„Zwang zur Hymne!“ – Deutsche Grundschüler müssen italienische Nationalhymne singen
Was steckt hinter dem „Inno di Mameli“?
Der „Inno di Mameli“, auch bekannt als „Il Canto degli Italiani“, wurde 1847 während der italienischen Einigungsbewegung geschrieben. Die Hymne trägt deutliche nationalistische und militaristische Züge, insbesondere in der berüchtigten Passage:
„Siam pronti alla morte, siam pronti alla morte, l’Italia chiamò!“
(„Wir sind bereit zum Tod, wir sind bereit zum Tod, Italien hat gerufen!“).
Besonders pikant ist die Passage über Österreich, die viele Südtiroler als direkte Provokation empfinden könnten:
„Dall’Alpe a Sicilia, dovunque è Legnano; ogni uomo di Ferruccio ha il cuore e la mano; i bimbi d’Italia si chiaman Balilla; il suon d’ogni squilla i Vespri suonò. […] Già l’Aquila d’Austria le penne ha perdute.“
(„Von den Alpen bis nach Sizilien, überall ist Legnano; alle Männer von Ferruccio sind tapfer und entschlossen; die Kinder Italiens heißen Balilla; der Klang jeder Glocke rief zum Abendgebet. […] Der österreichische Adler hat schon seine Federn verloren.“)
In einem Land, dessen Wurzeln in Österreich liegen, verstärkt diese Zeile die Kritik an der Einführung der Hymne in den Schulunterricht. Diese martialische Sprache und die historische Abrechnung mit Österreich wirken in einem modernen pädagogischen Kontext und besonders in einem Minderheitenland wie Südtirol deplatziert. Kritiker sehen darin ein Symbol staatlicher Dominanz, das mit der kulturellen Realität der Deutschsüdtiroler nicht vereinbar ist.
Widersprüchliche Bildungspolitik: Schulautonomie nur, wenn sie passt?
Bildungslandesrat Philipp Achammer betonte in seiner Antwort auf eine Anfrage der Süd-Tiroler Freiheit, die diesen Fall aufgedeckt hat, dass die Autonomie der Schulen ein zentrales Element des Bildungssystems sei. Diese Autonomie ermögliche es den Schulen, ihre Bildungsinhalte selbst zu gestalten, solange sie sich an die allgemeinen Rahmenrichtlinien hielten. Diese Rahmenrichtlinien setzen auf Inklusion und kulturelle Vielfalt, lassen den Schulen jedoch weiten Spielraum bei der Auswahl der Lehrinhalte.
Kritiker bemerken jedoch Widersprüche in der Argumentation der Landesregierung. Die Berufung auf die Schulautonomie steht in krassem Gegensatz zu einer früheren Entscheidung des Bildungsressorts: Die Bozner Goetheschule wollte als Pilotprojekt eine Vorbereitungsklasse für Kinder einführen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Ziel war es, diesen Kindern eine intensive Förderung in Deutsch zu bieten, ohne den Lernfortschritt der muttersprachlichen Schüler zu gefährden. Das Projekt wurde jedoch gestoppt. Diese Entscheidung lässt Zweifel aufkommen, wie konsequent die Landesregierung mit dem Prinzip der Schulautonomie umgeht und ob dieses gleichberechtigt angewandt wird. Es entsteht der Eindruck, dass die Autonomie der Schulen nur dann zugestanden wird, wenn sie der politischen Linie der Landesregierung entspricht.
Eine gefährliche Gratwanderung
Die Praxis, die italienische Nationalhymne in einer deutschen Schule verpflichtend zu lehren, wirft grundlegende Fragen auf. Ist es in einem Minderheitenland wie Südtirol vertretbar, Kinder mit nationalen Symbolen eines Staates zu konfrontieren, die nicht Teil ihrer kulturellen Identität sind? Diese Praxis könnte als Versuch gewertet werden, die nationale Identität des italienischen Staates subtil in den Schulalltag einzubringen. Solche Maßnahmen bergen das Risiko, als kulturelle Dominanz empfunden zu werden, und könnten das ohnehin fragile Gleichgewicht der Volksgruppen in Südtirol gefährden.
Forderung nach klaren Leitlinien
Dieser Vorfall verdeutlicht die Notwendigkeit klarer Regelungen, die Schulen Orientierung bieten und kulturelle Konflikte vermeiden helfen. Kritiker fordern die Landesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Schulen nicht zum Schauplatz politischer oder ideologischer Auseinandersetzungen werden.
Während die Landesregierung auf die Autonomie der Schulen verweist, bleibt die Frage offen, wie diese Autonomie mit der Verantwortung für den Schutz der kulturellen Vielfalt und Identität Südtirols in Einklang gebracht werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob aus diesem Vorfall Lehren gezogen werden – oder ob ähnliche Diskussionen in Zukunft erneut aufflammen.