„Bewusstsein und Respekt für den Ort, seine Menschen und ihre Geschichte“
Der Dolomitenkrieg und seine Folgen seien zwar historisch gut erforscht, betonte Projektleiterin Dr. Waltraud Kofler Engl, aber die Relikte des Gebirgskriegs in den Sextner Dolomiten werden, so wie an anderen Gebirgsfronten, allmählich aber sicher aus der Landschaft verschwinden, müssten erfasst und dokumentiert werden. Die Front, die Zerstörung, Evakuierung und der Wiederaufbau von Sexten hätten sich als traumatische Ereignisse nicht nur in die Landschaft, sondern auch in den Ort und ins kollektive und individuelle Gedächtnis der Sextner eingeschrieben, berichtet der Sextner Bürgermeister. Dies gelte es im Projekt zu erforschen und zu vermitteln.
Im Austausch mit den Nachbargemeinden
In der Zusammenschau von Quellen in lokalen und nationalen Archiven mit Relikten in der Landschaft und den Zeugnissen im Ort sowie bei partizipativer Beteiligung der Bevölkerung sollen nicht allein bisher unbekannte Aspekte der Kriegszeit, sondern auch die Erinnerungskulturen und das Geschichtsverständnis der Bewohner erfasst werden. Der Austausch mit den Nachbargemeinden im Comelico wird ebenfalls gesucht.
Neue Zugänge schaffen
Wie Prof. Stefan Schmidt-Wulffen (unibz) ergänzte, sollen künstlerische Auseinandersetzung sowohl Einheimischen wie Besuchern einen neuen Zugang zum Thema verschaffen.
Geplant sind eine Ausstellung, eine Webseite, eine Fachtagung und Publikation. Geleitet wird das Projekt von der Plattform Kulturerbe und Kulturproduktion der Fakultät für Design und Künste der Universität Bozen in Zusammenarbeit mit dem Verein „Bellum Aquilarum“, dem Tourismusverein Sexten, der „Österreichischen Gesellschaft für Festungsforschung“, dem Ethnologischem Verein Südtirol (EVVA), dem Kriegsmuseum Rovereto. Die Finanzierung kommt aus dem Forschungsfond Research Südtirol/Alto Adige.
„Warum wir Sextner so sind, wie wir sind.“
Prof. Susanne Elsen von der Fakultät für Bildungswissenschaften (unibz), unterstrich, dass nicht nur das Kriegsgeschehen an der Front, sondern auch das Schicksal der Zivilbevölkerung, der Frauen und Kinder verstärkt in den Blickpunkt gerückt werden müssen. Zusammen mit dem Sozialwissenschaftler Dr. Thomas Benedikter lud sie die Teilnehmenden ein, aktiv zur „erzählten Geschichte“ ihrer Vorfahren beizutragen und sich mit eigenen Wahrnehmungen zu beteiligen. Die Historikerin Dr. Sigrid Wisthaler und Direktorin des Vereins „Bellum Aquilarum“, moderierte die Veranstaltung und stellte den Einsatz des seit 2005 für die Bewahrung und Vermittlung der Kriegsereignisse äußerst aktiven Vereins vor.
„Kulturtourismus sollte Bewusstsein und Respekt für den Ort, seine Menschen und seine Geschichte vermitteln,“ betonte die Vizepräsidentin des Tourismusvereins Judith Rainer, „Es ist wichtig, dass die Gäste erfahren, was sich hier im 20. Jahrhundert abgespielt hat und ihnen verständlich zu machen, warum wir Sextner so sind, wie wir sind.“
„Wo vor 100 Jahren Soldaten gekämpft haben, verbringen wir heute unsere Freizeit.“
Konfliktarchäologe Dr. Rupert Gietl vom Arc-Team stellte mit einem Video die neuesten Methoden zur Feldforschung in schwierigem Gebirgsgelände vor, mit denen im Sommer die materiellen Spuren und militärischen Anlagen im Drei Zinnen-Gebiet eingriffsfrei erfasst werden sollen.
„Wir können uns die damalige verzweifelte Lage unserer Vorfahren gar nicht mehr vorstellen,“ führte zum Abschluss die junge Kulturreferentin Judith Villgrater aus, „Wo vor 100 Jahren Soldaten gekämpft haben, verbringen wir heute unsere Freizeit.“ Es sei nicht nur wichtig, sondern auch spannend und berührend, mehr über die Lebensbedingungen der Urgroßeltern und Großeltern von damals zu erfahren, über die Geschichte der näheren Heimat Bescheid zu wissen und diese besonders der jüngeren Generationen zu vermitteln.“