Vor 99 Jahren: Über die 100-Lire-Münze „Vetta d’Italia“

Symbolik der „Vetta d'Italia“
Das zentrale Motiv der Münze ist eine männliche Figur, die auf der Rückseite dargestellt ist. Diese Figur, nackt und voller Energie, verkörpert Stärke und Bewegung. In der linken Hand trägt sie die Trikolore mit dem Wappen des Hauses Savoyen, in der rechten Hand eine Statue der Siegesgöttin Viktoria. Die Pose dieser Figur vermittelt Dynamik und Tatkraft, die zu den zentralen Werten jener Zeit zählten.
Ein interessantes Detail der Münze ist die Abbildung der „Vetta d’Italia“, nach der Annexion und völkerrechtswidrigen Besitznahme Südtirols der höchste Punkt des italienischen Territoriums. Diese Bergspitze, auf der das Knie der männlichen Figur ruht, versinnbildlicht den äußersten Norden des Landes. Die „Vetta d’Italia“ (Klockerkarkopf) befindet sich in den Zillertaler Alpen, im hintersten Ahrntal an der Grenze zwischen Italien und Österreich. Das Land an Etsch, Eisack und Rienz spielte eine wichtige Rolle in der geografischen und politischen Geschichte Italiens, da es ein lange umkämpftes Gebiet war. Der Name des Gipfels wurde bereits vor der historischen Teilung Tirols geprägt und zeigt auf anschauliche Weise, wie sehr die Berge symbolisch für Italiens (territoriale) Ansprüche, politische Instrumentalisierung und Identität standen.
Ansichtskarte – Bild: Sammlung Andreas Raffeiner
25 Jahre Herrschaft von Viktor Emanuel III.
König Viktor Emanuel III., der 1900 den Thron bestieg, feierte 1925 sein 25-jähriges Regierungsjubiläum. Seine Regentschaft war von bedeutenden politischen Umwälzungen und militärischen Entscheidungen, die Italien nachhaltig beeinflussten, geprägt. Als Sohn von Umberto I. übernahm er das Königreich nach der Ermordung seines Vaters und stand von Anfang an vor großen Herausforderungen. Obwohl er als Monarch versuchte zurückhaltend aufzutreten, prägte er ein Zeitalter, das von tiefen Veränderungen und Umbrüchen in Italien gekennzeichnet war. Seine Machtübergabe an die Faschisten beispielsweise läutete für Südtirol zwei dunkle Jahrzehnte ein.
Auf der Vorderseite der Münze ist das Profil von Viktor Emanuel III. zu sehen. Das Bild zeigt den König mit einem Kopf, der von einem Eichenzweig gekrönt ist. Diese bildliche Darbietung vermittelt Charakterfestigkeit und Beharrlichkeit, während der Eichenzweig eine Verbindung zu Mannhaftigkeit und Unendlichkeit herstellt.
Ein Meisterwerk der Münzkunst
Die 100-Lire-Münze „Vetta d’Italia“, ohne jetzt noch einmal vertiefend auf den Berg und die ganze Vorgeschichte einzugehen, gilt für den Betrachter als eine der schönsten Münzen, die während des Königreichs Italien geprägt wurden. Verantwortlich für den Entwurf war der bekannte Bildhauer Aurelio Mistruzzi, der vor allem für seine Arbeiten für den Vatikan bekannt ist. Seine künstlerische Gestaltung und die technische Ausführung der Münze sind von beachtenswerter Brauchbarkeit. Die Reliefs auf der Münze sind sehr ausführlich und übertreffen die Akkuratesse, die bei anderen Münzen jener Zeit zu finden ist.
Eine weitere Eigenschaft dieser Münze ist die Verwendung der Sandstrahlung, eine Technik, die angewandt wurde, um der Oberfläche der Münze eine matte Patina zu verleihen. Diese Schicht kaschierte erdenkliche Prägefehler und verlieh der Münze ein gleichmäßiges und hochwertiges Aussehen. Diese Sorgfalt und der Einsatz innovativer Techniken trugen darüber hinaus dazu bei, dass die Münze als eines der gelungensten Beispiele der numismatischen Kunst gilt.
In der Summe kann die 100-Lire-Münze „Vetta d’Italia“ als ein bedeutendes Zeugnis der italienischen Münzprägung und ein Ausdruck der Kunstfertigkeit jener Zeit angesehen werden. Ihr Wert lag nicht nur in dem verwendeten Gold, sondern auch in der ästhetischen und symbolischen Bedeutung, die sie für Italien hatte, auch wenn der Gipfel im hintersten Ahrntal nachhaltig für reine Propagandazwecke missbraucht wurde.
von Andreas Raffeiner






