„Klassische Hausarztpraxis hat ausgedient“
w-net networking women setzt sich als interdisziplinäres Netzwerk für die Sichtbarkeit und Förderung von Frauen in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft ein. „W-net ist Mitorganisatorin dieser Tagung, weil Medizin weiblich ist. Frauen leben länger, verbringen jedoch mehr Lebensjahre in gesundheitlich beeinträchtigtem Zustand und kämpfen oft mit strukturellen Hürden bei der Gesundheitsversorgung,“ so Katrin Pichler, Präsidentin von w-net.
Gesundheitsversorgung der Zukunft: Flexibilität und Digitalisierung
In Südtirol wird die klassische Hausarztpraxis, insbesondere im ländlichen Raum, zunehmend durch innovative Versorgungsmodelle ergänzt. „Eine flächendeckende Versorgung mit klassischen Hausarztpraxen wird in Zukunft kaum mehr möglich sein. Wir müssen auf flexible Lösungen setzen, wie Telemedizin, digitale Arztkontakte und Gesundheitszentren. Sie können Distanzen überbrücken und die Versorgung in abgelegenen Gebieten sichern“, erklärte Gesundheitslandesrat Hubert Messner. Dabei seien Gesundheitskompetenz und Eigenverantwortung in der Bevölkerung entscheidende Faktoren. „Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz nutzen Präventionsangebote weniger, haben mehr Krankenhausaufenthalte und schlechtere Behandlungsergebnisse. Hier müssen wir gezielt aufklären und unterstützen“, so Messner.
Der ländliche Raum vor besonderen Herausforderungen
Die spezifischen Bedingungen des ländlichen Raums – eingeschränkte Mobilität, abnehmende Infrastruktur und reduzierte Angebote im Bereich der Gesundheitsförderung – erfordern innovative Ansätze. Andreas Schatzer, Präsident der Plattform Land, betonte die Rolle der Gemeinden: „Die Sicherstellung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum erfordert neue, flexible Strukturen. Unsere Gemeinden spielen dabei eine zentrale Rolle. Netzwerke zwischen Ärzten, mobile Pflegekräfte und die zunehmende Digitalisierung können bestehende Lücken schließen.“
Neue Versorgungsmodelle: Innovation und Kooperation
Die Tagung beleuchtete weiters zahlreiche innovative Ansätze aus Tirol und der Steiermark, die auch die Gesundheitsversorgung in Südtirol nachhaltig verbessern könnten. So ermöglicht die Telemedizin beispielsweise durch Projekte wie die Tele-Dermatologie oder digitale Lösungen für Leukämiekranke eine effizientere Behandlung und reduziert zugleich unnötige Fahrten. Gesundheitszentren als Primärversorgungszentren kombinieren hausärztliche und fachärztliche Betreuung, entlasten Krankenhäuser und schaffen Raum für eine integrierte Versorgung. Darüber hinaus bieten flexiblere Strukturen wie Teilzeit- und Zweitordinationen, Ärzte-Netzwerke mit gemeinsamer Patientenakte und der verstärkte Einsatz mobiler Pflegekräfte neue Chancen, insbesondere für die Versorgung in entlegenen Regionen.
Bild: Plattform LandÂ
Medizin und Gender
Ein Schwerpunkt der Tagung war die geschlechtersensible Medizin. Landesrat Messner stellte klar: „Die meisten medizinischen Studien basieren auf einem 40-jährigen, 70 Kilogramm schweren Mann. Nur fünf Prozent der Studien berücksichtigen Frauen als Variable.“ Dies führe zu systematischen Ungleichheiten in Diagnose und Therapie. Männer und Frauen unterscheiden sich nicht nur biologisch, sondern auch in Symptomen, Krankheitsverläufen und Reaktionen auf Therapien. Geschlechtersensible Medizin müsse daher stärker in den Fokus rücken. Eine Teilnehmerin brachte dies auf den Punkt: „Es erstaunt mich, dass die Schulmedizin theoretisch keinen Unterschied zwischen meiner elfjährigen Tochter, mir oder meiner Mutter macht.“ Ãœber geschlechtersensible Medizin sprach die Fachärztin Sigrid Lun.Â
Gesundheitsversorgung gemeinsam gestalten
Die Tagung machte deutlich, dass Südtirol vor großen Herausforderungen steht: Steigende Kosten, veränderte Nachfrage und eine alternde Bevölkerung treffen auf knappe Ressourcen und wachsende Erwartungen. Doch mit neuen Ansätzen und enger Zusammenarbeit zwischen Politik, Gemeinden und Fachpersonal können innovative Lösungen geschaffen werden. „Die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Es braucht Flexibilität, Kooperation und den Mut, neue Wege zu gehen“, fasste Schatzer zusammen.Â