von aw 01.11.2024 11:01 Uhr

Interview: Airbnb an die Kette – Südtirol wehrt sich!

Auch Südtirol wird von einem Dilemma geplagt: Mangelnder und kaum leistbarer Wohnraum für Einheimische. Während immer mehr Reisende auf Plattformen wie Airbnb ihre Unterkünfte buchen, geht das touristische Geschäft zunehmend auf Kosten der Südtiroler selbst. Tausende Wohnungen in Südtirol werden touristisch vermietet. Der Preis für diesen Boom? Ein ungebremster Anstieg der Mietkosten und der Verlust von Wohnraum für Einheimische, deren Traum nach eigenen vier Wänden keine Selbstverständlichkeit mehr ist, sondern zum Privileg verkommt.

Bild von Peggy auf Pixabay

Angesichts dieser Entwicklung wird angedacht, diesen Wildwuchs von Ferienwohnungen mit einem umfassenden Gesetzespaket zu bremsen. Die neuen Maßnahmen sollen eine drastische Trendwende herbeiführen – und sehen unter anderem hohe Zugangshürden für Airbnb-Anbieter vor. Schon die 2022 eingeführte „Bettenstopp“-Initiative hatte das Ziel, den unkontrollierten Ausbau touristischer Mietkapazitäten zu drosseln. Doch diese erste Maßnahme schien bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein. Das aktuelle Gesetzespaket ist daher umfassender und zielt darauf ab, durch gewerbliche Anmeldungen, zusätzliche Steuern und Bürokratie das Geschäft mit der Kurzzeitvermietung auszubremsen.

„Gewerbliche Anmeldung“ als Schreckgespenst für Airbnb-Anbieter

Ein zentraler Punkt der geplanten Gesetzesoffensive ist die Pflicht zur Anmeldung als gewerblicher Anbieter, die Airbnb-Vermieter fortan in Südtirol zu erfüllen hätten. Für viele bedeutet das einen erheblichen zusätzlichen Aufwand: Eine Eintragung bei der Handelskammer und die Eröffnung einer Mehrwertsteuer-Position gehören dazu. Dies könnte sich für zahlreiche Anbieter als Stolperstein erweisen, denn damit sind zusätzliche Kosten verbunden, die nicht jedem Vermieter in die lukrativen Airbnb-Kalkulationen passen dürften. Die Botschaft ist klar: Kurzzeitvermietungen sollen weniger attraktiv, komplizierter und damit weniger verbreitet werden.

Ein weiterer gewichtiger Punkt, der dem Airbnb-Boom entgegentreten soll, ist die Abkehr von der pauschalen Steuerregelung. Bisher profitierte die Kurzzeitvermietung von einer pauschalen Besteuerung von nur 21 Prozent, die vielen Anbietern hohe Gewinne ermöglichte. Die Verpflichtung der Anmeldung einer gewerblichen Tätigkeit bedingt aber, dass Vermieter zukünftig in die progressive Beteuerung fallen und zukünftig viel höhere Steuern zahlen, als mit dem pauschalen System. Dies könnte den Traum vom schnellen Geld für viele Airbnb-Anbieter zum Albtraum machen. Ein Schritt, der die Profitabilität von touristischen Vermietungen drastisch schmälern könnte – und der Airbnb-Welle womöglich ein Ende setzt. Doch nicht nur die finanziellen Hürden könnten Airbnb-Anbieter zum Umdenken bewegen. Auch der geplante bürokratische Aufwand könnte dazu führen, dass sich viele Vermieter vom touristischen Geschäft abwenden.

Rechtliche Grauzonen

Wie die Südtiroler Wirtschaftszeitung (SWZ) berichtet, warnen aber Brancheninsider: Die Frage, ob die angekündigte Novellierung rechtlich überhaupt standhält, bleibt umstritten. Da diese Neuregelung möglicherweise mit staatlichem Steuerrecht kollidiert, erwarten Experten, dass es zu Anfechtungen kommen könnte. Langwierige Auseinandersetzungen mit den staatlichen Instanzen könnten die Umsetzung des Gesetzes in der Praxis verzögern.

Interview mit Hannes Gasser

UT24 hat mit Hannes Gasser, Präsident von „südtirol privat“ und eine Schlüsselfigur im Bereich klassischer Privatvermietungen, ein interessantes Interview geführt und versucht, die wesentlichen Fragen zu klären:

Die Landesregierung plant, durch strengere Bürokratie und gewerbliche Verpflichtungen Airbnb-Angebote zu regulieren. Halten Sie diesen Ansatz für praktikabel, oder könnte er langfristig eher zu Schlupflöchern und Umgehungen führen?

