von red 21.09.2024 17:00 Uhr

Zum Welt-Alzheimertag (21. September): UT24-Interview mit Johanna Constantini

Die Innsbrucker Psychologin Johanna Constantini spricht über die Herausforderung, den Weg mit der Demenzkrankheit ihres Vaters Didi zu meistern. Der Tiroler ist Fußballfans ein Begriff. Als Aktiver war er u. a. für Wacker Innsbruck im Einsatz; später trainierte er auch die österreichische Nationalmannschaft. Seine Tochter teilt im UnserTirol24-Interview ihre Gedanken über Ängste, Resilienz, den Umgang mit Schicksalsschlägen und wie sie daran wächst, ohne den Blick aufs Wesentliche zu verlieren.

Didi und seine Tochter Johanna Constantini - Foto: privat

UnserTirol24: Frau Constantini, können Sie sich bitte ein bisschen beschreiben?

Johanna Constantini: Ich würde mich als sehr offenen und zielstrebigen Menschen bezeichnen, der gerne von Menschen umgeben ist und im Leben mehrere Rollen – Tochter, Mama, Psychologin, Autorin… – bekleiden darf.

UT24: Sie haben mit der Demenzkrankheit Ihres Vaters Didi Constantini einen schweren Schicksalsschlag erleiden müssen. Wie lange dauert es, bis man über so ein Ereignis einigermaßen hinwegkommt?

Constantini: Ich glaube, dass man gar nicht darüber hinwegkommt, sondern dass man damit auch daran wächst. Viele Wege, die wir bisher gegangen sind, hätte ich mir im Traum nicht vorstellen wollen. Heute gehört vieles zu meiner und auch zu unserer Normalität und ist auch erträglich geworden.

Viele Wege, die wir bisher gegangen sind, hätte ich mir im Traum nicht vorstellen wollen. Heute gehört vieles zu meiner und auch zu unserer Normalität und ist auch erträglich geworden.

Johanna Constantini, Tochter des ehemaligen österreichischen Fußballspielers Didi Constantini

UT24: Finden Sie Kraft im Gebet oder eher in der Meditation?

Constantini: Ganz meinem Papa ähnlich, ist es in meinem Fall. Es ist eher die Aktivität, die mir Kraft gibt. Mit meinen Kindern und meiner Familie unterwegs zu sein, aber auch in beruflicher Sache für dieses Thema nach draußen zu gehen, gibt mir Kraft, um herausfordernde Stunden besser zu meistern.

UT24: Darf man Gott eigentlich für so ein Schicksal verantwortlich machen oder gibt es keine Antwort auf das Warum?

Constantini: Ich glaube, man sollte sich nicht allzu lange mit dem Warum oder auch der Frage nach der Fairness aufhalten. Ich persönlich versuche auch nicht damit zu hadern, dass diese Krankheit genau meinen Papa betrifft. Als Familie versuchen wir gemeinsam aus der gegenwärtigen Situation das Beste zu machen.

UT24: Es gibt Menschen, die haben Angst vor dem Leben, die haben Angst vor allem. Manche wiederum haben gar keine Ängste. Welcher Kategorie Mensch sehen Sie als die Ihre an?

Constantini: Als Psychologin bin ich der Meinung, dass ein gewisses Maß an Angst lebensnotwendig ist und dass zu viel genauso wie zu wenig Angstempfinden hingegen sehr einschränkend sein kann. Mein Angstempfinden variiert, hält sich aber sowohl dank stärkender Strategien und viel Austausch in der Familie als auch durch professionelle Hilfe in Bezug auf den Weg mit meinem Papa im Rahmen.

Als Psychologin bin ich der Meinung, dass ein gewisses Maß an Angst lebensnotwendig ist und dass zu viel genauso wie zu wenig Angstempfinden hingegen sehr einschränkend sein kann.

Johanna Constantini, Tochter des ehemaligen österreichischen Fußballspielers Didi Constantini

UT24: Sie arbeiten als Psychologin und helfen Menschen, eine Perspektive zu finden. Hat man den Beruf verfehlt, wenn man Menschen hier weder vorurteilsfrei noch liebevoll begegnen kann?

