von ih 31.03.2020 14:31 Uhr

„Jetzt ist dieses Corona-Scheißding dazwischen geprescht“ – Interview

Mit ihrem Lied „Nur das Leben in Freiheit“ haben sich die Südtiroler Deutschrocker von Frei.Wild bereits zum dritten Mal musikalisch mit dem Coronavirus auseinandergesetzt (UT24 berichtete). Trotz Quarantäne, Kontaktverbot und Ausgangssperre wird die bekannteste Rockband des Landes demnächst ein neues Album veröffentlichen. Wie es dazu kam und ob das Alpen-Flair-Festival 2020 möglicherweise ausfallen muss: Darüber hat der Frei.Wild-Sänger exklusiv mit UT24 gesprochen.

Frei.Wild-Sänger Philipp Burger ist in Zeiten von Corona produktiver denn je. Jetzt hat er mit UT24 über die derzeitige Situation gesprochen.

Hallo Philipp, mit eurem Lied „Nur das Leben in Freiheit“ habt ihr euch bereits zum dritten Mal musikalisch mit dem Coronavirus auseinandergesetzt. Bald soll auch ein ganzes Quarantäne-Album folgen. Ist es der Corona-Koller, der euch derzeit so produktiv macht?

 
Philipp Burger: Nun ja, ehrlich gesagt hatten wir für dieses Jahr ganz andere Pläne. Wir wollten bis auf das Alpen Flair wirklich gar keine Show spielen und uns in die wohlverdiente Bandpause fallen lassen. Ich wollte mit meiner Familie nach unserem Kumpelstrip einen ganzen Monat nach Norwegen zum Fischen, dann zwei bis drei Wochen auf der Alm bleiben, vielleicht mit Föhres Familie ein paar Tage ans Meer fahren, aber hey, jetzt ist halt dieses Corona-Scheißding dazwischen geprescht. Kann man also nichts machen.

Wir hatten geplant so Mitte September ins Studio zu gehen und dann gemütlich am neuen Album zu arbeiten. Nachdem wir uns jetzt aber wirklich – genau wie gefühlt alle anderen Menschen auch – an die Regeln und Vorgaben der Krisenintervention zu halten haben und somit eigentlich keine entspannte Auszeit genießen können, haben wir  nach Ablenkung von diesem gerade herrschenden Negativspirit gesucht. Und dabei haben wir den Bandpause-Plan erstmal kurzerhand komplett über Bord geworfen. Und auf Angriff- Modus geschalten. Mehr können wir gerade auch nicht tun.

In Lethargie und Langeweile wollen wir jedenfalls nicht stürzen. Wir brauchen uns, wir brauchen das alles gerade! Wir haben das Gefühl. dass auch unsere Fans so denken und gefühlt alle nach Ablenkung schreien. Selbst der Plan ab September liegt jetzt völlig in der Luft. Wir sind, so glaube ich zumindest, als frühere Handwerker, eben die Menschen, die lieber agieren als dem Herrgott den Tag zu stehlen.

Wie erlebst du die aktuelle Situation für dich persönlich bzw. wie wirkt sich diese auf die gemeinsame Arbeit der vier Frei.Wild-Bandmitglieder aus?

 
Naja, es ist ein völlig anderes Arbeiten. Jeder kocht sein musikalisches Süppchen zuhause. Der ein oder andere der Band hat ja sein eigenes Heimstudio und dank Internet funktioniert das auch alles ganz gut. Aber ja, anders und wie gewohnt wäre besser. Geil ist diese Art der Zusammenarbeit jedenfalls nicht.

Aber man gewöhnt sich dran und wie man sieht, beweist sich jetzt, dass es absolut die richtige Entscheidung war, sich über sein eigenes Label zu vermarkten und in das eigene Tonstudio zu investieren. Vor allem aber ein unfassbar gutes Team an Studio- und Filmleuten aufgebaut zu haben. Ja, diese, unserem Ruf geschuldete „Schaut selber wie ihr weiter kommt“- Geschichte, die wir auch immer haben wollten, macht sich nun bezahlt. Wir sind dadurch jedenfalls in der Lage, extrem schlagfertig zu sein – ganz ohne Betteln und Absprachen mit Plattenindustrie-Leuten.

Wir machen einfach und ja, wir denken da kommt noch mehr von uns in diesem Jahr. Wieso auch nicht? Es macht uns jedenfalls auch so verdammt viel Spaß.

Wie sieht dein privater Alltag im Moment aus?

 
Ich bilde derzeit eine Personalunion aus Familienvater, Bauer, Handwerker, Musiker, Ideensucher und Autor. Ach ja, Sport mache ich auch noch. Zum Glück liegt mein Hof inmitten von vielen, vielen Hektar Land- – die aber leider nicht alle mir gehören (lacht). Und wenn ich eine einzige Runde um diese Flächen jogge, habe ich mein persönliches Tagespensum von fünf Kilometern schon ziemlich genau geschafft. Und ja, Bier trinken geht auch immer.

Auf der ganzen Welt dürfen aktuell keine Veranstaltungen mehr abgehalten werden. In der Musikbranche weiß niemand so recht, wann Konzerte und dergleichen wieder erlaubt sein werden. Wie beurteilst du diese Situation und ist das Alpen-Flair 2020 dadurch auch in Gefahr?

 
Als total schlecht – leider. Aber wir hoffen noch auf ein Weltwunder. Aber ich glaube ehrlich gesagt dennoch, dass es derzeit weit größerer Probleme auf der Welt gibt.

Was wünscht du dir für die Zeit nach der Krise und welche Lehren ziehst du daraus?

 
Nun, ich wünsche mir Vieles. Zum einen, dass wirklich abertausende Unwichtigkeiten politischer- künstlerischer – musikalischer, ach was allumfassender Natur endlich liberaler und weniger Schubladen- denkend von statten gehen. Ich wünsche mir mehr regionale und viel weniger durch die Welt gekarrte Produkte.

Ich wünsche mir eine breit aufgestelltere Landwirtschaft – in eben jedem Land, in der sie ausgeführt wird. Ich wünsche mir mehr Glauben, mehr Wertschätzung, mehr Bedachtheit, weniger Egoismus – auch mehr Anerkennung für gewisse Berufszweige.

Ich wünsche mir weniger scheinheiliges Gutmenschen-Gelaber, weniger Überheblichkeit, mehr Zusammenhalt und Einsicht aus der Geschichte der Menschheit zu lernen… und tausende andere Dinge mehr. Am meisten wünsche ich mir aber, dass wir wieder zu einer großen Freiheit zurück finden, die sich in Worten, Taten, Handeln und vor allem einem sehr guten inneren Gefühl niederschlägt.

Vielen Dank für das Interview!

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