Italiener entschuldigen sich für Kulturverbrechen
Der deutsche Text des Aufklebers im Wortlaut:
8.000 italienische „Namen“ von Dörfern, Bergen, Flüssen usw. wurden in Südtirol im Prozess der Italianisierung des Landes von der faschistischen Diktatur gefälscht um Südtirol gewaltsam zu italianisieren! Wir Italiener des 21. Jh. sind nicht mehr aggressiv sondern moderat und europäisch. Wir distanzieren uns vom Nationalsozialismus und Imperialismus unserer Vorfahren. Bei den Südtirolern entschuldigen wir uns für das Kulturverbrechen Italiens durch die Fälschung tausender Namen in ihrem Land.
Vor Jahren wurde noch geschürt
Bereits vor mittlerweile fast 20 Jahren gab es in Südtirol einen ersten Schritt von italienischer Seite, sich vom Faschismus zu distanzieren und ein Zeichen der Versöhnung zu setzen. Der Versuch der Bozner Gemeindeverwaltung unter ihrem damaligen Bürgermeister Giovanni Salghetti-Drioli, den in unmittelbarer Nähe zum faschistischen Siegesdenkmal befindlichen „Siegesplatz“ in „Friedensplatz“ umzutaufen, scheiterte jedoch 2002 nach einer Volksbefragung der mehrheitlich italienischsprachigen Bevölkerung der Landeshauptstadt. 62 Prozent der Einwohner hatten entschieden, dass der zentrale „Friedensplatz“ ihrer Stadt nach nur wenigen Monaten – in Anlehnung an Benito Mussolinis Denkmal – wieder „Siegesplatz“ heißen soll. Damit lebten in Südtirol alte Spannungen zwischen Italienern und Südtirolern wieder auf.
Nun scheint die italienische Volksgruppe in Südtirol diesbezüglich aber gereift zu sein. Es ist dies nämlich wohl das erste Mal, dass sich Italiener für die Kulturverbrechen ihrer Vorfahren an den Südtirolern entschuldigen.
Aufarbeitung des italienischen Kolonialismus nun auch in Südtirol?
In diesem Zusammenhang wird auch auf die positiven Entwicklungen im italienischen Schulbereich hingewiesen. Junge Schüler des Liceo Carducci begaben sich bereits im Schuljahr 2020/2021 auf die Suche nach Spuren des italienischen Kolonialismus. Die Schüler beschäftigten sich dabei intensiv mit Straßennamen und Denkmälern ihrer Stadt und haben daraufhin eine Broschüre mit dem Titel „Decolonising Minds“ herausgegeben. Ziel des Projektes war es, die Öffentlichkeit auf einen umstrittenen, von Rassismus geprägten Teil italienischer Geschichte – auch in Südtirol – aufmerksam zu machen.
Gelingt nun der jahrzehntelange erwartete Qualitätssprung in dieser – für Italien so peinlichen – Angelegenheit? Nicht nur die Antifaschisten würden sich darüber freuen. Wohl für alle Italiener in Südtirol würde sich ein Weg öffnen – ohne den Geruch von gestern – die Zukunft zu gestalten.
Sind die Italiener im Land politisch gereift? Die Broschüre „Decolonising Minds“ der Bozner Schüler soll Bewusstsein schaffen für die Herkunft und das Fortwirken kolonial-rassistischen Gedankenguts – Bild: Homepage von OEW – Organisation für Eine solidarische Welt
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27.09.2021
Dass der Wandel in Bozen so weit und breit gereift ist, wage ich zu bezweifeln. Außerhalb denke ich auch es geht in diese Richtung und in Kombination mit der Akzeptanz der Alttiroler Bevölkerung inklusive früherer Welschtiroler, dass die “Neuwelschen” auch ein Heimatgefühl entwickeln können oder besser wollen, eine gute Aussicht. Das Wichtigste ist ein starker gemeinsamer Wille der Autonomie und Unabhängigkeit vom Nationalstaat zugunsten einer besseren Vernetzung auch im Euregio.