von red 19.09.2024 17:00 Uhr

Geheime Verbindungen und Diplomatenspiele: Bruno Kreisky und der Südtirolkonflikt

Stellen Sie sich einmal kurz vor, ein Außenminister eines an für sich fremden Landes trifft sich mehrere Male offen mit Vertretern einer Untergrundbewegung, die in einem anderen Land kurz vor Bombenanschlägen steht. In den frühen 1960er-Jahren, der Hochzeit des Südtirolkonflikts, tat genau das Bruno Kreisky. Der ranghohe österreichische Politiker empfing Mitglieder des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) und ihm wird in den Mund gelegt, dass es gut sei, wenn es „einmal bumst“. Diese weniger bekannte Seite Kreiskys steht im durchaus krassen Kontrast zu seinem späteren Ruf als Friedensstifter.

Bruno Kreisky - Bild: Archiv UT24

Südtirol im Mittelpunkt von Kreiskys Außenpolitik

Südtirol wurde schnell zum Hauptthema in Kreiskys Außenpolitik. Er setzte das Thema auf die Tagesordnung der Vereinten Nationen und sich für die Autonomie der deutschsprachigen Südtiroler ein, wollte jedoch keine Grenzrevision. Zu Beginn seiner Amtszeit war Kreisky gut über den BAS und seine Strategie informiert und wusste von geplanten Anschlägen. Der Südtirolkonflikt eskalierte in der Herz-Jesu-Nacht 1961 mit der sogenannten „Feuernacht“, bei der 37 Strommasten gesprengt wurden.

Von der Unterstützung zur Distanzierung

Kreiskys persönlicher Hintergrund, einschließlich Widerstand und Exil, beeinflusste sein Verständnis für Freiheitsbewegungen maßgeblich. Zu Beginn des Jahres 1960 trafen sich Wolfgang Pfaundler und Georg Klotz, führende BAS-Mitglieder, mit Kreisky, wobei offiziell Unterstützung für das Schützenwesen thematisiert wurde. Zwei Jahre später behauptete Klotz, Kreisky hätte seine Ansichten geteilt, was dieser entschieden zurückwies. Ab dem Jahr 1963 distanzierte er sich zunehmend von „Terroraktionen“ und setzte auf gewaltfreie Lösungen.

Geheime Treffen und Kontroversen

Ein weiteres Treffen fand im November 1960 in Kreiskys Privatwohnung statt, bei dem auch Sepp Kerschbaumer, Leiter des BAS, anwesend war. Während Kreisky die Südtiroler vor terroristischen Akten warnte, interpretierten sie seine Haltung möglicherweise als stillschweigende Zustimmung. Trotz Vorwürfen, mit dem BAS sympathisiert zu haben, bestritt Kreisky stets jegliche Unterstützung der Gewalt.

Unterstützung und Netzwerke

Österreich war ein wichtiges Rückzugsgebiet für den BAS, unterstützte die Gruppe politisch, finanziell und materiell und bot Schutz vor Auslieferung. Das Netzwerk erstreckte sich über Nordtirol, wo hochrangige Politiker wie beispielsweise Landesrat Aloys Oberhammer die Untergrundorganisation auch strategisch unterstützten. Die Gruppe erhielt auch umfangreiche Lieferungen von Sprengstoffen und Waffen aus dem Vaterland Österreich.

Kontroversen und Spekulationen

Eine kontroverse Frage ist die mögliche Unterstützung des BAS durch östliche Geheimdienste. Anfang 1960 gab es Gerüchte über denkbare Verbindungen zu Ost-Agenten, doch konkrete Beweise blieben aus. Auf der anderen Seite gibt es dokumentierte Verbindungen zur CIA, die das Geschehen in Südtirol aufgrund der strategischen Lage überwachte.

Die Eskalation und das Ende der Gewalt

Ab 1963 eskalierte die Gewalt in Südtirol weiter, da der BAS „von außen“ zunehmend radikalisiert wurde. Trotz einer Reduzierung der aktiven Mitglieder kamen neue, extremistische Gruppierungen hinzu. Die Gewalt breitete sich nach Österreich aus, was die Regierung unter Druck setzte und zu verstärkten Sicherheitsmaßnahmen führte. 1967 führte ein „Vorfall“ auf der Porzescharte zu einem italienischen Veto gegen einen österreichischen EWG-Beitritt und erschwerte Verhandlungen.

Kreiskys Bemühungen und das bittersüße Ende

Bruno Kreisky war vor den BAS-Aktionen gut informiert und hatte Zugang zu internen Informationen. Trotz seiner Bemühungen, eine Eskalation zu verhindern, hielten die Anschläge an. Österreichs Unterstützung für den BAS trug zu einer gefährlichen Entwicklung bei. Kreisky sah sich einem unkontrollierbaren Konflikt gegenüber, dessen Ende die bitteren Früchte seiner diplomatischen Bemühungen offenbarte.

von Andreas Raffeiner

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