von red 30.08.2024 15:18 Uhr

Galtür 1999: Die Lawine, die alles veränderte

Am 23. Februar 1999 erlebte Galtür im Paznaun eine der verheerendsten Katastrophen in der Geschichte der Alpen. Nach tagelangen Schneefällen und kritischen Wetterbedingungen rechnete niemand im Dorf mit der wahren Gefahr, die auf sie zukam. Am späten Nachmittag brach eine gewaltige Staublawine mit einer zerstörerischen Wucht über den kleinen Wintersportort herein. Rund 130.000 Tonnen Schnee donnerten talwärts und begruben große Teile des Dorfes unter sich. Mehrere Meter hoch türmte sich der Schnee auf den Häusern, die der Lawine nichts entgegenzusetzen hatten.

In der Lawinenschutzmauer Winkl (345 Meter lang und 19 Meter hoch) sind auch das Alpinarium Galtür (www.alpinarium.at), ein Ausstellungs- und Dokumentationszentrum, die Freiwillige Feuerwehr und die Bergrettung Galtür integriert. - Foto: Gemeinde Galtür - Günther Richard Wett

Die friedliche Winteridylle verwandelte sich innerhalb weniger Minuten in ein Bild des Schreckens. Galtür, ein Dorf, das in 600 Jahren aufgezeichneter Geschichte noch nie etwas Vergleichbares erlebt hatte, wurde plötzlich zum Schauplatz einer Naturkatastrophe, die weit über die Tiroler Landesgrenzen hinaus Schlagzeilen machte. Sieben Häuser wurden völlig zerstört, drei weitere schwer beschädigt, und das gesamte Dorf war von der Außenwelt abgeschnitten – ohne Strom, ohne Telefon, mitten im Schneesturm und in völliger Dunkelheit.

Verzweifelter Kampf ums Überleben

In dieser Nacht begann ein verzweifelter Kampf ums Überleben. Einheimische und Gäste, die sich ebenfalls in Galtür befanden, schlossen sich zusammen, um Verschüttete zu retten. Doch die Bedingungen waren erbarmungslos: Eiseskälte und tobender Schneesturm machten jede Rettungsaktion zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Die Angst, dass die Hilfe zu spät kommen könnte, wuchs mit jeder Minute. Dennoch konnten 22 Menschen lebend aus den Schneemassen geborgen werden – ein kleines Zeichen der Hoffnung inmitten der Tragödie. Für 31 Menschen kam jedoch jede Rettung zu spät. Diese Zahl steht für zerstörte Familien und Träume, die unter der weißen Macht zerplatzten.

Hätte Katastrophe verhindert werden können?

Die Frage, ob diese Katastrophe hätte verhindert werden können, bleibt bis heute eine quälende. Hinterbliebene und Experten fragen sich, ob bessere Vorkehrungen getroffen hätten werden müssen und ob die Lawine früher hätte erkannt werden können. Doch die unberechenbare Natur in den Alpen lässt sich nicht immer vorhersehen. Lawinen sind ein ständiges Risiko in der Region, und trotz aller modernen Technologien bleibt ihre zerstörerische Kraft eine unkontrollierbare Gefahr.

Galtür war nicht das erste Dorf, das von einer Lawine getroffen wurde, und es wird auch nicht das letzte sein. Lawinen fordern immer wieder Opfer in den Alpen und schneiden Täler und Dörfer von der Außenwelt ab. Doch die Lawine von 1999 war außergewöhnlich und hinterließ nicht nur eine Spur der Verwüstung, sondern auch eine tiefe Narbe im kollektiven Gedächtnis des Ortes und der Region.

Tief verwurzelte emotionale Verbundenheit

Trotz des enormen Leids brachte die Katastrophe die Menschen in Galtür enger zusammen. Die Hinterbliebenen der Opfer, die einst als Gäste nach Galtür kamen, wurden zu Freunden, und die Gemeinschaft wuchs enger zusammen. Der damalige Bürgermeister und heutige Landeshauptmann Anton Mattle sagte: „Nicht nur die Toten, auch jene, die ihre Liebsten hier verloren haben, gehören zu uns – und das wird immer so bleiben.“ Diese Worte spiegeln die tief verwurzelte emotionale Verbundenheit wider, die aus der Tragödie entstanden ist.

Galtür - Symbol für Widerstandskraft und Zusammenhalt

Heute stehen die Menschen in Galtür für einander ein, teilen Trauer und Freude, und haben gelernt, nach dem Schmerz auch wieder lachen zu können. Die Katastrophe vor 25 Jahren hat das Selbstverständnis des Ortes nachhaltig geprägt. Galtür ist nicht nur ein Wintersportort, sondern ein Symbol für Widerstandskraft und Zusammenhalt. Die Folgen der Katastrophe sind noch immer spürbar, doch aus den tiefsten Wunden sind auch starke Freundschaften entstanden. Galtür steht heute als Zeugnis dafür, dass das Leben in den Bergen ständig von der Natur herausgefordert wird – und dass die Menschen den Mut finden, trotz allem weiterzumachen.

von Andreas Raffeiner

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