von gk 26.06.2024 11:59 Uhr

Schule in Südtirol vom Faschismus bis Kriegsende

Einer der tiefgreifendsten Punkte im faschistischen Italianisierungsprogramm für Südtirol war das Verbot des deutschen Schulunterrichts. Damit sollten die Südtiroler am empfindlichsten Nerv getroffen werden: das deutsche Kulturleben sollte erstickt und die Südtiroler Bevölkerung möglichst schnell assimiliert werden.

Montaner Buben in der Uniform der Balilla (Jugendorganisation der Nationalen Faschistischen Partei) auf dem Dorfplatz (Bild: Effekt Verlag).

Gemäß der „Lex Gentile“, benannt nach dem faschistischen Unterrichtsminister Giovanni Gentile, begann im Schuljahr 1923/24 eine stufenweise Italianisierung der Schule. Bereits 1928 war das Deutsche als Unterrichtssprache völlig ausgeschaltet. In den staatlichen Schulen wurden die deutschen Lehrer vom Dienst suspendiert und durch italienische Lehrkräfte aus anderen Provinzen, die natürlich keine Deutschkenntnisse besaßen, ersetzt. Allein im Rahmen der „Pfarrschule“ durfte der Religionsunterricht in Deutsch erteilt werden.

Die Folgen wurden bald sichtbar. Schulabgänger waren nicht mehr imstande, in ihrer Muttersprache zu schreiben, ihr Wortschatz war klein, ihre Sprachkompetenz gering, und vor allem waren sie selten imstande, in der Schriftsprache zu sprechen, da sie im privaten Bereich ja ausschließlich den Dialekt verwendeten. Zudem versuchten die meisten italienischen Lehrer, die Schulkinder ideologisch und politisch zu indoktrinieren.

Aufschluss über die damalige katastrophale Schulsituation bietet ein Bericht des Bozner Oberlehrers Heinz Deluggi an die ADEuRST (Amtliche Deutsche Ein- und Rückwandererstelle) aus dem Jahre 1939:

Die italienische Staatsschule entließ 1939 ca. 45 % Analphabeten, d.h. die Schulentlassenen konnten das Gelesene nicht verstehen und waren nicht imstande, irgendeinen Gedanken schriftlich niederzulegen. Ein Großteil der Schulentlassenen, besonders weit entlegener Berg- und hinterster Taldörfer, kannten weder alle Druckbuchstaben noch Schreibzeichen. […] Auch jene, die in geringem Maße die italienische Sprache gelernt hatten, waren nur zu seltenem Fall befähigt, Gelesenes aufzufassen und wiederzugeben. […] 95 % der Schuljugend und der Schulentlassenen kannten ihre Sprache nur in der Mundart.

Entstehung der Katakombenschulen

Unter der Leitung von Kanonikus Michael Gamper und anderen sehr engagierten Südtirolern wie Josef Noldin, Eduard Reut-Nicolussi, Rudolf Riedl u.a. wurde als Gegenreaktion zur faschistischen Schulpolitik eine Geheimschule, die Katakombenschule, aufgebaut, durch die den Kindern im Untergrund das Lesen und Schreiben der deutschen Sprache beigebracht werden sollte. In getarnten Ausbildungskursen wurden Männer und Frauen auf ihre Aufgaben als Hilfslehrer vorbereitet. Ermöglicht wurde diese Katakombenschule durch finanzielle Mittel, die der VDA (Verband für das Deutschtum im Ausland) im Deutschen Reich und der Schulverein Südmark sowie der Andreas-Hofer-Bund (nicht zu verwechseln mit dem 1939 in Südtirol gegründeten AHB) in Österreich zur Verfügung stellte, durch Spenden, vor allem aber durch den unermüdlichen, nicht ungefährlichen Einsatz vieler Südtiroler. So konnte ein Großteil der Kinder im Geheimunterricht erfasst werden. Das Regime reagierte mit Hausdurchsuchungen, Verhören, Misshandlungen, Aufenthaltsverboten für Lehrer sowie Verwarnungen und Schikanen gegen Eltern und Schüler.

Das Optionsabkommen zwischen Italien und dem Deutschen Reich brachte für den Großteil der deutschen Kinder eine Wende: Im Artikel 22 des Abkommens wurde für die Kinder der Deutschlandoptanten die Erlaubnis für „Deutsche Sprachkurse“ vereinbart, ein Privatunterricht, um für die deuschen Schulen im „Reich“ vorbereitet zu sein.

Deutschkurse der ADEuRST

Für den organisatorischen Aufbau der Sprachkurse war die AdO, die Arbeitsgemeinschaft der Optanten für Deutschland, zuständig. Nach einem von Heinz Deluggi, dem fachlichen Leiter der Abteilung „Deutsche Sprachlkurse“ bei der ADEuRST entworfenen Plan und mit Unterstützung der AdO und von Helmut Altpeter, dem Leiter der ADEuRST-Abteilung „Hauptamt III Kultur“, konnten binnen kürzester Zeit die Deutschen Sprachkurse aufgebaut werden. Die Kosten dafür trug die ADEuRST.

Schwierig gestaltete sich allerdings die Suche nach genügend Lehrern für die 700 Stellen, denn schon 1940 standen nur mehr 270 Berufslehrkräfte für den Unterricht zur Verfügung. So mussten in den folgenden Jahren fast 800 Jugendliche ausgewählt und in Lehrerbildungsanstalten im ehemaligen Österreich ausgebildet bzw. Katakombenlehrerinnen und -lehrer in die Deutschen Sprachkurse übernommen werden.

Über die die praktische Durchführung der Richtlinien verhandelte Dr. Wilhelm Luig, der Leiter der ADEuRST in Südtirol, mit dem italienischen Provinzschulleiter Armando Fratini. Heinz Deluggi war für pädagogische, Albert Strobl für organisatorische Fragen zuständig. In dem dabei unterzeichneten Abkommen, dem sogenannten „Luig-Fratini-Abkommen“, wird ausdrücklich von den Deutschen Sprachkursen als Privatunterricht gesprochen.

Verpflichtet waren diese Kinder zwar nicht, weiterhin die italienische Schule zu besuchen, doch galt dafür eine im Absatz 3 gegebene „Empfehlung“, da es sich bei den Sprachkursen nicht um umfassenden Schulunterricht handelte. Viele Eltern schickten ihre Kinder, denen sie diese Doppelbelastung nicht zumuten wollten, am Vormittag nicht mehr in die verhasste italienische Schule.

Die Erlaubnis für die Einführung eines Rechenunterrichtes konnte sich die Schulleitung mit Albert Strobl an der Spitze erst im Oktober 1941 vom italienischen Provinzschulleiter erstreiten.

Fortsetzung folgt…

Der Auszug stammt aus dem Buch „Die Deutschen brauchen keine Schulen“ herausgegeben von Dr. Margareth Lun.

Margareth Lun (Hrsg.): „Die Deutschen brauchen keine Schulen”: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt! 2020. ISBN: 9788897053699

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  1. FranzK
    26.06.2024

    Mit dieser LR kommen wir wieder in Teufelsküche.

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