Schwerlastverkehr: Gurgiser fordert Widerstand gegen die Transit-Paten
Die Hintergründe der Fahrverbote
Das Bundesland Tirol hat mehrere Fahrverbote für Schwerlastfahrzeuge auf der Brennerautobahn und anderen wichtigen Straßen eingeführt. Diese Maßnahmen umfassen unter anderem ein nächtliches Fahrverbot. Befürworter argumentieren, dass diese Maßnahmen notwendig sind, um die Umweltbelastungen und gesundheitlichen Risiken zu mindern, die durch den stark zunehmenden Transitverkehr verursacht werden. Die hohen Emissionen von Schwerlastfahrzeugen führen zu Luftverschmutzung, was Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Probleme bei den Anwohnern zur Folge haben kann.
Wirtschaftliche Auswirkungen und Gegenargumente
Die Fahrverbote stoßen jedoch nicht nur auf Zustimmung. Gegner, insbesondere aus Italien, argumentieren, dass diese Maßnahmen die wirtschaftliche Freiheit einschränken und den freien Warenverkehr innerhalb der EU behindern. Italienische Transportunternehmen befürchten Verluste in Millionenhöhe, da der Brennerpass eine zentrale Transitroute für den Handel mit anderen EU-Ländern darstellt.
In diesem Zusammenhang hat Landesrat Christian Bianchi die Entscheidung des italienischen Ministerrates, rechtliche Schritte gegen Österreich einzuleiten, begrüßt. Er betont, dass die einseitigen Maßnahmen Österreichs die Bewegungsfreiheit der Waren beeinträchtigen und enorme Kosten für die Transportbranche verursachen. “Ich danke dem Minister Salvini für die Genehmigung durch den Ministerrat des Verfahrens gegen Österreich. Auch meinerseits gibt es volle Zufriedenheit mit dieser Entscheidung, die vom Minister bei der Pressekonferenz am Brenner angekündigt wurde, an der auch ich teilnahm,” erklärt Bianchi und unterstreicht damit die wirtschaftlichen Sorgen seiner Kollegen.
Stellungnahmen zur aktuellen Diskussion
In der Diskussion um die Fahrverbote meldete sich auch der Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit, Sven Knoll, zu Wort. Er kritisierte die Forderungen des Südtiroler Landeshauptmanns Arno Kompatscher nach einer Aufhebung des Lkw-Nachtfahrverbots in Nordtirol scharf. Knoll betont, dass ein Südtiroler Landeshauptmann die Interessen Südtirols und die Gesundheit der transitgeplagten Bevölkerung entlang der Autobahn vertreten solle und nicht die Wirtschaftsinteressen italienischer Frächter.
Er fordert eine Erhöhung der Lkw-Maut, um den Umwegverkehr über den Brenner zu reduzieren, was fast eine Million Lkw pro Jahr weniger bedeuten würde. „Ein Süd-Tiroler Landeshauptmann hat die Interessen Süd-Tirols und die Gesundheit der transitgeplagten Bevölkerung entlang der Autobahn zu vertreten, aber nicht die Wirtschaftsinteressen italienischer Frächter. Anstatt die Bevölkerung in Nord- und Süd-Tirol mit so einer schwachsinnigen Forderung einem völligen Verkehrschaos auszusetzen, sollte Kompatscher lieber seine Hausaufgaben machen und dafür sorgen, dass der Lkw-Verkehr in Süd-Tirol besser geregelt wird und die Schiene besser funktioniert,” kritisierte Knoll scharf.
Knolls Kritik richtet sich nicht nur gegen Kompatscher, sondern auch gegen die ineffizienten Regelungen im Lkw-Verkehr in Südtirol. Anstatt die Bevölkerung in Nord- und Südtirol mit der Forderung nach einer Aufhebung des Nachtfahrverbots einem Verkehrschaos auszusetzen, sollte Kompatscher laut Knoll dafür sorgen, dass der Lkw-Verkehr in Südtirol besser geregelt wird und die Schiene effektiver genutzt wird. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit eines koordinierten und nachhaltigen Ansatzes zur Bewältigung des Transitverkehrs.
Interview mit Fritz Gurgiser
UT24 hat anlässlich dieser hitzigen Debatte ein Interview mit Fritz Gurgiser, dem Obmann des Transitforums Austria-Tirol, geführt. Fritz Gurgiser ist eine zentrale Figur in der Diskussion um die Verkehrsbeschränkungen. Als langjähriger Obmann des Transitforums Austria-Tirol setzt er sich vehement für Maßnahmen zur Reduzierung des Transitverkehrs und zum Schutz der Umwelt ein. Gurgiser hat in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Initiativen und Kampagnen geleitet, die darauf abzielen, die Lebensqualität in Tirol zu verbessern und die negativen Auswirkungen des Transitverkehrs zu minimieren.
