von hz 16.10.2024 14:03 Uhr

Durnwalder: „Staatsdienste ans Land“ – UT24-Interview

Am heutigen Mittwoch beginnen die Autonomieverhandlungen in Rom. Neben Spitzenbeamten wird auch Senator Meinhard Durnwalder mit am Tisch sitzen. Gerade in Sachen Autonomie gab es letzthin einige Aufreger, die für Diskussionen sorgten, wie beispielsweise die Aufweichung des Proporzsystems bei öffentlichen Stellen oder der Verzicht der Zweisprachigkeitsbestimmungen im Schulbereich. UT24 hat mit Senator Durnwalder ein Gespräch geführt und ihn unter anderem gefragt, wie groß die Gefahr einer Regierungskrise in Südtirol ist.

Senator Meinhard Durnwalder - Foto: SVP

UnserTirol24: Herr Senator Durnwalder, in der Sechserkommission wird aktuell überlegt, bei der Vergabe öffentlicher Stellen vorübergehend auf das Proporzsystem sowie auf die Zweisprachigkeitsbestimmungen zu verzichten. Entspricht dies den Tatsachen und wenn ja, wie beurteilen Sie bzw. die SVP dieses Vorhaben?

Senator Meinhard Durnwalder (SVP): Hierzu muss ich Folgendes vorausschicken: Ein wesentlicher Punkt zum Schutz einer sprachlichen Minderheit besteht darin, dass diese in der öffentlichen Verwaltung des States mitreden und diese mitgestalten kann. Dies ist nur möglich, wenn sie bei der Besetzung der entsprechenden Stellen ein Sonderrecht genießt und nicht mit der Mehrheit auf Staatsebene konkurrieren muss. Tatsache ist, dass vor der Einführung des Proporzes die italienische Volksgruppe bei ca. 33 Prozent der Bevölkerung in Südtirol über 90 Prozent der Staatsstellen besetzt und diese Situation sich aufgrund der Einführung des Proporzes grundlegend geändert hat. An dieser Errungenschaft darf auch nicht leichtfertig gerüttelt werden. Natürlich muss das Land auch bestrebt sein, dabei mitzuhelfen, dass der Staat seine Dienste auch in Südtirol ordnungsgemäß durchführen kann. Der Staat hat derzeit Schwierigkeiten, bei voller Berücksichtigung des Proporzes für die Durchführung seiner Aufgaben Personal zu finden. Die von der Landesregierung auf den Weg gebrachte Durchführungsbestimmung erlaubt es dem Staat, in außerordentlichen Notsituationen eine kurzfristige Abweichung von den Proporzbestimmungen bei Staatsstellen zwecks Aufrechterhaltung von Diensten vorzunehmen, beispielsweise wenn diese aufgrund von Personalmangel nicht mehr gewährleistet werden können, wie es derzeit insbesondere bei der Post oder der Agentur der Einnahmen, mit Auswirkungen auch auf das Finanzsystem des Landes, der Fall ist. Dies allerdings innerhalb genau festgelegter Grenzen: es darf sich ausschließlich um provisorische und zeitlich befristete Anstellungen handeln, das Einvernehmens-Komitee muss die Voraussetzung der Ausnahmesituation feststellen und die Abweichung genehmigen, das Prinzip der Zweisprachigkeit des Personals muss immer eingehalten werden, das heißt das mittels Zeitvertrag beschäftigte Personal muss über die entsprechenden Zweisprachigkeitsnachweise verfügen. Ich selbst wäre nicht unglücklich darüber, wenn die Durchführungsbestimmung nicht zur Anwendung kommen muss. Andererseits müssen für die Bevölkerung wesentliche Dienste auch aufrecht bleiben. Ziel sollte es sein, die entsprechenden staatlichen Dienste an das Land zu delegieren. Das würde das Problem lösen.

Ziel sollte es sein, die entsprechenden staatlichen Dienste an das Land zu delegieren. Das würde das Problem lösen.

