von aw 20.10.2024 08:00 Uhr

Kalterer See: Aufstand gegen Monopole

Der Kampf um den freien Zugang zum Kalterer See erreicht eine neue Eskalationsstufe. Nach Ansicht des Verbraucherschutzvereins „Robin“ verstößt die Vergabe von Stegkonzessionen am Kalterer See gegen die Bolkestein-Richtlinie der EU. Walther Andreaus, Präsident des Vereins, führt den Kampf mit harten Bandagen – und nun wendet er sich an die EU-Kommission (UT24 hat berichtet).

Walther Andreaus, ehrenamtlicher Geschäftsführer des Verbraucherschutzvereins Robin (Quelle: Walther Andreaus)

Das Monopol am See

Seit Jahren kämpfen der Verein „Robin“ und Bürgerinitiativen für einen freien Zugang zum Kalterer See. Doch die Realität sieht düster aus: Von den insgesamt 5,3 Kilometern Uferlinie sind lediglich drei Meter öffentlich zugänglich. Der Rest ist in privater Hand, insbesondere durch exklusive Stegkonzessionen, die nie öffentlich ausgeschrieben wurden. Ein Zustand, der nicht nur absurd ist, sondern laut Verbraucherschutzverein gegen geltende Gesetze und Bestimmungen verstößt.

Der Verein hat nun einen entscheidenden Schritt unternommen und eine „Diffida“ – eine juristische Aufforderung zur Vertragserfüllung – an das Land Südtirol und die Gemeinde Kaltern überstellt. Diese Diffida wird ebenfalls der EU-Kommission zur Kenntnisnahme vorgelegt, um die Missstände auf europäischer Ebene zu klären.

EU-Richtlinie soll Wettbewerb sichern

Im Fokus der Kritik steht die sogenannte Bolkestein-Richtlinie, die Wettbewerb und Transparenz im Dienstleistungssektor sicherstellen soll. Die Richtlinie zielt darauf ab, Monopole aufzubrechen und fairen Wettbewerb zu fördern. Andreaus und seine Anwälte sehen hier klare Verstöße am Kalterer See: „Die automatische Verlängerung der Stegkonzessionen blockiert den Wettbewerb und verschafft den derzeitigen Betreibern eine Monopolstellung.“

Wenn die EU-Kommission diese Auffassung teilt, könnte es sowohl für das Land Südtirol als auch für die Gemeinde Kaltern unangenehme Konsequenzen haben. Der Fall könnte Wellen schlagen, die weit über die Ufer des Kalterer Sees hinausgehen.

Interview mit Walter Andreaus

UT24 hat mit dem ehrenamtlichen Geschäftsführer des Verbraucherschutzvereins Robin, Walther Andreaus, ein Interview geführt, um nähere Hintergründe zu erfahren:

Herr Andreaus, nur drei Meter öffentlich zugängliches Ufer an einem 5,3 Kilometer langen See – wie erklären Sie sich, dass dieser Zustand jahrelang von den Behörden hingenommen wurde?

Die Situation am Kalterer See ist das Ergebnis jahrzehntelanger politischer Untätigkeit und mangelnder Weitsicht seitens der Behörden, sprich Land und Gemeinde. Es wurde schlicht versäumt, dem Recht der Bevölkerung auf freien Zugang zu öffentlichen Gewässern Nachdruck zu verleihen. Stattdessen profitieren einige wenige von Konzessionen, die ohne öffentliche Ausschreibung immer wieder verlängert wurden. Diese Intransparenz widerspricht nicht nur dem Geist der demokratischen Grundprinzipien, sondern benachteiligt die gesamte Bevölkerung, die somit vom freien und kostenlosen Zugang zu den naheliegenden Naturgütern ausgeschlossen wird.

Sie werfen der Gemeinde Kaltern und dem Land Südtirol vor, gegen die EU-Bolkestein-Richtlinie zu verstoßen. Warum wurde Ihrer Meinung nach bisher nichts unternommen, um die Stegkonzessionen transparent neu auszuschreiben?