Was wären Ihrer Meinung nach die unmittelbaren Auswirkungen einer Aufhebung der Fahrverbote auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen in Tirol?
Eine Aufhebung der Fahrverbote würde nicht nur Nordtirol schaden, sondern der gesamten privaten und betrieblichen Anrainerschaft an der Alpenkonventionsstrecke von Rosenheim bis Verona; denn jede frei werdende Lücke „zerrt“ sofort neuen Lkw-Transit an. Mit zusätzlichen NO2- und vor allem Lärmbelastungen, die in engen Gebirgstälern weit dramatischere Auswirkungen als in der Po-Ebene oder holländischen und deutschen Flachländern haben. Es ist schon rechnerisch falsch, von „Entzerrungen“ zu reden, während es keine Obergrenze gibt und die Mautkosten Rosenheim-Verona pro Lkw-Km nur rund ca. 35 Cent betragen, während sie in der Schweiz mehr als das Doppelte kosten und in Frankreich noch weit höher sind.
Das andere ist, dass jede Aufhebung eine weitere Verschlechterung der ohnedies katastrophal wettbewerbswidrigen Rahmenbedingungen Straße-Schiene wäre und eines beweist: Die Politik benützt die Eisenbahn seit Inbetriebnahme der Eisenbahnumfahrung Innsbruck als „teuerstes europäisches Ablenkungsmanöver“, indem Milliarden in den Ausbau investiert werden (nördlich und südlich des Brenners), gleichzeitig aber die Straße bewusst immer billiger wurde. Mittlerweile ist das aber ohnedies vorbei, denn in den nächsten Jahrzehnten werden A13 und A22 zwischen Innsbruck und Bozen von zahlreichen vorzeitigen Sanierungen betroffen sein, die dadurch verursacht wurden, weil die in den 1960-er Jahren begonnene Errichtung der A12, A13 und A22 niemals auf 2,5 Mio. 40-Tonner ausgelegt war und jetzt die Brücken als erste massive Schäden aufweisen. Die Politik im Süden wie im Norden ist also gut beraten, ihre Frächter-, Speditions- und Logistikklientel darauf einzuschwören, sich endlich mit rund 1 Mio. Umwegverkehr über den Brenner zu befassen, diesen mit der Herstellung gleicher Bedingungen an allen Alpentransitstrecken zu beseitigen und damit die Problematik vor allem den Ausweichverkehr auf Bundes- bzw. Staatsstraßen gar nicht aufkommen zu lassen. Das ist die wichtigste anstehende Forderung.
Zudem, gerade am Beispiel Lkw-Nachtfahrverbot, würde der ohnedies brutale Druck auf die Fahrer noch einmal deutlich erhöht – denn so können sie in der Zeit von 22:00 bis 05:00 ihre Lenk- und Ruhezeiten wahrnehmen; fällt das Lkw-Nachtfahrverbot, würden sie unverzüglich zum „Freiwild“ für die Disponenten bzw. Fuhrunternehmer, um nur ja jeden Unsinn noch schneller ans Ziel bringen zu können. Nicht umsonst gilt in der Schweiz das Lkw-Nachtfahrverbot zum Schutz der Anrainerschaft UND der Berufskraftfahrer seit 1934 – und niemand ist verhungert.
Erachten Sie es als wahrscheinlich, dass in Zukunft die Fahrverbote gekippt werden?
Nein, denn das EU-Parlament ist erst vor kurzem den Empfehlungen der WHO gefolgt und hat neue, niedrigere NO2- und Feinstaubgrenzwerte beschlossen, sodass es keinen Anlass gibt, Lkw-Fahrverbote, die zum Schutz der Gesundheit der Menschen und Natur festgelegt werden, aufzuheben. Die Gesundheit der Menschen ist das höchste Gut und jede Politikerin und jeder Politiker sollte auch einen „Nebeneffekt“ nicht übersehen: Wer Gesundheitsbelastungen senkt, senkt gleichzeigt Gesundheitsbehandlungskosten sowie das persönliche Leid der Betroffenen durch Krankheit bis hin zu vorzeitigen Todesfällen werden Luft- und Lärmbelastung.
