von aw 16.09.2024 18:00 Uhr

Otto Mahlknecht: “Deutsche Schüler dürfen in der deutschen Schule nicht zu kurz kommen!”

Die Diskussion um die sogenannte „Goethelösung“ an der Goetheschule in Bozen hat in Südtirol hohe Wellen geschlagen. Die Idee, für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen eine eigene Klasse einzurichten, um sie gezielt zu fördern und gleichzeitig den muttersprachlich deutschen Kindern eine bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen, stieß auf Widerstand von Landeshauptmann Arno Kompatscher und dem zuständigen Landesrat Philipp Achammer. Sie argumentierten, das Vorhaben sei weder rechtlich noch pädagogisch umsetzbar.

Otto Mahlknecht setzt sich mit Nachdruck für eine Lösung der Klasseneinteilungen in der deutschen Schule ein (Foto: Otto Mahlknecht)

Doch während Studien zitiert werden, bleibt die große Sorge vieler Eltern und Lehrkräfte unbeantwortet: Wie kann das Wohl der Kinder in einem zunehmend von Migration geprägten Schulsystem gesichert werden? Otto Mahlknecht, Obmann-Stellvertreter der Freiheitlichen und Rechtsanwalt, spricht im Interview mit UT24 darüber, warum die Freiheitlichen die Debatte erneut anheizen und wie eine Lösung aussehen könnte.

Herr Mahlknecht, die Freiheitlichen haben nach der Ablehnung des Vorschlags der Goetheschule den Koalitionsausschuss einberufen. Wie ist der aktuelle Stand der Gespräche? Gibt es einen Fortschritt oder verharrt Südtirol weiterhin im Stillstand?

Der Koalitionsausschuss ist am Freitag zusammengekommen. Wir Freiheitlichen haben betont, dass wir die Maßnahme der Landesschuldirektion für falsch halten und eine bestmögliche Unterstützung der muttersprachlich deutschen Kinder verlangen. Wie erwartet, kam es nicht gleich zu einer Einigung, sondern es wurde um ein paar Monate vertagt, um die Sache in der Zwischenzeit vertieft zu prüfen. Die SVP hat eine interne Arbeitsgruppe eingerichtet und verlangt etwas Zeit. Ein wichtiger Fortschritt ist, dass das Thema nun auf Koalitionsebene verhandelt werden muss und nicht SVP-intern auf die lange Bank geschoben werden kann. Wir werden hier insistieren und möchten, dass für die Klasseneinteilungen im kommenden Schuljahr die richtigen Weichen gestellt werden.

Sie haben im Vorgespräch erwähnt, dass die „Goethelösung“ oft falsch dargestellt wird. Worum handelt es sich wirklich, und wie unterscheidet sich dieses Konzept von den „Sonderklassen“, wie sie von der Gegenseite bezeichnet werden?

Ja, der Sachverhalt wurde in der Öffentlichkeit völlig falsch dargestellt. Es gab keinen „Schulversuch“, keine „Sonderklasse“ oder gar „Ghettoklasse“. Die 1 B der Goetheschule war eine ganz normale reguläre Schulklasse neben der 1 A und der 1 R. Das Besondere an der Goetheschule ist nur, dass die italienischen und ausländischen Schüler dort so zahlreich sind, dass nur mehr ungefähr ein Viertel der Schüler in den Klassen 1 A und 1 B deutscher Muttersprache sind. Die Schuldirektorin wollte die wenigen Muttersprachler alle in der 1 A, damit sie dort zumindest die Hälfte der Klasse stellen und gemeinsam mit italienischen und ausländischen Schülern unterrichtet werden, die die deutsche Unterrichtsprache nach dem Besuch des deutschen Kindergartens schon so gut beherrschen, dass sie dem Unterricht folgen können. In der 1 B wären demnach italienische und ausländische Kinder gewesen, deren Sprachstand noch so gering ist, dass sie gemeinsam bei null starten und mithilfe besonders intensiver und auf sie zugeschnittene Sprachfördermaßnahmen Deutsch lernen.

Landesrat Achammer hat argumentiert, dass diese Lösung rechtlich nicht möglich sei und pädagogisch keinen Mehrwert biete. Sie sind selbst Jurist – widerspricht die „Goethelösung“ tatsächlich geltendem Recht?

Nein, das tut sie nicht. Der Landesrat und die Landeschuldirektion argumentieren, dass damit die rechtlichen Vorgaben zur Inklusion verletzt worden seien, doch das stimmt so nicht. Den Grundsatz der Inklusion gibt es im italienischen Schulrecht seit den Siebzigerjahren. Begonnen hat es mit der Inklusion behinderter Kinder; damals wurden Sonderklassen für diese abgeschafft. Später wurde das ausgebaut und auch Kinder mit besonderen Bedürfnissen wie z.B. Legasthenie, AHDS etc. besonders berücksichtigt. Zudem verbietet das DPR 394/1999, dass ausländische Kinder in Klassen abgeschoben werden, in denen sie die Mehrheit stellen. Im Landesrecht gibt es einen Beschluss der Landesregierung über Klasseneinteilung, demzufolge eine ausgewogene Aufteilung der Schüler hinsichtlich des Geschlechtes, Leistungsniveau, Migrationshintergrund und besonderer Bedürfnisse vorgeschrieben ist. Doch all das wurde bei der Klasseneinteilung der Goetheschule nicht verletzt, denn in der 1 A waren genauso wie in der 1 B beide Geschlechter, Kinder mit Migrationshintergrund, mit besonderen Bedürfnissen und mit gutem Leistungsniveau. Differenziert wurde lediglich nach dem Sprachstand. Die Landesschuldirektion hat offensichtlich „Sprachstand“ mit „Leistungsniveau“ gleichgesetzt, aber das ist Unsinn. Wenn ich jetzt beschließe einen Spanischkurs zu besuchen, dann ist mein Sprachstand heute bei null, obwohl mein Leistungsniveau hoch ist. Ausgewogenheit beim Leistungsniveau bedeutet, dass es nicht erlaubt ist, Minderbegabte in eine eigene Klasse abzuschieben und von den guten Schülern zu separieren. Doch selbst wenn man das so auslegen würde wie die Landesschuldirektion, würde es genügen den Beschluss der Landesregierung abzuändern.