Die Bolkestein-Richtlinie verlangt Wettbewerb und Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Güter und Dienstleistungen. Dass dies bisher nicht geschehen ist, deutet auf ein strukturelles Problem hin. Die derzeitigen Stegbetreiber haben sich eine Monopolstellung gesichert, und es fehlt offenbar der politische Wille, dies zu ändern. Transparente Ausschreibungen könnten diesen unhaltbaren Zustand beenden, doch bislang wurde nichts unternommen, weil die Verantwortlichen es offenbar vorziehen, die bestehende Praxis zu wahren. Im Gegensatz zum sozialen Bereich, wo bei den Ausschreibungen die entsprechende EU-Richtlinie schnell und schonungslos angewendet wurde.

Trotz Ihrer Petition mit über 7000 Unterschriften scheint die Politik auf Zeit zu spielen. Geht es hier um eine gezielte Blockade seitens der Verantwortlichen?

Es liegt der Verdacht nahe, dass hier bewusst auf Zeit und auf das Einschlafen des Anliegens gespielt wird. Die Tatsache, dass über 7.100 Bürger mit ihrer Unterschrift einen freien Zugang gefordert haben, scheint nicht ernst genommen zu werden. Statt klare Entscheidungen zu treffen, erleben wir ein Hin und Her zwischen verschiedenen politischen Akteuren, die sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Das könnte als Blockade verstanden werden – ein Versuch, das Thema auszusitzen, anstatt es aktiv zu lösen.

Sie haben die EU-Kommission eingeschaltet. Was erwarten Sie sich konkret von Brüssel, und welche Konsequenzen könnte es für die Betreiber der Stege und die lokale Verwaltung haben, wenn die Kommission Ihrer Argumentation folgt?

Von der EU-Kommission erwarte ich, dass sie die Einhaltung der Bolkestein-Richtlinie einfordert und die notwendigen Schritte gegen die aktuelle Praxis am Kalterer See einleitet. Sollte die Kommission zu dem Schluss kommen, dass hier systematisch gegen europäisches Recht verstoßen wird, könnte das weitreichende Konsequenzen für die Stegbetreiber und die lokale Verwaltung haben. Dies könnte die Verpflichtung zu einer transparenten Neuausschreibung zur Folge haben.

Was wäre aus Ihrer Sicht eine gerechte Lösung für die Bürger und Besucher des Kalterer Sees und welche Rolle sollte die Politik dabei spielen?

Eine gerechte Lösung wäre ein fairer und würdevoller Zugang zum Kalterer See für die gesamte Bevölkerung. Dies könnte durch die Schaffung eines ausreichend großen, öffentlichen Uferbereichs erreicht werden, der den Bedürfnissen der Bürger und Besucher gerecht wird, ohne die Natur zu schädigen. Die Politik hat es in der Hand, denn der See und zumindest ein Grundstück (ex Militärstrand) sind im Eigentum des Landes. Dieses muss hier Verantwortung übernehmen und im Sinne der Allgemeinheit handeln. Der Kalterer See ist ein öffentliches Gut und dieses muß dem Wohl aller, nicht den Interessen weniger dienen!

Der Kampf um den See geht weiter

Die Worte von Walther Andreaus lassen keinen Zweifel: Der Kampf um den freien Zugang zum Kalterer See ist längst nicht vorbei. Die Untätigkeit der Behörden und das Festhalten an einer intransparenten Vergabepraxis stoßen bei vielen Bürgern auf Unverständnis – und mit der Einschaltung der EU-Kommission steht nun ein möglicher Wendepunkt bevor. Sollte Brüssel die Argumentation des Verbraucherschutzvereins teilen, könnte dies nicht nur die Monopolstellung der bisherigen Stegbetreiber beenden, sondern auch die Verantwortlichen in Land und Gemeinde in Bedrängnis bringen. Der Ausgang ist ungewiss, doch eines ist klar: Der öffentliche Zugang zu einem Naturjuwel wie dem Kalterer See wird nicht mehr kampflos hingenommen.

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  1. Burger
    20.10.2024

    Geld regiert die Welt.

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