Heute vor 56 Jahren verstarb Sepp Kerschbaumer
Das rief Schmähungen von italienischer extremnationalistischer Seite hervor. Um diese nicht unwidersprochen zu lassen, sei nachstehend über das Leben und Sterben Sepp Kerschbaumers berichtet:
Sepp Kerschbaumer wurde am 9. November 1913 in Frangart bei Bozen geboren. Am 10. September 1934 wurde der 22 Jahre alte Kaufmannsohn, wie damalige Zeitungsberichte belegen, mit weiteren 9 Burschen und zwei Mädchen von Geheimagenten und Carabinieri verhaftet und in Ketten in das Bozner Gefängnis eingeliefert. Die Jugendlichen wurden beschuldigt, am Tag vorher, am Sonntag, den 9. September, beim Wiesenfest der Musikkapelle St. Pauls verbotene deutsche Lieder gesungen zu haben. Mitte Oktober 1934 wurden die Burschen und Mädchen ohne Verteidigung von der faschistischen Verbannungskommission einvernommen und verurteilt.
Die beiden Mädchen wurden für fünf Jahre unter Polizeiaufsicht gestellt. Die zehn Burschen wurden zu mehreren Jahren Verbannung nach Süditalien verurteilt. Sepp Kerschbaumer war zu zwei Jahren Verbannung nach Lagonegro in Süditalien verurteilt worden. Nach einem Jahr, im November 1935, wurden die jungen Südtiroler nach dem Besuch von Benito Mussolini in Bozen amnestiert.
Die Zeit des Faschismus und die Fortführung der faschistischen Entnationalisierungspolitik nach 1945 in Südtirol prägten Kerschbaumer zutiefst.
Ab 1957 protestierte Kerschbaumer mit Flugzetteln gegen die römische Politik der Unterdrückung und geförderten Massenzuwanderung aus dem Süden, er hisste die verbotene Tiroler Fahne auf dem Kirchturm in Frangart und letztendlich gründete er zusammen mit verzweifelten Landsleuten, die keinen anderen Ausweg mehr sahen, den „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS). Es kam zu den Verzweiflungsanschlägen der Herz-Jesu-Nacht des Jahres 1961, die letztlich auf lange Sicht eine gewaltige Wende in der Politik einleiten sollten, zunächst aber zu Massenverhaftungen und schweren Folterungen führten.
Verhaftung und Folterung Sepp Kerschbaumers
Am 15. Juli 1961 wurde der Gründer und Kopf des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS), der Frangarter Gemischtwarenhändler und Kleinbauer Sepp Kerschbaumer, verhaftet, in die Carabinierikaserne von Eppan gebracht und schwerstens misshandelt.
Der ebenfalls verhaftete Josef Fontana aus Neumarkt im Unterland wurde Sepp Kerschbaumer am 17. Juli 1961 um 17 Uhr abends gegenübergestellt. Der Eindruck, den Kerschbaumer auf ihn machte, konnte er kaum in Worte fassen. Was er sah, war „ein Mensch in seiner tiefsten Erniedrigung.“ (Josef Fontana / Hans Mayr: „Sepp Kerschbaumer“, Bozen 2000, S. 146)Â
Sepp Kerschbaumer hat das, was mit ihm geschehen war, am 4. September 1961 in einem Schreiben geschildert, welches keinen Adressaten trug und aus dem Gefängnis hinaus geschmuggelt und der Südtiroler Volkspartei übergeben wurde.
Der Brief liegt heute im Südtiroler Landesarchiv in Bozen unter den Archivalien der Südtiroler Volkspartei.
Der Briefanfang
Der Brief lautet:
Wörtliche Wiedergabe des Originalbriefes. SVP-Archivalien, Landesarchiv Bozen
Das Ende des Briefes
Wie es den Verhafteten und ihren Familien erging, schildert in sehr berührender Weise die Autorin Astrid Kofler in einer Dokumentation:
Astrid Kofler: „Zersprengtes Leben“, Edition Raetia 2003, S. 45f
Mit ihm sein Land Tirol
Kerschbaumer weinte freilich nicht über sein eigenes Schicksal, er weinte über das Leid seiner Familie und das der anderen Häftlingsfamilien.