Senator Meinhard Durnwalder (SVP)

UT24: Für eine etwaige Änderung hinsichtlich des Proporzsystems müsste das Autonomiestatut geändert werden. Ist dies tatsächlich vorstellbar und wie würde sich die SVP dabei verhalten?

Durnwalder: Das Proporzsystem als solches hat, wie geschildert, wesentliche Bedeutung für die deutsche und ladinische Sprachgruppe in unserem Land. Eine entsprechende Aufhebung desselben im Autonomiestatut ist deshalb für mich undenkbar.

Eine Aufhebung des Proporzsystems im Autonomiestatut ist für mich undenkbar.

Senator Meinhard Durnwalder (SVP)

UT24: Um zum Thema Zweisprachigkeit zurückzukommen...Landeshauptmann-Stellvertreter Marco Galateo hat kürzlich angekündigt, dass es Bestrebungen gibt, dass in Südtirols Schulen auch jene Lehrpersonen Deutsch als Zweitsprache unterrichten könnten, die nicht der deutschen Sprachgruppe angehören. Bislang war ein zentraler Grundsatz des Südtiroler Bildungssystems, dass Lehrer in ihrer eigenen Muttersprache unterrichten. Wie stehen Sie zu diesem Vorhaben?

Durnwalder: Im Autonomiestaut ist ganz klar festgelegt, dass in Südtirol der Unterricht in den Kindergärten, Grund- und Oberschulen in der Muttersprache der Schüler, das heißt in italienischer oder deutscher Sprache, und von Lehrkräften erteilt wird, für welche die betreffende Sprache ebenfalls Muttersprache ist. Ich sehe keinen Grund von diesem Prinzip abzuweichen, ganz im Gegenteil, dieser Grundsatz muss vielmehr heute mehr denn je verteidigt werden.

UT24: Einige Politiker Südtirols sprechen aktuell davon, dass es angesichts der vorhin beschriebenen Bestrebungen zu einer schleichenden Aushöhlung der Autonomiebestimmungen kommen kann. Was können Sie dem entgegenhalten?

Durnwalder: Das Autonomiestatut hat grundsätzlich in Folge der Verfassungsreform von 2001 und der nachfolgenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs Aushöhlungen erfahren. Das ist mittlerweile auch in mehreren wissenschaftlichen Abhandlungen bestätigt worden. Im Zuge der derzeitigen Bestrebungen zur Wiederherstellung der Kompetenzen vor 2001 soll diese Entwicklung rückgängig gemacht werden. Darüber hinaus müssen dem Land neue Kompetenzen übertragen werden, die für eine autonome Gesetzgebung und Verwaltung notwendig sind und bei den Verhandlungen zum Paket noch nicht in dieser Form gegeben waren, wie beispielsweise der Umweltschutz oder Zuständigkeiten im Bereich der alternativen Energiequellen. Weitere Ziele sind die Anhebung der sekundären und tertiären zu primären Kompetenzen und die Anpassung der Schranken der Gesetzgebung an die Verfassung.

Dem Land müssen neue Kompetenzen übertragen werden, die für eine autonome Gesetzgebung und Verwaltung notwendig sind.

Senator Meinhard Durnwalder (SVP)

UT24: Abschließend Ihre Einschätzung zur Autonomiereform: Wird sie innerhalb dieses Jahres noch im Ministerrat behandelt werden? Wenn nein, wird die Zusammenarbeit zwischen SVP und Fratelli d'Italia auf Landesebene noch halten können?

Durnwalder: Ich denke die Regierung Meloni wird innerhalb November einen entsprechenden Verfassungsgesetzentwurf beschließen. Somit dürfte sich die Frage einer Regierungskrise nicht stellen. Der parlamentarische Genehmigungsiter danach ist allerdings sehr aufwändig und komplex. Und die Zeit dafür ist extrem knapp. Aber halten wir es mit Franz Beckenbauer: schau mer mal!

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite