Tag gegen Gewalt an Frauen: Tiroler Landesteile schauen hin
Die zahlreichen Frauenmorde in Italien (43 allein in diesem Jahr) aber auch die Statistiken der Südtiroler Beratungsstellen und Frauenhäuser zeigen, dass immer mehr Frauen in Südtirol Schutz vor gewalttätigen Partnern benötigen. 760 Frauen haben sich demnach im Jahr 2023 an eine Beratungsstelle gewendet, weil sie einer Gewaltsituation entkommen wollen. Dies sind rund 160 Frauen mehr als noch im Jahr 2022, berichtet die Südtiroler Landesverwaltung in einer Aussendung.
Deeg: „Es gilt das Thema öffentlich zu machen“
Der Südtiroler Landtag hat auf Vorschlag der damaligen Landesrätin Waltraud Deeg 2021 das Gesetz „Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder“ verabschiedet. Für Deeg ein wichtiger Schritt, um Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder aktiv anzugehen: „Mit dieser rechtlichen Basis konnte die Präventionsarbeit ausgebaut, die Unterstützung verstärkt und die Vernetzung gefördert werden. Dennoch sind viele weitere Schritte nötig, um die geschlechtsspezifische Gewalt einzudämmen.“ So soll im Frühjahr 2025 das erste Landesgesetz zur Unterstützung bei sexuellem Missbrauch in den Landtag kommen.
In diesem Jahr steht dieser Tag in Südtirol unter dem Motto „Südtirol schaut hin“. „Es gilt das Thema öffentlich zu machen und betroffene Frauen zu unterstützen. Gewalt ist keine Privatsache! Gewalt gegen Frauen, die auch oft im Verborgenen stattfindet, ist ein gesellschaftliches Problem, das wir nur gemeinsam überwinden können,“ betont Deeg. „Es ist unerlässlich, dass wir nicht nur Hilfsangebote ausbauen, sondern auch präventiv tätig werden. Aufklärung, Schutzräume und eine konsequente Strafverfolgung sind entscheidend, um Frauen zu schützen und die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Unsere Bemühungen in diesem Bereich müssen weiter ausgebaut werden, um Opfer, aber auch Täter, zu ermutigen, die nötigen Schritte zu unternehmen, bevor es zur Eskalation kommt.“
Sensibilisierungskampagne „Besetzter Platz“
Anlässlich dieses Tages beteiligt sich der Südtiroler Landtag in diesem Jahr an der Sensibilisierungskampagne „Besetzter Platz“. Mit dieser wird all jener Frauen gedacht, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt sind. Dazu wird ab heute ein mit einem roten Tuch bedeckter Stuhl am Eingang zum Landtag aufgestellt. „Jeder einzelne ist gefordert, das in ihrem bzw. seinen Möglichkeiten stehende gegen Gewalt an Frauen zu unternehmen“, betont Landtagspräsident Schuler.
Die Sensibilisierungskampagne solle die Leere aufzeigen, die die vielen – zu vielen – Frauen hinterlassen, die Opfer von Femiziden und geschlechtsspezifischer Gewalt werden. Die Initiative möchte auf das schwerwiegende und dramatische Thema der Gewalt an Frauen aufmerksam machen, die oft im familiären oder „gefühlsmäßigen“ Umfeld geschieht, also von jenen verübt wird, die behaupten, die Frau zu lieben.
„Es ist unbedingt notwendig, dass geschlechtsspezifische Gewalt aus dem Privaten, wo Frauen diese häufig erleben, herausgeholt wird und die Aufmerksamkeit erhält, die es braucht, um gegen das gesellschaftlich noch immer zu weit verbreitete Phänomen anzugehen“, betont Landtagspräsident Arnold Schuler.
Ein „besetzter Platz“ als Zeichen gegen Gewalt an Frauen (Foto: Südtiroler Landtag/Werth)
Tiroler Polizei beteiligt sich auch an Initiative
Die Tiroler Polizei beteiligt sich im Rahmen der Initiative „GEMEINSAM.SICHER mit unserer Polizei“, aktiv an einer Kampagne, die auf die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen abzielt. Im Fokus der diesjährigen Aktion steht die Sensibilisierung der Bevölkerung für Zivilcourage und Nachbarschaftshilfe. Unter dem Motto „Was kann ICH tun?“ sollen möglichst viele Menschen dazu ermutigen werden Verantwortung zu übernehmen, aufmerksam zu sein und im rechtlichen Rahmen couragiert gegen Gewalt/häusliche Gewalt/Partnergewalt vorzugehen, wenn Menschen in ihrem Umfeld von Gewalt betroffen sind.
Sicherheitsinseln als Anlaufstellen
Um Betroffenen und deren Unterstützern eine niederschwellige Möglichkeit zu bieten Hilfe und Beratung in Anspruch zu nehmen, werden im Aktionszeitraum von 25. November bis 10. Dezember in allen Tiroler Bezirken sogenannte „Sicherheitsinseln“ eingerichtet.
Diese Anlaufstellen, die teils in Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen betrieben werden, bieten:
- Beratung und Unterstützung für Gewaltbetroffene,
- Informationen über rechtliche Möglichkeiten und Hilfsangebote,
- Ansprechpersonen für alle, die helfen möchten aber nicht wissen wie.
„Gemeinsam gegen Gewalt – Was können SIE tun?“
Gewalt zu erkennen und angemessen zu reagieren ist eine Aufgabe die alle betrifft.
- Hinschauen statt wegschauen: Ihre Aufmerksamkeit kann Leben verändern.
- Hilfe holen: Wenn Sie Zeuge von Gewalt werden, verständigen Sie die Polizei (Notruf: 133).
- Mut zur Unterstützung: Ein offenes Ohr oder ein unterstützendes Gespräch können für Betroffene ein erster wichtiger Schritt sein.
Grüne: „Wehret den Anfängen“
„Wenn wir von Gewalt an Frauen sprechen, denken wir meistens an sexuelle Gewalt, an Körperverletzung, leider auch an Femizide. In den vergangenen Jahren hat es dazu eine zunehmende gesellschaftliche Aufmerksamkeit gegeben. Es wurden Protokolle eingerichtet, um Frauen in Gewaltsituationen zu helfen. Gewalt an Frauen wird immer öfter gesellschaftlich geächtet. Das hat ein Bewusstwerden erwirkt, das dringend notwendig war“, so Brigitte Foppa, Grüne Fraktionssprecherin im Landtag, Elide Mussner, Co-Vorsitzende, Madeleine Rohrer, Landtagsabgeordnete und Sabine Giunta, Vertreterin der Grünen Frauen im Beirat für Chancengleichheit. Sie erinnern daran, dass es neben der Hilfe im Notfall und der Bewusstseinsarbeit auch um die Sichtbarmachung der verschiedenen Formen von Gewalt geht. „Auch emotionale Gewalt, etwa durch Gaslighting, oder finanzielle Unterdrückung sind viel weiter verbreitet als man denkt.Â
Zum heurigen Tag gegen Gewalt an Frauen stellen die Grünen Frauen die Anfänge der Gewalt in den Vordergrund ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Mit einem Video, bei dem auch viele grüne Männer mitgemacht haben, gehen sie der Frage nach, wo Gewalt beginnt: „Bei einem nicht gewollten Kuss, mit einem dummen Witz, mit einem Nachpfeifen auf der Straße, mit der Verniedlichung von Frauen und ihren Leistungen, mit dem Reduzieren der Frauen auf Körperlichkeit und Sexualität, mit dem Nichterstnehmen von Frauen…. In all dem liegt der Funke von Ungleichheit, durch den sich die Spirale der Gewalt irgendwann entzünden kann,“ resümieren Giunta, Foppa, Mussner und Rohrer. Darauf wollen die Grünen Frauen heuer besonders hinweisen und zum Nachdenken anregen. „Es gilt, den Anfängen zu wehren. Gewalt an Frauen darf nicht Teil unserer Gesellschaft sein!“
Tiroler Landtag in Orange
Ab heute Abend wird das Portal des Landhaus 1 für 16 Tage in orangefarbenes Licht gehüllt. Mit dieser Aktion unterstützt der Tiroler Landtag erneut die UN-Kampagne „Orange the World“, die Gewalt an Frauen und Mädchen weltweit sichtbar macht. Sie findet im Zeitraum der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ vom 25. November bis zum 10. Dezember statt. Aufklärung, Sensibilisierung, aber auch Zivilcourage sind mehr denn je gefragt. 26 Femizide, also Morde von Frauen aufgrund ihres Geschlechts, verzeichneten die Autonomen Österreichischen Frauenhäusern bisher in diesem Jahr.
„Gewalt an Frauen und Mädchen reicht von körperlicher über sexualisierte bis hin zu psychischer Gewalt und ist auch in Tirol tagtägliche Realität. Mindestens jede dritte Frau in Österreich erlebt im Laufe ihres Lebens Gewalt. Das orange beleuchtete Landhaus ist Mahnmal gegen jede Form von Gewalt und soll alle, die daran vorbeigehen, ermutigen, beim kleinsten Verdacht auf Gewalt hin- und nicht wegzusehen“, betonen Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann und die VizepräsidentInnen Dominik Mainusch und Elisabeth Blanik. „Es soll aber auch ein Symbol des Empowerment gewaltbetroffener Frauen sein. Die Zahl der Frauen und Mädchen, die über Gewalterfahrungen sprechen, nimmt zu. Sie tragen entscheidend dazu bei, das gesamtgesellschaftliche Problem zu enttabuisieren und unterstützen damit Betroffene, die ihre Stimmen aus unterschiedlichen Gründen nicht erheben können.“
Das Landhaus 1 wird 16 Tage lang ein oranges Mahnmal gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. (© Tiroler Landtag/Christanell)