Constantini: Ich denke, es braucht ein gewisses Maß an Empathie und Verständnis, um Menschen in diesem Beruf begleiten zu können. Eine möglichst wertfreie Haltung ist überdies wichtig, um die eigenen Erwartungen hintenanzustellen und den Klientinnen und Klienten zu ihren eigenen Lösungen verhelfen zu können.

UT24: Indoktrination ist niemals Teil der klinisch-psychologischen Behandlung. Weshalb kann der Glauben das Kernstück des Umgangs miteinander sein?

Constantini: Vertrauen ist in dieser Beziehung aufgrund des Austausches über meist private Themen besonders unerlässlich. Die Schweigepflicht der Psychologen verhilft zudem dazu, dass Menschen sich öffnen und nur so gleichzeitig die Möglichkeit eröffnen, Hilfe annehmen zu können.

UT24: Können Sie den Begriff „Seele“ etwas definieren? Ist es ein Pseudonym für „Psyche“?

Constantini: Der Begriff wird jedenfalls sehr häufig gebraucht. Ich würde die Seele jedoch weiter fassen und den Seelenbegriff als eine Art Überbegriff verstehen, während die Psyche für mich spezifische Persönlichkeitsmerkmale und Akzentuierung sowie das Wahrnehmen und Denken des Menschen beschreibt.

UT24: Hören Sie eine innere Stimme?

Constantini: Ich höre mein eigenes Selbstgespräch. Manchmal bestärkt es mich, während es mich manchmal verwundert.

UT24: Verlust und Hinwendung. Gibt es, auch wenn Sie nicht dem römisch-katholischen Glauben angehören, einen Wegweiser zu Gott oder zu etwas Höherem?

Constantini: Für mich persönlich gibt es einen immerwährenden Weg der Auseinandersetzung mit etwas Höherem, dass sich für mich jedoch nicht in einer Gottesgestalt zeigt.

Für mich persönlich gibt es einen immerwährenden Weg der Auseinandersetzung mit etwas Höherem, dass sich für mich jedoch nicht in einer Gottesgestalt zeigt.

Johanna Constantini, Tochter des ehemaligen österreichischen Fußballspielers Didi Constantini

UT24: Wann kommt in Ihnen das Gefühl der Demut und der Dankbarkeit auf?

Constantini: Wenn ich mir bewusst mache, zwei gesunde und glückliche Kinder auf ihrem Lebensweg zu begleiten und gemeinsam mit ihnen und meiner Familie alles in allem ein wirklich schönes Leben zu führen.

UT24: Was ist die Zielsetzung, was ist aus Ihrer Sicht der Sinn unseres irdischen Daseins?

Constantini: Ich denke, die Zielsetzung ist sehr individuell und ungemein wichtig für jeden Einzelnen, um ein lebenswertes Leben bestreiten zu können. Standhaftigkeit, Verstehbarkeit und Machbarkeit sind einst von Aaron Antonovsky geprägte Komponenten für ein stimmiges Leben, die ich absolut vertreten kann. Er hat das Modell der Salutogenese als Alternative zur Pathogenese eingeführt. Es ist eines der wichtigsten Modelle zur Erklärung der Gesundheit.

UT24: Können Sie uns Ihre drei wesentlichsten Werte in Ihrem Leben kurz skizzieren?

Constantini: Liebe und Respekt: Ich glaube, mit Liebe und Respekt auf viele verschiedene Arten und für jedes Lebewesen lässt sich ein menschliches Miteinander überhaupt erst leben.

Flexibilität und Spontaneität: Für das Leben mit all seinen Herausforderungen und Chancen braucht es eine Art Beweglichkeit, um sich immer neu justieren zu können.

Ausdauer und Gelassenheit: Auch diese erachte ich als wichtig, um an widrigen Lebensumständen zu wachsen und gleichzeitig das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren.

UT24: Danke für das Interview!

Das Interview führte Andreas Raffeiner

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite