von ih 13.11.2024 16:39 Uhr

Scholz verteidigt Ampel-Aus in Regierungsrede

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat im Bundestag die Entlassung seines Finanzministers Christian Lindner und das damit verbundene Aus der Ampel-Koalition verteidigt. „Diese Entscheidung war richtig und sie war unvermeidlich”, sagte er am Mittwoch in einer Regierungserklärung und forderte Kompromissbereitschaft. Oppositionsführer Friedrich Merz kritisierte Scholz daraufhin scharf. „Das, was Sie hier vorgetragen haben, Herr Bundeskanzler, ist nicht von dieser Welt.”

APA/dpa

Die Bundestags-Debatte setzte den Schlusspunkt unter die Scheidung der Ampel-Koalition nach knapp drei Jahren im Amt. Nach einem erbitterten Streit über die Wirtschafts- und Finanzpolitik hatte Scholz vor einer Woche seinen liberalen Finanzminister gefeuert und das Ende des Dreier-Bündnisses herbeigeführt. Er führt nun eine Minderheitsregierung von Sozialdemokraten und Grünen und will am 16. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Erhält er wie erwartet keine Mehrheit, findet die Neuwahl am 23. Februar statt. Bis dann bleiben 102 Tage für den Wahlkampf. Die Regierungserklärung war quasi der Auftakt dazu.

Scholz sagte, öffentlicher Streit dürfe nie wieder die Arbeit der Regierung überlagern. “Natürlich funktioniert das nicht mit der Faust auf den Tisch”, sagte er. Er rief alle Demokratinnen und Demokraten dazu auf, einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Dies sei die zentrale Frage bei der anstehenden Neuwahl im Februar. „Ich will vermeiden, dass es zu Verteilungskämpfen jeder gegen jeden kommt”, sagte der SPD-Politiker.

Er sprach sich für mehr Investitionen in Sicherheit aus. Das dürfe aber niemals zulasten von Pensionen, Gesundheit oder Pflege gehen. Sicherheit und Zusammenhalt – das eine sei ohne das andere nicht zu haben. „Dieses ‘entweder oder’ ist falsch und führt unser Land in die Irre.” Das entweder oder sei ein Konjunkturprogramm für Populisten und Extremisten. „Das schadet und zerreißt Deutschland.”

Scholz rief dazu auf, in der Politik weiter auf Kompromisse zu setzen. „Ich bin überzeugt. Der Weg des Kompromisses bleibt der einzig richtige Weg.” Die Union rief Scholz dazu auf, nun vor der Auflösung des Bundestags gemeinsam noch wichtige Gesetze miteinander zu beschließen. „Lassen Sie uns da, wo wir einig sind, auch einig handeln. Es wäre gut für unser Land”, sagte er.

Konkret nannte Scholz Entlastungen bei der sogenannten kalten Progression bei der Einkommensteuer, die zum 1. Jänner 2025 gelten sollten. Nötig sei zudem, schnell möglichst viel von der vorgesehenen Regierungsinitiative für mehr Wachstum zu beschließen. Auch eine Kindergelderhöhung solle Anfang 2025 kommen. Der Kanzler nannte außerdem Grundgesetzänderungen, um das Bundesverfassungsgesetz stärker gegen mögliche politische Einflussnahmen zu wappnen.

Erneut verteidigte Scholz seine Haltung zur Ukraine und erteilte einer Lieferung weitreichender deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine auch für die Zukunft eine Absage. Deutschland tue in Europa am meisten für die Ukraine, müsse in dieser Rolle aber auch eine Eskalation verhindern, sagte der Kanzler im Bundestag. Es sei alles zu unternehmen, damit „wir nicht Kriegspartei werden”. Er werde seine „Haltung nicht ändern”.

Oppositionsführer Merz sprach in seiner Antwort auf Scholz von einer „Geisterstunde”. Scholz habe nicht verstanden, was in diesem Land los sei. „Deutschland braucht eine grundlegend andere Politik, vor allem in der Migrationspolitik, in der Außen- und Sicherheitspolitik und in der Wirtschaftspolitik”, sagte der CDU-Vorsitzende. Gerade nach dem Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl brauche Deutschland jetzt so schnell wie möglich eine stabile und handlungsfähige Regierung. „Sie haben hier von dieser Stelle aus keine Bedingungen mehr zu stellen”, sagte er in Richtung Scholz.

FDP-Chef Christian Lindner warf Scholz eine verfehlte Wirtschaftspolitik vor. „Über dem Text von Olaf Scholz steht Agenda, aber im Text ist keine Agenda drin”, sagt der Ex-Finanzminister in Bezug auf ein Papier des Kanzlers zur Wirtschaftspolitik, das dem Koalitionsausschuss vergangene Woche vorgelegt wurde. „Wer nur im Kreis läuft, kann keine Fortschrittskoalition führen.” Ãœber seine Demission durch den Kanzler vergangene Woche sagt Lindner: „Manchmal ist eine Entlassung auch eine Befreiung.” Und Lindner betonte: „Deutschland hat unverändert das Potenzial für ein starkes Comeback. Wir haben das Know-how, das Kapital, die Köpfe.”

In der für zwei Stunden geplanten Debatte über die Regierungserklärung zur aktuellen Lage soll zum ersten Mal auch CSU-Chef Markus Söder als Mitglied des Bundesrats sprechen. Für die AfD redet die Parteichefin und designierte Kanzlerkandidatin Alice Weidel.

Nur die Grünen konnten ihren wahrscheinlichen Kanzlerkandidaten nicht in die Debatte schicken. Wegen einer Panne am Regierungsflieger in Portugal verpasste Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Regierungserklärung. An seiner Stelle sprach Außenministerin Annalena Baerbock. Baerbock warnte vor einem Lagerwahlkampf mit „plumpen Schuldzuweisungen” und gegenseitigen Beschimpfungen. „Wir alle, wir sind tief verunsichert”, sagte die Grünen-Politikerin. „Deswegen geht es jetzt darum, Sicherheit in unsicheren Zeiten zu geben. Sicherheit für uns, für unser Europa und unsere Nachbarn”, fügte sie hinzu. Sie kritisierte auch die Union nach Zwischenrufen zu Habecks Flugzeugpanne: „Das nennt man übrigens Teamplay. Noch so eine alte Tugend, die Sie offensichtlich in der Union noch nicht mal mehr buchstabieren können.”

apa

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite