Zweisprachigkeit in Gefahr: Wie positioniert sich Andreas Colli von „Wir Bürger“?
Obwohl die Zweisprachigkeit ein Symbol für den Schutz der deutschsprachigen Bevölkerung sein soll, fühlen sich viele Bürger längst als Bittsteller. Die jüngsten Vorfälle rund um die Agentur der Einnahmen sind nur die Spitze des Eisbergs: Termine können online nur auf Italienisch gebucht werden, deutsche Anträge sind Fehlanzeige. Und dies in einem Land, dessen Autonomie weltweit als Vorbild gilt?
In einer neuen Artikelserie beleuchtet UT24 die schleichende Aushöhlung eines Grundrechts, fragt nach Verantwortlichkeiten und fordert Antworten von den politischen Entscheidungsträgern im Landtag. Denn eines steht fest: Die Zukunft der Autonomie hängt auch davon ab, ob das Versprechen der Zweisprachigkeit gehalten wird – oder ob es nur auf dem Papier existiert. Heute mit Andreas Colli von „Wir Bürger“.
Wie bewerten Sie die Tatsache, dass deutschsprachige Bürger in Südtirol bei staatlichen Einrichtungen wie der Agentur der Einnahmen systematisch benachteiligt werden? Halten Sie diesen Zustand gegenüber der deutschen Bevölkerung für fair und vertretbar?
Selbstverständlich muss der Gebrauch der deutschen Sprache für all jene Personen garantiert sein, welche dieses Recht in Anspruch nehmen wollen. Die öffentliche Hand hat deshalb alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Gebrauch der Muttersprache in unserem Land zu garantieren. Deshalb ist die Zweisprachigkeitspflicht grundsätzlich immer einzuhalten. Das von Ihnen genannte Beispiel „Agentur der Einnahmen“ kenne ich leider nicht und erlaube mir deshalb in diesem spezifischen Fall auch keine Bewertung. Aus meiner Zeit als Bürgermeister weiß ich jedoch, dass das mit der Zweisprachigkeit in einigen Situationen nicht einfach zu bewältigen ist. Als im Altersheim für die Betreuung unserer älteren Mitbürger Personal fehlte, so stand man vor der Entscheidung, entweder auch Mitarbeiter ohne Zweisprachigkeit zuzulassen oder den Dienst nicht mehr angemessen garantieren zu können. Ich habe mich deshalb damals als Bürgermeister auch entschieden, Mitarbeiter zu verpflichten, die diese Voraussetzung nicht erfüllen konnten.  Es hängt also immer von der jeweiligen (Not)Situation ab.
Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen, um sicherzustellen, dass die deutsche Sprache in öffentlichen Einrichtungen den ihr gebührenden Platz erhält? Wie sieht Ihr Einsatz für die Zweisprachigkeitspflicht aus?
Diese Frage ist eigentlich schon klar per Gesetz geregelt.  Ich denke, wenn davon abgewichen wird, so muss es schon einen triftigen nachvollziehbaren Grund geben, ansonsten ist das Gesetz natürlich anzuwenden.  Ich persönlich glaube, dass immer dort, wo kein Notzustand herrscht, die Anwendung der Zweisprachigkeit ohne Wenn und Aber zu garantieren ist.
Was sagen Sie den Bürgern, die sich von öffentlichen Institutionen im Stich gelassen fühlen und den Eindruck haben, dass die deutsche Sprache systematisch ignoriert wird? Welche Verantwortung trägt die Politik hier?
Der Bürger sollte immer das Recht haben, in ihrer Muttersprache mit den Ämtern kommunizieren zu können. In der Peripherie ist das noch wichtiger als in den Ballungsgebieten. Die Politik hat in meinen Augen dafür zu sorgen, dass einerseits die Muttersprache verwendet werden kann und andererseits auch die Dienste für den Bürger garantiert werden können.
Halten Sie es für gerecht, dass trotz zahlreicher gemeldeter Verstöße gegen die Zweisprachigkeitspflicht keine Strafen verhängt werden? Welche Schritte werden Sie setzen, um sicherzustellen, dass der Schutz der deutschen Sprache nicht länger nur auf dem Papier existiert?
Da ich die von Ihnen genannten „Verstöße“ nicht kenne, erlaube ich mir auch keine Beurteilung. Oftmals sieht die Sache, wenn man die Hintergründe kennt, anders aus als bei einer oberflächlichen Bewertung. Deshalb bitte ich um Verständnis, wenn ich dazu nicht Stellung nehmen kann. Der Grundsatz, dass die deutsche Sprache auch angewandt werden kann, ist einzuhalten.