von gk 04.06.2024 11:30 Uhr

„Anschlag“ auf der Steinalm

Am 9. September 1966, einem Freitag, kam es zu einer folgenschweren Explosion in einer Kaserne der „Guardia di Finanza“ auf der Steinalm nahe dem Brennerpass, ungefähr einen Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt, die drei Finanzsoldaten das Leben kostete. Was am Grenzstützpunkt vorfiel, ist bis heute nicht restlos geklärt.

Die Kaserne auf der Steinalm (Bild: Effekt Verlag).

Am Abend des 7. September befand sich nach einer Meldung der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ eine Militärpatrouille auf einem Erkundungsgang am Brenner. Gegen 21 Uhr wurden einige Warnschüsse abgefeuert, da „verdachterregende Geräusche“ wahrgenommen wurden. Eine „Durchkämmung“ der Gegend blieb aber erfolglos. Zwei Tage später ereignete sich das Unglück.

Die „offizielle“ Beschreibung des Vorfalles lautete gemäß den Unterlagen des österreichischen Außenministeriums folgendermaßen:

„9.9.1966 Steinjoch
Explosion eines Sprengkörpers von ca. 20kg im Zollwachestützpunkt, Tötung des Unteroffiziers Eriberto Volgger, des Martino Cossu und tödliche Verletzung des Franco Petrucci.“

Wie zumeist erfolgte auch in diesem Fall die erste amtliche Meldung über den Vorfall an die österreichischen Sicherheitsbehörden erst nach einer Stunde und 45 Minuten – entgegen der ständigen italienischen Bemerkungen der „sofortigen“ Information Österreichs. Das Innenministerium wurde jedenfalls sofort aktiv, wenn auch durch die relativ späte Meldung und die grenznahe Lage etwaige Fahndungserfolge massiv reduziert wurden. Man setzte sich sofort mit den italienischen Behörden in Verbindung und ordnete verstärkte Grenzkontrollen und Überwachungsflüge an.

Trotz dieser Maßnahmen konnte keinerlei Aktivität von Attentätern von österreischischem Territorium aus festgestellt werden, die die Innsbrucker Sicherheitsdirektion am 10. September nach Wien meldete: „[…] erbrachte keinerlei Hinweise auf die Annahme, daß der oder die Täter – sofern es sich überhaupt um einen Anschlag handelt – nach Österreich geflüchtet wären. Die italienischen Grenzbehörden am Brenner erklärten gestern abends, daß man noch nicht klar sehen könne, ob es sich bei der Explosion um ein Unglück oder einen Anschlag handle. Festzustehen scheint, daß in der Unterkunft mit Propangas gekocht wurde und daß im Hause Minen und Handgranaten gelagert waren. […]“

In den folgenden Tagen blieb die Situation dieselbe.

Reaktionen in Italien

In Italien wurden die Forderungen und Reaktionen nach der Explosion auf der Steinalm immer heftiger. Aldo Moro rief zur „Verteidigung des Vaterlandes“ auf, Staatspräsident Giuseppe Saragat – bis 1964 Außenminister – sah eine „schmachvolle Herausforderung des Neonazismus“. Der „Movimente Sociale Italiano“ (MSI) verstreute in Rom Flugzettel mit dem Inhalt, „zum erbarmungslosen Kampf gegen die österreichhörigen Terrorísten“ aufzufordern. Die italienische Bevölkerung – maßgeblich beeinflusst von der Presse und der italienischen Außenpolitik – ging davon aus, dass die Hintermänner der Anschläge in Österreich zu finden seien. Der „Alto Adige“ zeigte sich bereits einen Tag nach der Explosion bestens informiert: „Der Anschlag auf der Steinalm zielte eindeutig auf Massenmord. Ort und Zeitpunkt der Explosion waren in der Absicht gewählt worden, in der Kaserne ein förmliches Blutbad anzurichten.“

Auf diplomatischer und politischer Ebene kam es zu massiven Anschuldigen. Die italienische Politik nahm dieses Unglück wieder einmal zum Anlass, um die BAS-Aktivisten zu diffamieren. Nach Ansicht bzw. Darstellung ranghöchster italienischer Politiker waren praktisch alle, die sich für die Freiheit Südtirols einsetzten „neonazistischer Inspiration“ und wurden in den italienischen Medien dementsprechend präsentiert.

Leider wurde diese – somit erfolgreiche – italienische Propaganda auch von vielen Medien und Personen in Österreich und Deutschland unkritisch übernommen – letztlich bis heute.

Fortsetzung folgt…

Der obige Auszug stammt aus dem Buch „Pfitscherjoch. Steinalm. Porzescharte“ von Hubert Speckner.

Speckner, Hubert (Hg.): Pfitscherjoch. Steinalm. Porzescharte. Die drei „merkwüridgen Vorfälle“ des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre in den Jahren 1966 und 1967: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt! Buch. 2022. ISBN: 979-12-5532-004-3

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