Welche zusätzlichen Maßnahmen würden Sie vorschlagen, um die Umweltbelastung durch den Transitverkehr weiter zu reduzieren?
Wir im Transitforum als Bürgerrechtsorganisation verwenden den Begriff „Umwelt“ schon lange nicht mehr; es geht um unseren durch die Topografie „besonders sensiblen“ Lebens- und Regionalwirtschaftsraum und der künstlich erzeugte hohe europäische Transitverkehr hat ja auch eine ganze Reihe zusätzlicher Belastungen, über die vornehm geschwiegen wird.
Wie beurteilen Sie die Rolle von Landeshauptmann Kompatscher in dieser Angelegenheit? Macht er sich zum Sprachrohr der Transportlobby?
Um es höflich auszudrücken, verstehen wir das nicht, es ist aber nichts Überraschendes. Wenn er unlängst gemeint hat, die Tiroler Politik (gemeint ist Innsbruck) müsse sich bewegen, so ist das ja nur zum Schämen, denn er verdrängt geschickt einen sehr dramatischen Sachbefund: Luis Durnwalder war von 1989 bis 2014 Landeshauptmann und Arno Kompatscher ist es seit 2014 – also nunmehr 35 Jahre. Was eint die beiden? Sie haben sich in ihren Amtszeiten in der Transitsache nicht einen Millimeter in Richtung notwendiger Schutz der privaten und betrieblichen Anrainerschaft „bewegt“; man kann sagen, sie haben in dieser Zeit konsequent die Interessen der internationalen Spediteure, Logistiker und Fuhrunternehmen wie Paten geschützt. Vor 2004 (Beitritt der heutigen EU-Oststaaten) war es noch halbwegs verständlich, denn da waren die Transit-Lkw samt Fahrer:innen ja noch im Süden oder Norden Tirols steuerlich gemeldet. Heute sind sowohl Fahrer:innen als auch Fahrzeuge längst „steuer- und abgabenschonend“ ausgelagert und tragen nichts mehr zum Gemeinwohl bei.
Nachdem Matteo Salvini ja seine Busenfreundin Alina Valean als EU-Kommissarin verloren hat, sollte Arno Kompatscher nicht Ersatz werden, sondern sich nach zehn Jahren vielleicht doch um seine eigene Klientel vom Brenner bis Salurn kümmern. Wir waren es ja, die mit den richtigen Maßnahmen, die heute so kritisiert werden, nicht nur an der Luftgütemessstelle in Vomp die NO2-Werte im Zeitraum 2001-2021 um rund -90 % reduziert haben, sondern derselbe Sachverhalt auch in Auer/Laimburg an der A22 gemessen wurde. Nachdem aber nun neue, niedere Grenzwerte zum Schutz der Gesundheit zu erfüllen sind, wäre es mehr als angebracht, sich den Rahmenbedingungen anzugleichen, die von Kufstein bis zum Brenner gelten und de facto europaweit positive Ergebnisse gebracht haben – denn die modernen, weit abgasärmeren Kraftfahrzeuge mit Euro 5 und Euro 6 Motoren, fahren ja nicht in Vomp im Kreis, sondern in ganz Europa.
Fahrverbote dienen dem Schutz der Gesundheit
Die Debatte über die Fahrverbote in Tirol ist nicht nur eine lokale Angelegenheit, sondern ein Symbol für den notwendigen Wandel in der europäischen Verkehrspolitik. Die Entscheidung, strenge LKW-Fahrverbote einzuführen, ist ein entscheidender Schritt, um die Umwelt und die Gesundheit der Menschen zu schützen. Sie steht exemplarisch für die Herausforderungen, vor denen Europa steht, wenn es darum geht, wirtschaftliche Interessen und nachhaltige Entwicklung in Einklang zu bringen.
Es ist unerlässlich, dass Politik und Wirtschaft zusammenarbeiten, um innovative Lösungen zu entwickeln, die sowohl den Bedürfnissen der Gesellschaft als auch der Umwelt gerecht werden. Tirol kann ein Vorbild für andere Regionen werden, wenn die Bereitschaft vorhanden ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen und die Balance zwischen Fortschritt und Schutz zu finden.
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03.08.2024
Freier Warenverkehr erhöht den Lkw Verkehr massiv
Wenn ein Land Erdäpfel selber hat ,braucht es keine aus Holland oder Deutschland
Und das ist nur ein Lebensmittel
Fälle von diesen gibt es hunderte
Wenn nicht tausende