Viele Eltern, vor allem in Städten wie Bozen und Meran, fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Wie erklären Sie sich diese Haltung der SVP-Granden Kompatscher und Achammer, die doch eigentlich die Interessen der deutschsprachigen Bevölkerung vertreten sollten? Spitzenexponenten der SVP haben sich ja auch eindeutig für eine Lösung im Sinne der deutschen Schule ausgesprochen.

Ich kann mir das ehrlich gesagt nicht erklären und dafür wurden sie ja auch in den eigenen Reihen scharf kritisiert. Ich hoffe, dass es in den nächsten Monaten, wenn die Sache im Rahmen der Arbeitsgruppen und der Gespräche im Koalitionsausschuss vertieft geprüft und besprochen wird, ein Umdenken erfolgt. Denn wir müssen in Südtirol gewährleisten, dass die deutschen Schüler in der deutschen Schule nicht zu kurz kommen.

Gibt es vonseiten der Freiheitlichen ein Ultimatum, bis wann sich eine Lösung abzeichnen muss, oder wie gehen Sie weiter vor, falls der Vorschlag weiterhin auf Ablehnung stößt?

Es gibt kein Ultimatum, aber ich hoffe doch, dass am Ende die Vernunft die Oberhand behält. Die Inklusion ist eine wichtige Aufgabe, aber noch wichtiger ist es, dass die deutschen Schulen in Südtirol ihre Aufgabe für die Angehörigen der deutschen Minderheit erfüllen. Die muttersprachliche Schule ist unser wichtigster Schatz und den müssen wir hüten.

Zum Schluss: Worin sehen Sie die größte Gefahr, wenn die Situation so bleibt, wie sie aktuell ist? Und was wäre Ihrer Meinung nach der beste Weg, um den Bildungsbedarf aller Kinder – sowohl der deutschsprachigen als auch der Migrantenkinder – zu decken?

Die größte Gefahr für die deutschen Schulkinder besteht darin, dass sie nicht mehr angemessen in ihrer Muttersprache unterrichtet werden, dass ihr „Recht auf Niveau“, wie es die Direktorin der Goetheschule ausgedrückt hat, verletzt wird. Wenn sie in einer Klasse sitzen, in der aus Rücksicht auf die anderen nur mehr ein simples Deutsch gesprochen wird und in der sprachlich komplexere Unterrichtsinhalte nicht mehr behandelt werden können, weil sonst die anderen nicht mehr mitkommen. Wenn so wie jetzt in der Schulklasse drei Viertel einer deutschen Schulklasse Italiener oder Ausländer sitzen, dann ist auch die Verkehrssprache untereinander Italienisch und nicht mehr Deutsch. Zudem werden die deutschen Muttersprachler im Italienischunterricht benachteiligt, weil dieser nicht mehr ihrem Niveau angepasst ist, sondern ein viel zu hohes hat, das sich an den Italienern orientiert und den Ausländern, die in Bozen fast durchwegs Italienisch und nicht Deutsch sprechen.

Landesrat Achammer will alles mit Sprachfördergruppen lösen, in dem bestimmte Schüler separat unterrichtet werden, doch das scheint mir in so einer Konstellation nicht ausreichend. Das funktioniert in Dorfschulen, wo fast alle Schüler in einer Klasse deutscher Muttersprache sind und die zwei, drei Italiener oder Ausländer in einer Sprachfördergruppe beim Deutschlernen gefördert werden.

Ich bin der Meinung, dass die Goetheschule zum Wohle aller Kinder gehandelt hat und das der richtige Weg ist. Ich begrüße es grundsätzlich, wenn italienische und ausländische Familien ihre Kinder in die deutsche Schule schicken, aber nur, wenn das nicht auf Kosten der deutschen Kinder geht. Wir sollten deshalb mit Hilfe der Klasseneinteilung dafür sorgen, dass die muttersprachlich deutschen Schüler in einer Klasse eine Mehrheit von mindestens 70 % ausmachen. Es gibt in Bozen übrigens bereits heute deutsche Kindergärten und Grundschulen, in denen es keine oder fast keine deutschen Kinder gibt; darüber hat sich bisher noch niemand beschwert. Man kann auch dort gut Deutsch lernen.

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  1. FranzK
    17.09.2024

    Immer dieselben Ausreden von Kompatscher und Achammer. Diese zwei Herren sind Gift für unsere gesamte Autonomie.
    Ãœbrigens, ein LH und Bildungsrat, der die deutsche Schule nicht bis auf die Knochen unterstützt, sollte auf der Stelle zurück treten. Aber was soll’s, wir haben ja die Voll(trottel) Autonomie.

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