von aw 06.07.2024 07:30 Uhr

Quästor Paolo Sartori: Ein Gespräch mit dem Sicherheitsarchitekten Südtirols

Paolo Sartori, der erst seit März die Quästur in Bozen leitet, hat sich bereits als unermüdlicher Verfechter der öffentlichen Sicherheit in Südtirol einen Namen gemacht. Seine langen und intensiven Arbeitstage reichen laut eigenen Angaben regelmäßig von der Morgendämmerung bis tief in die Nacht hinein. Als eine Schlüsselfigur im Kampf gegen Kriminalität hat er rasch signifikante Maßnahmen eingeleitet, um die Sicherheit im Land zu stärken.

Quästor Paolo Sartori (Quelle: Quästur Bozen)

Während eines detaillierten Gesprächs mit UT24 im Försterbräu Bozen, einem Ort, an dem er öfter zu sein scheint, da er das Personal beim Vornamen nennt, sprach Sartori über die aktuellen Herausforderungen in Bezug auf Sicherheit, die Wahrnehmung von Kriminalität in der Öffentlichkeit und die komplexe Rolle der Migration in diesen dynamischen Zeiten.

Die Wahrnehmung der Kriminalität in Südtirol

Quästor Paolo Sartori hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein weit verbreitetes Missverständnis in Südtirol zu korrigieren – die Diskrepanz zwischen der gefühlten und der tatsächlichen Kriminalitätsrate. Während des Gesprächs mit UT24 betonte er die Bedeutung dieser Herausforderung: „Es ist mein Anliegen, die gefühlte Kriminalitätsrate ins rechte Licht zu rücken und deutlich zu machen, dass die tatsächliche Kriminalitätsrate in unserem Land weit geringer ist, als viele Bürger annehmen. Südtirol ist heute sicherer, als es vor 30 Jahren war.“

Sartori sprach speziell die Ängste der älteren Generation an, die durch gesellschaftliche und demografische Veränderungen verstärkt werden. „Viele ältere Menschen empfinden Unsicherheit gegenüber Neuem. Diese Angst wird oft durch die Ankunft von Menschen unterschiedlicher Hautfarben und Kulturen sowie durch die manchmal verzerrte Darstellung der Migration in den Medien verstärkt“, erklärte Sartori. Er sieht einen direkten Zusammenhang zwischen diesen Ängsten und der Art und Weise, wie Kriminalität gefühlt und interpretiert wird.

Zudem sei zu beobachten, dass auch die sozialen Medien die subjektive Wahrnehmung vieler Bürger bezüglich einer höheren Kriminalitätsrate verstärken würden. Dort würden Fakten aufgegriffen, in Umlauf gebracht und bei jeder Wiederholung extremer dargestellt und aufgebauscht werden.

Weiterhin erinnerte er an die Situation in den 90er-Jahren, die vielen Einwohnern Südtirols noch lebhaft in Erinnerung ist: „In jener Zeit war Kriminalität ein alltägliches Thema, kaum ein Tag verging ohne einen Banküberfall und auch die Drogenproblematik war weitaus präsenter als heute.“

Gegenwärtig seien in Südtirol eher kleinere Delikte das Problem, die dann aber auch oft aus dem Ruder laufen würden. Schwarzfahrer im öffentlichen Personennahverkehr hätten sich früher, wenn sie erwischt wurden, geschämt und ihre Strafe bezahlt. Heute seien wir hingegen unter anderem mit dem Umstand konfrontiert, dass diese bei der Kontrolle das Messer ziehen und den Kontrolleur bedrohen. Im Steigen begriffen sind auch familieninterne Streitereien, Mobbing und ähnliche Geschichten.

Zudem brachte Sartori seine Erfahrungen aus seiner dreijährigen Zeit in Guatemala, El Salvador, Nicaragua und Honduras ins Gespräch. El Salvador war damals das Land, welches weltweit die höchste Rate gewaltsamer Tötungen aufwies. Damals beauftragten ihn das Innenministerium und das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten mit der Koordinierung von Projekten zur Bekämpfung des internationalen organisierten Verbrechens und der Korruption, zur Fortbildung von Richtern und Polizeiführungskräften und zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit in den mittelamerikanischen Ländern. Diese Erfahrung prägte seine Sicht auf die Sicherheitspolitik maßgeblich: „Wenn man die dortige Mordrate auf Südtirol übertragen würde, dann müssten hierzulande mindestens 600 Morde jährlich geschehen. Glücklicherweise sind wir davon meilenweit entfernt.“ Diese drastische Gegenüberstellung dient dazu, die Sicherheit in Südtirol in einen globalen Kontext zu setzen und die relative Sicherheit des Landes zu unterstreichen.

Durch das Aufzeigen dieser Fakten und das Einbringen historischer Vergleiche sowie internationaler Erfahrungen möchte Sartori dazu beitragen, unbegründete Ängste zu mindern und das Vertrauen in die aktuelle Sicherheitslage zu stärken.

Migration und Kriminalität: Ein differenzierter Blick

Die Diskussion über Migration und Kriminalität ist oft von Missverständnissen und Vorurteilen geprägt, etwas, das Quästor Paolo Sartori in seinem Gespräch mit UT24 aufklärte. Er unterstrich die Wichtigkeit, einen differenzierten Blick auf das Thema zu werfen und nicht vorschnell zu urteilen.

