von red 28.09.2024 14:00 Uhr

Alte Tirolensien neu gelesen (Teil 27)

Anno Neun 1809 – 2009 des Herausgebers Helmut Reinalter ist ein Sammelband, welcher sich der nachhaltigen Untersuchung der Erhebung Tirols im Jahr 1809 sowie den geschichtlichen, sozialen und politischen Entwicklungen, die das Land seitdem prägten, widmet. Veröffentlicht im Jahr 2009 anlässlich des 200. Jahrestags der Tiroler Erhebung unter Andreas Hofer, stellt das Buch keineswegs nur historische Aspekte in den Vordergrund, sondern verknüpft sie auch mit derzeitigen gesellschaftlichen Themen und Herausforderungen. Eine Rezension von Andreas Raffeiner.

Aufklärung und Erhebung Tirols

Die Einführung von Helmut Reinalter bietet eine alternative Sichtweise auf Andreas Hofer und die Erhebung von 1809, indem sie diese Begebenheiten in einen breiteren europäischen Zusammenhang stellt. In den ersten Kapiteln analysiert Reinalter die Rolle der Aufklärung in Tirol, und Werner Köfler gibt eine umfangreiche Überblicksdarstellung der Tiroler Erhebung. Besonders aufschlussreich ist Reinalters Beitrag über den Einfluss des spanischen Unabhängigkeitskrieges auf die Tiroler Aufstände – ein mehrfach vernachlässigter Aspekt.

„Wer war Andreas Hofer?“

Ein weiterer Höhepunkt ist Andreas Oberhofers biografische Auseinandersetzung mit der Frage: „Wer war Andreas Hofer?“ Oberhofer untersucht auf diese Weise unterschiedliche Facetten der Figur Hofer und beleuchtet kritisch den Beginn des Hofer-Mythos, der sich über die Jahrhunderte in Tirol verfestigt hat. Helmut Reinalter beschäftigt sich außerdem mit der politischen Vereins- und Aufklärungskultur des 19. Jahrhunderts, die für die politische Entwicklung Tirols ausschlaggebend war.

Vom Armenhaus Tirol zum Wohlstand

Im zweiten Teil des Werkes werden Gegenwarts- und Zukunftsperspektiven Tirols anhand von Fallbeispielen aufgezeigt. Christian Smekal wirft einen Blick auf die ökonomische Entwicklung Tirols vom Armenhaus zum gegenwärtigen Wohlstand, während Bernd Wachter, Thomas Böhler und Clemens Sedmak die Themen Sozialwesen und Armut in Tirol behandeln. Alexandra Weiss analysiert die Modernisierung der Geschlechterverhältnisse in Tirol und Sigbert Riccabonas Aufsatz hat die Herausforderungen des Natur- und Umweltschutzes zum Inhalt.

Geschichte der Demokratie in Tirol

Ein weiterer bemerkenswerter Beitrag ist der von Helmut Reinalter über die Geschichte der Demokratie in Tirol, der die Entwicklung demokratischer Strukturen in Tirol beleuchtet. Andreas Brugger widmet sich dem Thema der Beseitigung des Gemeindeguts, während Günther Pallaver einen Vergleich der Parteienlandschaft in Nord- und Südtirol zieht. Claus Reitan analysiert die Rolle der Medien in Tirol, während Martin Franzmair sich der Architektur des Landes widmet.

Religion und Gesellschaft in Tirol

Im dritten Teil des Bandes wird der differenzierte Blick auf Religion und Gesellschaft in Tirol gerichtet. Sieglinde Katharina Rosenberger diskutiert in ihrem Beitrag über Säkularität, Katholizismus und Islam in Tirol, wobei sie das Spannungsfeld zwischen religiösen Zeichen wie Kreuz und Kirchturm und den Zeichen des Islams, wie Minarett und Kopftuch, analysiert. Abschließend reflektiert Franz Hackl über das gemeinsame Wachsen Tirols trotz und wegen des starken Mythos, der das Land und seine Identität bis in das Heute prägt.

Dieser ansehnliche Sammelband bietet daher eine multidisziplinäre Perspektive auf die Geschichte und Gegenwart Tirols und stellt eine ausgesuchte und wertvolle Quelle für Historiker, Soziologen und alle dar, die sich für die politische, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung dieses Landes interessieren.

von Andreas Raffeiner
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Helmut Reinalter (Hrsg.): Anno Neun 1809 – 2009. Kritische Studien und Essays, Innsbruck [u. a.] 2009.

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