Was Herbert Kickl von Geert Wilders lernen kann – oder auch nicht
Eine schwierige Herausforderung
Die FPÖ erzielte bei der österreichischen Nationalratswahl 2024 ihr historisch bestes Ergebnis mit 28,8 Prozent. Noch nie war es den Freiheitlichen in der Geschichte der Zweiten Republik gelungen, Erster einer landesweiten Wahl zu werden. Sogar mit einem deutlichen Abstand zur noch regierenden ÖVP von Bundeskanzler Karl Nehammer.
Ähnlich wie in den Niederlanden bei Wilders’ Wahlsieg 2023, konnte sich Kickl damit erstmals als stärkste politische Kraft durchsetzen. Trotz des Wahlsiegs steht Kickl jedoch, genauso wie Geert Wilders vor einem Jahr, vor einer schwierigen Herausforderungen: Mehrere Parteien, allen voran die ÖVP, haben eine Koalition mit ihm ausgeschlossen.
Harte Kompromisse halfen nichts
Geert Wilders ist bereits ein erfahrener Akteur in der niederländischen Politik und führt die PVV seit 2006. Zwar war es ihm, trotz seines Wahlsieges, nicht möglich, das Amt des Premierministers zu übernehmen, doch als langjähriger Oppositionsführer hat er enormen Einfluss auf die politische Agenda genommen.
Seine Themen – vor allem die harte Haltung gegenüber Migration und Islam – haben in den Niederlanden breiten Widerhall gefunden, auch bei moderateren Parteien​. Diese Fähigkeit, ohne Regierungsverantwortung erheblichen Einfluss auszuüben, könnte auch für Kickl interessant werden. Sollte dieser tatsächlich auf das angepeilte Bundeskanzler-Amt verzichten wollen.
Wilders hat vor einem Jahr deutlich signalisiert, kompromissbereit zu sein, um in Regierungsverhandlungen zu kommen. So war er bereit, von seinen radikalsten Forderungen wie dem Verbot des Korans Abstand zu nehmen. Geholfen hat es ihm allerdings nicht, denn er blieb bis zuletzt in Opposition. Eine Option, die für Kickl vermutlich ausscheiden sollte – außer, er spekuliert darauf, seine Wähler aufs Neue zu mobilisieren – als Zeichen gegen die Ausgrenzung seiner Partei.
Kann Kickl von Wilders lernen?
Kickl könnte von Wilders insofern lernen, wie man auch ohne direkte Regierungsverantwortung Einfluss auf die Tagespolitik nimmt. So nutzt Wilders seine politische Stärke derzeit, um politische Debatten zu dominieren und seine Themen in den Vordergrund zu stellen. Auch in Österreich könnte Kickl durch eine starke Opposition die politische Agenda beeinflussen und seine Basis mobilisieren – um schlussendlich bei den nächsten Nationalratswahlen noch stärker zu werden.
Die harte Haltung der anderen Parteien in Österreich – insbesondere die Ankündigung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Kickl nicht als Kanzler angeloben zu wollen​ bedeutet jedoch, dass Kickl entweder zu strategischen Kompromissen bereit sein müsste oder sich langfristig mit der Rolle des Oppositionsführers begnügen muss – vorausgesetzt, es kommt nicht doch noch ganz anders.
Die FPÖ hat jedenfalls klar signalisiert, nicht weiter in der Opposition bleiben zu wollen – schließlich habe man nicht grundlos im Wahlkampf für einen „Volkskanzler Kickl“ geworben. Und so scheint die Strategie aktuell zu sein, die ÖVP mit entscheidenden Ministerposten doch noch gefügig zu machen. An der Person Kickl wird wohl aufgrund des historischen Wahlerfolgs nicht gerüttelt werden. Bleibt also abzuwarten, welche Ãœberraschungen uns die Koalitionsverhandlungen in den nächsten Wochen noch bereit halten.
Einfluss und Rolle von Geert Wilders in den Niederlanden
Aktuell ist Geert Wilders als Oppositionsführer eine der einflussreichsten Stimmen in der niederländischen Politik. Obwohl er in seiner politischen Karriere bisher keine Regierung geführt hat, hat er die politische Diskussion entscheidend mit geprägt. Seine Themen – von der Migrationspolitik bis hin zur Skepsis gegenüber der Europäischen Union – haben viele Niederländer beeinflusst und sogar moderatere Parteien gezwungen, diese Themen aufzugreifen.
Während Wilders seine Rolle als starker Oppositionsführer akzeptiert hat und seine politischen Forderungen von dieser Position aus vorantreibt, steht Kickl in Österreich vor schwierigen Regierunsgverhandlungen.
Entweder er verzichtet als erfolgreichster FPÖ-Politiker aller Zeiten auf das Kanzleramt, um die ÖVP doch noch für eine FPÖ-ÖVP-Regierung zu begeistern – oder aber er macht es wie Wilders, und wird damit der sicherlich einflussreichste Oppositionsführer, den Österreich je hatte.