von red 02.01.2022 19:13 Uhr

UT24 fragt nach – Heute bei Moderatorin und Journalistin Sybille Brunner

Sybille Brunner gehört zu den bekannten Fernsehgesichtern des ORF Tirol. So berichtet die Moderatorin und Journalistin, was sich im Bundesland Tirol zuträgt. Heute drehen wir den Spieß um. Im Interview mit UT24 spricht sie über die unterschiedliche Kritik im Mediensektor, den Unterschied zwischen Fakten und Fiktion, das kollektive Bewusstsein, das von „Tirol heute“ auf Süd- und Welschtirol projiziert werden kann und vieles mehr.

Sybille Brunner - Bild: ORF

UnserTirol24: Frau Brunner, Medien haben die Macht, unser Weltbild zu formen. Warum ist eine gesunde Portion Kritik immer angebracht?

Sybille Brunner: Sie meinen, Kritik DURCH DIE Medien?

Kritisches Hinterfragen von Behauptungen und Vorgängen ist ja die Uraufgabe der Medien. Als Journalistin werde ich tagtäglich mit unzähligen Ankündigungen, Verlautbarungen, Presseaussendungen und Pressekonferenzen konfrontiert. Mein Job ist es nicht, einfach alles genauso zu nehmen und in Berichte zu verpacken – das tun PR-Einrichtungen. Meine Aufgabe ist es, zu hinterfragen: Halten die Informationen einer intensiveren Prüfung stand? Gibt es andere Meinungen zum Thema, und wenn ja, welche? Wie relevant sind sie? Auf welchen Grundlagen beruhen die jeweiligen Informationen? Das ist die kritische Herangehensweise, die ich meine. Kritik ist ja – im Gegensatz dazu, was viele denken – nicht die Herabwürdigung einer Sache, sondern deren prüfende Beurteilung.

Wenn Sie Kritik AN DEN Medien meinen:

Natürlich kann und soll man auch die verschiedenen Medien kritisch betrachten. Die Medienlandschaft ist dermaßen vielfältig und weitläufig geworden, sie verlangt das geradezu. In diesen schwierigen Pandemie-Zeiten erlebe ich allerdings manchmal, dass Menschen ein Medium rein danach beurteilen, ob es das bringt, was sie hören bzw. lesen wollen, oder nicht. Je nach dem finden sie es dann gut oder schlecht. Das ist ein sehr bedenklicher Ansatz. Wer Information nur in Form von Bestätigung seiner eigenen Meinung akzeptieren kann, der wird manipulierbar. Und merkt es oft gar nicht.

UT24: Inwiefern ist es in Zeiten wie diesen in Berichterstattungsfragen wichtiger denn je, zwischen Fakten und Fiktion zu unterscheiden?

Brunner: Fiktion kann nur durch Fakten widerlegt werden. Es ist in manchen Kreisen modern geworden, einfach irgendwelche Dinge zu behaupten. Richtig müssen sie nicht sein, irgendetwas wird schon „hängenbleiben“, im Interesse derer, die die Behauptung aufgestellt haben. Das Übelste in diesem Zusammenhang war der Begriff „alternative Fakten“, der von der Trump-Regierung geprägt worden ist. Jetzt gibt es Geschichten von Hubschraubern, die über Demonstrationen Impfstoff versprühen und ähnlichen Unsinn. Die Behauptung, dass ein Pferdeentwurmungsmittel gegen das Corona-Virus hilft, hat sogar die Herstellerfirma des Mittels selbst bestritten. Man kann also als seriöses Medium im Kampf gegen Falsches nur mit Fakten arbeiten. Ob es immer gelingt, damit durchzudringen, ist eine andere Sache. Ich glaube aber fest daran, dass letztendlich das Wahre Bestand haben wird.

UT24: Was bedeuten für Sie das Internet im Allgemeinen und die sozialen Medien im Besonderen?

Brunner: Internet, ach ja, Fluch und Segen der Neuzeit (lacht).