Eine Regulierung des Angebots ist zweifellos notwendig – die aktuelle Situation kann so nicht weitergehen. Allerdings muss die geplante Regulierung auch auf nationaler und EU-Ebene Bestand haben und darf keine Schlupflöcher zulassen. Entscheidend ist, dass eine klare Trennung zwischen gewerblichen Vermietern – wie unseren Mitgliedern – und dem ‚Wildwuchs‘ der Kurzzeitvermietungen geschaffen wird. Dies dient auch dem Schutz unserer Mitglieder, die als gewerbliche Anbieter wirtschaftliche Verpflichtungen und Auflagen erfüllen.

Ein Kernpunkt der Neuregelung ist die progressive Besteuerung. Glauben Sie, dass diese Regelung den gewünschten Effekt erzielt und viele Airbnb-Anbieter tatsächlich zum Umdenken bewegt?

Der wesentliche Punkt ist nicht nur die Besteuerung an sich, sondern auch die Verpflichtung zur Anmeldung einer gewerblichen Tätigkeit mit allen daraus folgenden administrativen und steuerlichen Konsequenzen. Dieser Umstand wird viele Kurzzeitvermieter zum Umdenken bewegen, da diese Form der Vermietung bei weitem nicht mehr so lukrativ ist. Die Einhaltung von Normen wie Brandschutzvorgaben sowie die Beratung durch Wirtschaftsberater sind nur einige der zusätzlichen Anforderungen. Die progressive Besteuerung bringt darüber hinaus Differenzen von bis zu 30% mit sich, was die Rentabilität weiter schmälert.

Die juristische Durchsetzung der progressiven Besteuerung ist, wie die SWZ berichtet, umstritten, vor allem in Bezug auf staatliches Steuerrecht. Wie bewerten Sie die rechtliche Haltbarkeit des Gesetzes? Rechnen Sie mit möglichen Anfechtungen oder langwierigen Auseinandersetzungen mit staatlichen Instanzen?

Ich bin weder Anwalt noch Wirtschaftsprüfer, aber die geplante Vorgehensweise scheint der einzige gangbare Weg, um das von der Politik selbst geschaffene Dilemma zu lösen. Die Maßnahmen, die wir derzeit durchdenken, bieten gangbare Lösungen, deren rechtliche Belastbarkeit allerdings noch von Experten geprüft werden muss. Es ist durchaus möglich, dass es Anfechtungen und Auseinandersetzungen mit staatlichen Instanzen geben könnte. Aber davor scheuen wir uns nicht. Es ist Zeit, dass gehandelt wird und dass wir ins TUN kommen.

Die Gleichbehandlung von Airbnb-Vermietern und klassischen Privatvermietern ist ein kontroverses Thema. Welche Auswirkungen hat das Ihrer Meinung nach auf den klassischen Tourismus in Südtirol?

Momentan herrscht eine starke Vermischung, die für den Endverbraucher oft schwer nachvollziehbar ist. Viele Vermieter agieren „unter dem Radar“, was unserem Land und den Qualitätsbestrebungen unseres Tourismusstandorts schadet. Zudem führt dieses Trittbrettfahren oft zu Preisdumping, was in erster Linie den gewerblichen Tourismusbetrieben schadet. Als Verband werden wir auch künftig all unsere Ressourcen einsetzen, um gegen diese Form des Wildwuchses vorzugehen und einen fairen Wettbewerb zu sichern.

Der Weg zu fairem Wohnraum und nachhaltigem Tourismus

Südtirol steht mit der Regulierung des boomenden Airbnb-Marktes vor einer dringenden Herausforderung. Der Plan der Landesregierung, durch Bürokratie, Besteuerung und neue Zugangshürden den Wildwuchs der touristischen Kurzzeitvermietungen einzudämmen, ist ein erster Schritt. Doch wie Hannes Gasser im Interview betont, muss diese Regulierung nicht nur ein solides rechtliches Fundament haben, sondern auch konsequent umgesetzt werden, um tatsächlich spürbare Entlastung für den Wohnungsmarkt zu schaffen. Die angestrebte Gleichbehandlung von klassischen Privatvermietern und Airbnb-Vermietern könnte dazu beitragen, ein faires Spielfeld zu schaffen und langfristig die Qualität des Tourismusstandorts Südtirol zu schützen. Ob die Maßnahmen jedoch reichen, um die Wohnraumkrise zu entschärfen und Einheimischen wieder einen fairen Zugang zu Wohnraum zu ermöglichen, wird sich erst zeigen. Klar ist: Ein „Weiter so“ kann sich Südtirol nicht mehr leisten.

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