von gk 03.01.2025 18:31 Uhr

Südtirol in den Nachkriegsjahren: Repression und Widerstand

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Südtirol eine Phase der Unterdrückung, Täuschung und Knebelung. Während die italienischen Behörden vage Autonomieversprechen machten, arbeiteten sie zielstrebig an der Italianisierung der Region. Der Widerstand aus der Bevölkerung hielt die Hoffnung auf Freiheit am Leben – doch die Führung der Südtiroler Volkspartei unterschreibt die Selbstaufgabe. Ein Rückblick auf eine Zeit des Verrats und des Kampfes um die eigene Identität.

Als die Folgore 1945 in Bozen die Macht übernahm (aus: "Bombe su Bolzano", Athesia, 2014).

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hofften die Tiroler südlich des Brenners auf Gerechtigkeit und Selbstbestimmung. Doch was folgte, war ein weiterer Schlag ins Gesicht. Statt Freiheit und Anerkennung erwartete sie eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche. Die italienischen Machthaber versprachen Autonomie – aber es waren leere Worte, ein taktischer Schachzug, um die Bevölkerung ruhigzustellen, während sie hinter deren Rücken weiter an der Italianisierung arbeiteten.

Präfekt Giovanni De Angelis, der Vertreter der Besatzungsmacht, spielte ein falsches Spiel. Er wusste, dass die Südtiroler nach den Schrecken des Krieges erschöpft waren und setzte gezielt auf Einschüchterung. Unter dem Deckmantel von „friedlicher Zusammenarbeit“ versuchte er, sie zu entwaffnen und in die Knie zu zwingen. Seine Worte: „Die Südtiroler müssen erkennen, dass ihre Träume von Österreich Illusionen sind,“ zeigen deutlich, mit welcher Arroganz er die Wünsche nach Selbstbestimmung ignorierte.

Die „Alto Adige“ – Ein Werkzeug der Unterdrückung

Am 24. Mai 1945 wurde die CLN-Tageszeitung „Alto Adige“ ins Leben gerufen. Ihr Ziel war klar: Sie sollte die Ideologie der Italianisierung tief in das südliche Tirol pflanzen. Der Name selbst war bereits ein Affront gegen die Identität der Bevölkerung. Es war ein Versuch, den Begriff „Südtirol“ auszulöschen – ein weiterer Schritt, um Kultur und Sprache zu verdrängen.

Rolando Boesso, ein Mitbegründer der Zeitung, gab Jahre später zu, dass die italienische Regierung „enge Verbindungen zur ‚Alto Adige‘ hatte“ und die Zeitung mit Geldern aus einem Geheimfonds unterstützte. Er rechtfertigte dies mit den Worten: „Die Italianität des Alto Adige zu verteidigen, war unsere Pflicht.“ Doch für die Südtiroler war es ein klarer Angriff auf deren Würde und Rechte.

  • Titelblatt der esten Ausgabe der italienischen Tageszeitung "Alto Adige" vom 24. Mai 1945, in der der "Aktionsplan" des CLN vorgestellt wurde (Bild: Effekt Verlag).

Das vergiftete Autonomieangebot

Die italienischen Besatzer warfen den Südtirolern ein Stückchen Brot hin und nannten es Autonomie. Doch dieses Angebot war eine Beleidigung für jeden, der an die Freiheit seines Volkes glaubte. Die Bedingungen waren absurd: Keine „nationalistischen Manifestationen“, keine Diskussion über die Brennergrenze und keine Anerkennung der deutschen und ladinischen Bevölkerung als eigenständige Volksgruppen.

Das CLNAI sprach von einem „neuen Italien“, in dem die Autonomie „eine großzügige Geste der Einheit“ sein sollte. Doch die Realität sah anders aus: Alle Macht sollte in den Händen der Italiener bleiben. Es war kein Angebot der Autonomie, sondern eine Falle, um den Widerstand zu brechen und Südtirol in die Rolle einer stillen Minderheit zu drängen.

  • Aus dem Abkommen, auf welches sich die SVP-Vertreter einließen (Bild: Effekt Verlag).

Die Selbstaufgabe der SVP-Führung

Am 31. Mai 1945 unterzeichnete die SVP unter der Führung von Erich Amonn ein Abkommen mit dem CLN. Dieses sogenannte „Knebelungs-Abkommen“ verpflichtete die SVP, auf jede Form von öffentlicher Kundgebung oder Rede zu verzichten, die „die ethnischen Gruppen kränken“ könnte. Was das bedeutete, war klar: Kein Wort mehr über Selbstbestimmung, keine Demonstrationen, kein Widerstand.

Diese Entscheidung spaltete die Partei und das Volk. Dr. Friedl Volgger, einer der wenigen mutigen Kritiker, schrieb: „Dieses Abkommen ist ein Verrat an unserem Volk. Wir haben die Stimme der Freiheit verloren.“ Dr. Toni Ebner fügte hinzu: „Wie können wir von Autonomie sprechen, wenn wir jede Möglichkeit aufgegeben haben, sie einzufordern?“

Die Führung der SVP ließ sich auf das Spiel der Italiener ein und vergaß dabei ihre Verantwortung gegenüber dem Volk. Ihre Argumente, dass man durch Verhandlungen mehr erreichen könnte, erwiesen sich als falsch. Der Preis war hoch – die Unterdrückung der eigenen Identität und die Kapitulation vor den Besatzern.

  • Am 10. September 1945 veröffentlichte die Tageszeitung "Dolomiten" auf ihrer Titelseite das Abkommen, welches der SVP-Obmann Erich Amonn am 8.9.45 unterzeichnet hatte (Bild: Effekt Verlag).

Widerstand aus der Bevölkerung

Trotz der Schwäche der Parteiführung gab es mutige Stimmen aus der Bevölkerung. Am 17. Oktober 1945 trafen sich SVP-Mitglieder in Bruneck, um eine klare Botschaft zu senden: „Die Zeit des Zögerns ist vorbei. Wir werden unsere Rechte nicht aufgeben.“ Diese Entschlossenheit zeigte, dass das Südtiroler Volk nicht bereit war, die Italianisierung widerstandslos hinzunehmen.

Doch die Führung blieb zögerlich. Erich Amonn rechtfertigte seine Entscheidungen in einem Artikel in der „Dolomiten“ und schrieb: „Wir handeln im Interesse der Ordnung und des Friedens.“
Frieden um welchen Preis? Es war ein Frieden der Unterwerfung, nicht der Gerechtigkeit.

  • Der Rechtfertigungsartikel von Erich Amonn in der "Dolomiten" vom 8. Mai 1965 (Bild: Effekt Verlag).

Das Ende des CLN: Ein Pyrrhussieg

1947 wurde das CLN offiziell aufgelöst, doch die Wunden, die es hinterließ, blieben. Die Autonomie, die den Südtirolern versprochen wurde, war nicht mehr als ein leeres Wort. Sie blieben weiterhin eine Minderheit im eigenen Land, ohne echte Rechte oder Einfluss.

Dr. Josef Raffeiner, der Generalsekretär der SVP, beschrieb diese Zeit später als „eine Phase des Verrats und der Demütigung“. Er schrieb: „Wir haben vieles verloren, aber wir haben nie unseren Willen zur Freiheit aufgegeben.“

Fortsetzung folgt…

–> Zur Vorgeschichte und zu vorherigen Artikeln hier entlang.

  • Repression Band 1 (Bild: Effekt Verlag)

Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde“ von Dr. Helmut Golowitsch.

Golowitsch, Helmut: Repression. Band 1. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt!. 2020. ISBN: 978-88-97053-68-2

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