Singen verboten: Chorverband sieht Lage „dramatisch“
Über 3.500 Chöre gibt es in Österreich, „um 50 Prozent mehr als es Fußballvereine gibt“, unterstreicht Straßl die gesellschaftliche Bedeutung des gemeinschaftlichen Singens, das alle Bereiche der Gesellschaft einschließt. Jung und alt singen, Frauen wie Männer. Die Tiroler Wirtschaftstreuhänder singen ebenso wie die niederösterreichischen Jägerinnen.
Der Jurist Straßl, im Brotberuf Leiter der Abteilung „Organisationsrecht und Berufungsmanagement“ an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw), leitet selbst zwei Chöre, die Wiener Sängerrunde und den Verwaltungschor der mdw. Über 100.000 Sänger sind im Chorverband erfasst. „Dadurch haben wir einen sehr guten Überblick. Wir bekommen Unmengen von Mails und spüren eine enorme Sehnsucht, dass es endlich wieder losgeht. Die Menschen leiden unter der Situation und sind traurig. Das Durchhalten wird spürbar schwieriger.“
Sicheres Singen
Als erster in Europa gab der Chorverband eine wissenschaftliche Untersuchung mit fotografischer Darstellung der Ausbreitung von Atemluft-Wolken beim Singen in Auftrag, die nachwies, dass das Ansteckungs-Risiko überschaubar ist und mit einfachen Maßnahmen minimiert werden kann. „Das Singen ist von Anfang an zu Unrecht verteufelt worden. Seither habe ich mindestens 50 Studien gelesen, die uns recht geben: Singen ist so sicher wie Sprechen. Wenn man sich an bestimmte Regeln hält.“
Sozialer Aspekt des Singens
Dennoch gilt der seit Anfang November verordnete Kultur-Lockdown auch für Chöre. Proben und Aufführungen ohne Publikum sind nur den Profis oder jenen semi-professionellen Chören erlaubt, die fix in eine Institution integriert sind. „Von der Politik hören wir nur: Wir müssen vorsichtig sein! Der Politik geht es als erstes um die Ermöglichung der Berufsausübung. Dabei vergisst man die unglaublich positiven psychischen und sozialen Auswirkungen des gemeinsamen Singens, die unzählige Male nachgewiesen wurden“, so Straßl.
Lockerungen
Kürzlich konnte bei den Lockerungen in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit erreicht werden, dass nicht nur Vereinssport, sondern auch Singen unter gewissen Voraussetzungen möglich ist. „Das war ein erster kleiner Erfolg, und wir hoffen sehr, dass bei Lockerungen für Veranstaltungen auch wir dabei sein werden.“
Die Konzepte dafür hat der Verband längst ausgearbeitet. Singen im Freien, zwei Meter Abstand, kleinere Gruppen und regelmäßige Testungen zählen dabei zu den wichtigsten Punkten. „Wir sind dazu bereit und gut vorbereitet. Denn wir wissen: Mit Singen hat man mehr vom Leben!“
(APA)