Es ist aber schon auch so, dass es am Willen der Landesregierung scheitert.
Was sagen Sie den Bürgern, die sich von öffentlichen Institutionen im Stich gelassen fühlen und den Eindruck haben, dass die deutsche Sprache systematisch ignoriert wird? Welche Verantwortung trägt die Politik hier?
Wenn Südtirol einen Landeshauptmann hätte, der auf die Einhaltung der Gesetze pochen würde, dann würde es so nicht zu solchen Fällen kommen. Wir sind aber in der Situation, dass die Landesregierung selbst die Sprachbestimmungen immer wieder aufweicht. Denken wir nur an den Gesundheitsbereich, wo beispielsweise die Verpflichtung zum Erlernen der deutschen Sprache immer wieder ausgeweitet wird, mit der Folge, dass immer mehr Personen in öffentlichen Ämtern arbeiten, nicht nur in staatlichen, sondern inzwischen auch in Landesämtern, die der deutschen Sprache nicht mehr mächtig sind.
Und deswegen ist es wichtig, dass Südtirol hier einen Landeshauptmann bekommt, der sich wieder für die Rechte der Südtiroler einsetzt und der nicht bei jeder Gelegenheit versucht, Südtirol noch mehr in Richtung Italien hinzudrängen und Südtirol noch italienischer zu machen. Und deswegen werden wir heuer auch das Regierungskommissariat über jede einzelne Verletzung des Rechtes auf Gebrauch der deutschen Sprache informieren und auffordern, hier konkret Strafen zu verhängen. Denn anders wird es nicht gehen.
Halten Sie es für gerecht, dass trotz zahlreicher gemeldeter Verstöße gegen die Zweisprachigkeitspflicht keine Strafen verhängt werden? Welche Schritte werden Sie setzen, um sicherzustellen, dass der Schutz der deutschen Sprache nicht länger nur auf dem Papier existiert?
Wir versuchen jetzt seit 40 Jahren mit gutem Willen, mit Zureden, mit Beschwerden immer wieder dieses Recht einzufordern und zur Umsetzung zu bringen und es wird eher schlimmer als besser. Und deswegen kann das nur zum Tragen kommen, wenn das Regierungskommissariat auch öffentlich getadelt und genötigt wird, für die Einhaltung der Gesetze Sorge zu tragen. Denn es kann nicht sein, dass Bürger drangsaliert und bestraft werden, wenn sie irgendwo mal fünf km/h zu schnell fahren. Aber wenn sich staatliche Beamte, die verpflichtet wären, die Gesetze einzuhalten, nicht an die Sprachbestimmungen halten, dann passiert einfach gar nichts. Und das ist nicht akzeptabel und dort werden wir mit ganzer Kraft vorgehen. Wir sind im Landtag leider oft die Einzigen, die das noch tun, werden oft von Grünen und anderen fast schon belächelt und so abschätzig als Sprachpolizei betitelt.
Aber das macht uns nichts, im Gegenteil, das ehrt uns. Wir kämpfen für die Rechte der Bürger und das Recht auf Gebrauch der Muttersprache ist ein elementares Recht. Wenn dieses Recht nicht mehr eingehalten wird, dann wird damit die ganze Autonomie auf den Kopf gestellt, denn dann braucht es keine Sprachbestimmungen mehr.
Dann landet Südtirol eines Tages dort, wo das Aosta-Tal heute schon ist. Nämlich, dass man sich in der Verwaltung und auch in der Bevölkerung die Frage stellt, warum muss man überhaupt noch alles zweisprachig haben? Wir sprechen ja eh alle Italienisch, ist dort das Motto. Und das ist die große Gefahr, der Südtirol entgegengeht, wenn hier nicht diese fehlgeleitete Politik von Kompatscher endlich revidiert wird.
Es braucht ein selbstbewusstes Südtirol, das ganz klar sagt, die deutsche Bevölkerung ist in Südtirol die Mehrheitsbevölkerung. Und ohne Deutsch geht es in Südtirol nicht. Jeder Beamte ist verpflichtet, in Südtirol Deutsch zu können.
Meldung einer Verletzung der Zweisprachigkeitspflicht
Bürger, die von einer Verletzung der Zweisprachigkeitspflicht betroffen sind, oder denen eine solche Verletzung auffällt, können sich an das Amt für Landessprachen und Bürgerrechte wenden und die Verletzung melden.