Ich sehe es positiv. Es erleichtert und vereinfacht vieles. Beruflich bedeutet für mich das Netz eine unglaubliche Erleichterung in der Recherche. Außerdem ist es eines der Medien des ORF, das schnellste noch dazu, und als solches die meistgenutzte Online-Informations-Plattform Österreichs.

Die sozialen Medien sind die Stammtische der Gegenwart. Dort kommen Menschen zusammen, werden Neuigkeiten und Befindlichkeiten ausgetauscht. Sie richtig und „psychohygienisch“ zu nutzen, dazu braucht es Klugheit und die Fähigkeit der Selbstdisziplin, beides haben wir zwar alle nicht immer in ausreichendem Maße parat, aber wir lernen ja hoffentlich stetig dazu…. Ich nutze die sozialen Medien häufig, um unsere Sendungen und Inhalte zu bewerben, manchmal auch dazu, meine Gedanken zu bestimmten Themen zu kommunizieren. Als Journalistin kann ich mir über die sozialen Medien auch ein recht gutes Bild von den unterschiedlichen Stimmungslagen im Land machen. Das ist wichtig – ich möchte verstehen, was Menschen bewegt.

UT24: Kann man da auch Ihr Verständnis von Öffentlichkeit im gesellschaftlichen Diskurs ableiten?

Brunner: Wir alle werden ja immer „öffentlicher“. Wo früher nur Wenige die Möglichkeit hatten, zu kommunizieren, sich mitzuteilen, sich in verschiedenen Lebenslagen zu zeigen, so kann das mittels der sozialen Medien jetzt Jede und Jeder. Ein sehr sensibles, manchmal gefährliches, aber auch wertvolles Instrument. Ich kann es nur noch einmal betonen: Wir tun gut daran, im Umgang mit den sozialen Medien laufend dazu zu lernen.

UT24: Wie unterscheidet man eine gute, fundierte Nachricht von einer dubiosen, wenig stichhaltigen Nachricht und was legitimiert sie?

Brunner: Bei seriösen Medien ist das nicht schwer, dort müssen ja fundierte, gut recherchierte Nachrichten die Regel sein. Das heißt vor allem, Quellen sind in der Nachricht nachvollziehbar und überprüfbar angegeben. Fehlen Quellenangaben, oder halten diese einer Überprüfung nicht stand, dann muss man sich gut überlegen, ob man einer Nachricht Glauben schenken will. Generell wird es für viele Menschen tatsächlich immer schwieriger, sogenannte „Fake News“ als solche zu erkennen. Es gibt vor allem im Internet Publikationen, die sehr gut darin sind, teils abenteuerliche Behauptungen als Tatsachen hinzustellen und jede Menge „Quellen“ als vermeintliche Beweise anzuführen. Da würde man viel Zeit benötigen, diese Quellen zu hinterfragen. Diese Zeit haben viele nicht. Ein Dilemma, nicht nur für die Konsument*innen, sondern auch für die Medien, die seriöse Berichterstattung pflegen.

Das Arena-3-Bild zeigt Brunner mit dem Präsidenten des ÖOC (Österreichischen Olympischen Comités) Dr. Karl Stoss (links) und Ludwig Hartmann (Abg. zum Bayrischen Landtag/Bündnis 90/Grüne) – Bild: ORF

UT24: Welche Nachricht würden Sie am allerliebsten verkünden?

Brunner: Im Moment die Nachricht, dass die Corona-Pandemie vorbei ist. Aber das zu verkünden, muss ich wohl noch einige Zeit warten….

UT24: Gibt es ein Hoppala aus Ihrer langen Karriere als ORF-Journalistin, über das Sie heute noch mehr als nur schmunzeln müssen?

Brunner: Oh, da gibt es ganz viele (lacht) … In einer „Tirol heute“-Sendung habe ich mich einmal fröhlich verabschiedet und einen schönen Abend gewünscht. Allerdings hatten wir noch einen weiteren Beitrag zu senden…. Mein vor Schreck erstarrter Regisseur hat den Beitrag in seiner Verzweiflung dann einfach ohne Anmoderation gestartet. Und ich habe danach erklärt, dass ich offenbar meiner Zeit ein bissl vorausgewesen sein dürfte… und mich ein zweites Mal verabschiedet…doppelt hält besser.

Ein anderes Mal habe ich die Zuschauerinnen und Zuschauer munter zu „einer neuen Tirol heute-Woche“ begrüßt. Es war aber schon Dienstag…sehr peinlich. (lacht)

UT24: Frau Brunner, das Land Tirol, wenn man es als Ganzes wahrnimmt, informiert seine Menschen dank des ORF mit zwei Nachrichtenmagazinen. Was bedeutet für Sie persönlich Tirol?

Brunner: In erster Linie Heimat. In zweiter Linie Identität. Ich bin Tirolerin mit Herz und Seele, nehme mir aber heraus, auch meinem Land in bestimmten Fragen kritisch zu begegnen. Das heißt, ich registriere neben den Stärken auch die Schwächen, die Tirol und wir selbst als Tiroler*innen haben. Generell fühle ich mich vom Glück extrem begünstigt, hier geboren zu sein und hier leben zu dürfen.

UT24: Kann „Tirol heute“ für die Süd- und Welschtiroler Bevölkerung bzw. „Südtirol heute“ für die Einwohner Nord- und Osttirols das kollektive Bewusstsein etwas stärken?

Brunner: Nicht nur etwas. Sehr! Davon bin ich überzeugt. Da sind einfach die gemeinsame Historie und gemeinsame Wurzeln. Man will wissen, was jeweils auf der anderen Seite des Brenners passiert. Natürlich ist nicht alles gleichermaßen interessant, das ist ja klar. Aber da ist und bleibt dieses Gefühl des Miteinanders. Und das wird durch tägliche wechselseitige Information gefestigt.

UT24: Was entgegnen Sie jenen, die behaupten, dass die Medienlandschaft dies- und jenseits des Brenners eintönig, institutionalisiert und demgegenüber ein Traum für die Politik und ein Albtraum für das Land ist?

Brunner: Ich persönlich bin noch niemandem begegnet, der das behauptet hat. Im Falle, dass es passiert, würde ich ihm oder ihr empfehlen, die verschiedenen Medien, ob TV, Radio, online oder Print, dies- und jenseits des Brenners, einmal wirklich ausführlich und umfassend zu konsumieren. Eintönigkeit und Institutionalisierung kann ich da nicht erkennen. Die Aufgabe der Medien ist es, distanziert und wachsam zu sein. Und sich immer wieder diesbezüglich selbst zu überprüfen.

Sybille Brunner vor der Kamera – Bild: privat

UT24: Bleibt Ihr persönliches Schlussresümee?

Brunner: Des vergangenen Jahres? Schwierig…. Die Pandemie war wie eine Wechseldusche – mal kalt, dann heiß, dann wieder kalt. Mal war „Licht am Ende des Tunnels“, dann wieder nicht, mal war die Pandemie „für Geimpfte vorbei“, dann mussten wir sehen, dass das nicht der Fall ist. Die Politik in Österreich hat mit ihrer problematischen Art der Kommunikation leider viel dazu beigetragen, dass Corona-Maßnahmen nicht mehr für alle nachvollziehbar waren. Das hat schlechte Stimmung geschaffen, mit der wir alle jetzt umgehen müssen. Welchen Weg die Gesellschaft im vergangenen Jahr genommen hat, gefällt mir nicht und macht mir Angst. Ich hoffe, wir finden hier wieder hinaus. Was ich privat und beruflich dazu tun kann, das will ich auch tun. Eigentlich ist das ja schon ein Neujahrsvorsatz.

Interview: Andreas Raffeiner

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