Im Ersten Mailänder Südtirolprozeß im Jahre 1964 wuchs Sepp Kerschbaumer als Hauptangeklagter über sich hinaus.
Er verwandelte das Gerichtsverfahren in ein Tribunal über die römische Politik in Südtirol und er beeindruckte damit nicht nur die deutschen und österreichischen Medien, sondern auch die Weltpresse.
Auch im Ausland begann man nun die Südtiroler Frage und den Freiheitskampf mit anderen Augen zu sehen.
Seinen inhaftierten Kameraden gab das Beispiel dieses Mannes die Würde wieder, die man ihnen in den Folterkammern zu rauben versucht hatte.
Alle Mitangeklagten, ausnahmslos, traten als stolze und freie Männer vor die Schranken des Gerichtes und verteidigten das Recht ihres Volkes.
Josef Fontana sagte später über Kerschbaumer: „Er hat uns vor allem eines beigebracht, was wir schon fast verlernt hatten: den aufrechten Gang.“ (Elisabeth Baumgartner – Hans Mayr – Gerhard Mumelter: „Feuernacht“, Bozen 1992, S. 137)
Sepp Kerschbaumer wurde in Mailand am 16. Juli 1964 zu 15 Jahren und 11 Monaten Haft verurteilt und nach dem Prozess in das Gefängnis von Verona verlegt. Dort starb er am 7. Dezember 1964 im Alter von 51 Jahren – viel zu früh – der Herztod, für den wohl auch die erlittene Folter mit ursächlich gewesen war.
Sein Rechtsanwalt, Dr. Hermann Nicolussi-Leck aus Kaltern, fuhr nach Verona, um aus dem Gefängnis die wenigen privaten Habseligkeiten Kerschbaumers für dessen Familie abzuholen. Nicolussi-Leck berichtet darüber:
Elisabeth Baumgartner – Hans Mayr – Gerhard Mumelter: „Feuernacht“, Bozen 1992, S. 137
So wie Kerschbaumers Auftreten vor Gericht geriet auch sein Begräbnis zur Anklage gegen den italienischen Staat. Sein Sarg wurde von ehemaligen Häftlingen getragen. Einer der vielen mitgetragenen Kränze trug die Aufschrift: „Mit ihm sein Land Tirol“. Mehr als 20.000 Menschen säumten in stiller Trauer und wohl auch in stillem Zorn Kerschbaumers letzten Weg von Frangart bis zu dem Friedhof in St. Pauls und schlossen sich dem Trauerzug an.
Die Dolomiten schrieben: „So weit das Auge reichte, sah man nur eine wogende Menschenmenge, die die ganze Straßenbreite einnahm.“
Zu Kerschbaumers Begräbnis war neben dem Bürgermeister und dem Gemeinderat auch die hohe Politik gekommen: Landeshauptmann Magnago, Senator Sand, die Kammerabgeordneten Mitterdorfer, Dietl und Vaja sowie naherzu alle Landtagsabgeordneten.
Es war wie eine dritte Volkskundgebung von Sigmundskron. In dem Friedhof hatte nur ein kleiner Teil der Trauergemeinde Platz. Zu Tausenden verharrten die Menschen in stillem Gebet vor den Friedhofsmauern. Als das das Lied vom Guten Kameraden und dann das Andreas Hofer – Lied erklangen, standen tausenden Menschen die Tränen in den Augen.
Der Südtiroler Heimatbund will auf gehässige Polemiken italienischer Extremnationalisten nicht näher eingehen. Er erinnert aber die eigenen Landsleute daran, dass Sepp Kerschbaumer uns als geistiges Vermächtnis hinterlassen hat, stets für die Heimat und ihre Anliegen einzutreten. Dass dies nun im Rahmen und mit den Mitteln der Demokratie möglich ist, haben wir dem Opfer Kerschbaumers und seiner Mitstreiter zu verdanken.
Ehre ihrem Andenken!
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09.12.2020
Nicht nur in Südtirol bräuchten wir solche aufrechten Menschen.
07.12.2020
Leute wie Kerschbaumer bräuchte das Land heute mehr denn jäh!!!
Kompatscher Achammer & Co nehmt euch ein Beispiel und “SCHÄMT EUCH”