Sartori wies darauf hin, dass es unzulässig und ungerecht sei, alle Migranten über einen Kamm zu scheren. Als Beispiel für die häufigen Fehlinterpretationen brachte er eine jüngst gemeldete Schlägerei ins Gespräch, die sich später als völlig harmlos herausstellte. „Es wurde berichtet, dass es zwischen Ausländern zu einer Schlägerei gekommen sei, bei der Flaschen als Waffen benutzt wurden. Bei der Überprüfung der Situation stellte sich jedoch heraus, dass die betroffenen Personen lediglich nach einem langen Arbeitstag in einem Bozner Unternehmen zusammen standen und einige Biere tranken. Ihre Unterhaltung war lebhaft und vielleicht lauter als üblich, aber zu keinem Zeitpunkt war Aggressivität im Spiel.“

Der Quästor betonte, wie solche Situationen oft fehlinterpretiert werden und wie schnell sich dadurch negative Stereotype bilden können. „Diese Art von Fehlmeldungen kann zu einer ungerechtfertigten Stigmatisierung der Migrantengemeinschaft führen und das gesellschaftliche Bild von Einwanderern negativ beeinflussen.“

Durch das Teilen solcher Beispiele will Sartori die Öffentlichkeit ermutigen, offen und unvoreingenommen zu bleiben und die Fakten zu prüfen, bevor vorschnelle Schlüsse gezogen werden. Er betont, dass die meisten Migranten positive Beiträge zur Gesellschaft leisten und dass es entscheidend ist, diese Realität in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern.

Genauso unmissverständlich betont Sartori aber auch, dass er eine Nulltoleranzpolitik fährt, wenn sich Einwanderer nicht an die Regeln halten: „Dann greife ich mit aller Härte durch und stelle – sofern gesetzlich möglich – Ausweisungsdekrete aus. Dadurch kann ich nicht nur mehr Sicherheit im Land gewährleisten, sondern auch den Ruf jener Einwanderer, die sich an die Regeln halten, schützen“.

Die Konsequenz, mit der der Quästor bei Abschiebungen durchgreift, gefällt nicht allen Bürgern. So wurde er bereits mit dem ehemaligen Chef der Identitären, Martin Sellner, verglichen – eine Unterstellung, die völlig aus der Luft gegriffen ist. Auch vor Drohungen ist Sartori nicht sicher. Er lässt sich davon aber nicht von seinem Weg abbringen, letztendlich erfüllt er nach eigenen Aussagen nur seine Pflicht, die dieses Amt mit sich bringt.

Abschiebungen: Realitäten und rechtliche Herausforderungen

Die Frage der Abschiebungen stellt ein komplexes und oftmals kontroverses Thema dar, das nicht nur in Südtirol, sondern auch in anderen Ländern wie Deutschland auf erhebliche Herausforderungen stößt. Oftmals bleibt die Frage offen, ob Abschiebungen tatsächlich vollzogen werden können, insbesondere wenn bürokratische und rechtliche Hindernisse im Weg stehen.

Quästor Paolo Sartori ging in seinem Gespräch mit UT24 auf diese Problematik ein und erklärte die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade bei Abschiebungsverfahren. „Die einfachsten Fälle betreffen Verurteilte, die über gültige Dokumente verfügen, aber keine Aufenthaltsgenehmigung haben. Diese Personen werden in der Regel umgehend abgeschoben“, erläuterte Sartori. Jedoch steigt die Komplexität erheblich, wenn es um Verurteilte ohne Dokumente geht. „In solchen Fällen wird der Prozess wesentlich komplizierter. Diese Personen werden zum nächstgelegenen Rückführungszentrum gebracht, wo sie bis zu eineinhalb Jahre festgehalten werden können, während die notwendigen Dokumente über das zuständige Konsulat beschafft werden.“

Sartori fügte hinzu, dass selbst Ausländer mit regulärer Aufenthaltsgenehmigung nicht vor Abschiebung sicher sind, sofern sie als Bedrohung für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung angesehen werden. Diese Entscheidungen fallen jedoch oft in den Zuständigkeitsbereich höherer Behörden wie dem Innenministerium. „Die rechtlichen Herausforderungen sind besonders groß bei Personen, die politisches Asyl genießen. Hier sind die Hürden für eine Abschiebung außerordentlich hoch und der Prozess ist mit vielen rechtlichen Schutzmaßnahmen versehen, was den Vollzug erschwert oder oft auch unmöglich macht“, erklärte der Quästor.

Diese detaillierten Einblicke in die Abschiebungspraxis verdeutlichen die vielschichtigen und oft langwierigen Verfahren, die notwendig sind, um die rechtlichen und humanitären Standards zu wahren, während gleichzeitig die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet werden soll.

Ein Blick in die Zukunft: Sartoris Vision für ein sichereres Südtirol

Am Ende des aufschlussreichen Gesprächs mit UT24 äußerte Paolo Sartori seine Hoffnungen und Ziele für die Zukunft Südtirols, die eng mit seinem Einsatz für die öffentliche Sicherheit verknüpft sind. „Mein größter Wunsch ist es, dass ich der Bevölkerung erfolgreich das Gefühl vermitteln kann, dass sie an einem sicheren Ort leben“, erklärte Sartori. Er sieht seine Rolle nicht nur in der Bekämpfung der Kriminalität, sondern auch darin, das allgemeine Sicherheitsgefühl in der Gemeinschaft zu stärken. Durch seine Bemühungen hofft er, ein stabiles Fundament für das Wohlbefinden und die Zufriedenheit in Südtirol zu schaffen, das auf Vertrauen und Verständnis basiert und nicht auf Angst. Sartori betonte, dass dies eine fortlaufende Aufgabe sei, die eine klare Kommunikation und enge Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft erfordere. Er schloss mit der Zuversicht, dass durch kontinuierliche Anstrengungen und das Engagement aller Beteiligten eine dauerhafte Veränderung in der Wahrnehmung und Realität der Sicherheit in Südtirol erreicht werden könne.

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite