Die Vision
„Wohlstand ist eine Folge guter Politik, und gute Politik ist eine Folge guter politischer Institutionen. Dabei spielen das Wahl- und Regierungssystem eine zentrale Rolle. Deren Reform ist unabdingbar, um alle gesellschaftlichen Gruppierungen und Parteien im Landtag und in der Regierung abzubilden und gemeinsam Verantwortung für die Zukunft Südtirols zu übernehmen“, sagt Christian Girardi zu UT24.
„Das bestehende Wahlsystem benachteiligt nicht nur einen gesunden Wettbewerb und Vielfalt, sondern auch gelebte Bürgernähe, Freiheit und Kompetenz”, so Girardi weiter. Außerdem vertrete das aktuelle Regierungssystem ihm zufolge nicht mehr die Südtiroler Gesellschaft. Zwei zentrale Ungleichgewichte.
Die Vision
Deshalb hat sich Girardi gemeinsam mit dem Freiburger Uni-Professor Reiner Eichenberger Gedanken über eine zukunftsweisende Evolution des politischen Systems Südtirols gemacht und vergangene Woche im Parkhotel Laurin ein entsprechendes Positionspapier mit einigen Handlungsoptionen vorgestellt, welche innerhalb des geltenden Autonomiestatutes umsetzbar wären. Anders ausgedrückt: Eine Veränderung von Innen zur Stärkung der Autonomie.
Wahlkreise & Wahlsystem
Ansetzen will Girardi als erstes mit der Einführung von Wahlkreisen. „Die Anliegen der einzelnen Bezirke müssen ernsthaft, glaubwürdig und bürgernah vertreten werden“, sagt er. Zudem schlägt Girardi vor, einen „doppelten Proporz“ einzuführen und Vorzugsstimmen listenübergreifend zu vergeben. „Dies gibt den Wählern und auch den Kandidaten mehr Freiheit und bietet Anreize nicht nur an ihre Parteiwähler zu denken, sondern auch an jene anderer Parteien. Zudem schafft man Anreize für einen gesunden Wettbewerb und eine Öffnung für neue Leute und Ideen“, unterstreicht Christian Girardi. Hierzulande ein absolutes Novum.
Konkret schlägt Girardi zwei Möglichkeiten vor: Die Wahl nach Bezirkswahlkreisen, wobei jedem Bezirk anteilsmäßig zur Bevölkerung Landtagssitze zur Verfügung stehen, oder eine Mischform von Bezirkswahlkreisen und einem Landeswahlkreis.
Die Regierung
Derzeit bildet die Regierung 52,4 Prozent des Wählerwillens ab. Girardi wünscht sich, dass es mindestens zwei Drittel werden sollen. Dies würde zu einer stärkeren Identifikation der Wähler und der Gesellschaft mit den Entscheidungsprozessen führen. „Im heutigen Modell ist es so: Die Opposition bringt oft gute Ideen ein, aber die Regierung nimmt sie nicht auf, weil sie vom falschen politischen Couleur kommen“, sagt Girardi. „Umgekehrt kommt es vor, dass die Opposition kritisiert, ohne selber konkrete und zukunftsweisende Vorschläge einzubringen. Wenn man aber alle in die Verantwortung bringt, müssen sich alle überlegen: Was sind jetzt die besten und umsetzbaren Lösungen für unser Land?“
Das heißt, es müssen gute Kompromisse gefunden werden um Probleme im Land zu lösen und zukünftige Herausforderungen zu meistern. „Dies könnte zwar zeitaufwändiger sein, andererseits wird der Diskurs konstruktiver und minimiert so das Risiko von Fehlentscheidungen – und das ist entscheidend“, sagt Girardi.
Landeshauptmann oder Landeshauptfrau
Neben der Direktwahl des Landeshauptmanns zeigt Girardi eine weitere Alternative auf: Die freiwillige Rotation. Jährlich könnten sich die Landesräte – nach Schweizer Vorbild – in der Funktion des Landeshauptmanns abwechseln. Die Rolle und Verantwortung der einzelnen Landesräte würde dabei gestärkt. Das würde auch bedeuten, dass Südtirol für ein Jahr einen ladinischen oder italienischen Landeshauptmann stellt, oder eben auch erstmals eine Landeshauptfrau.
Die vollständige Fassung des Positionspapiers ist über folgenden Link abrufbar: White Paper