Roland Geyer bleibt Intendant des Theaters an der Wien
“Formal ist es so, dass es keine gesetzlich zwingende Notwendigkeit für eine Ausschreibung gibt”, untermauerte Drozda. Formal bekleide Geyer die Position eines Prokuristen, nicht die eines Geschäftsführers. Im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat habe er Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) deshalb diese Lösung vorgeschlagen. Dies treffe auch auf Christian Struppeck als Leiter der Musical-Sparte der VBW zu, dessen Vertrag eigentlich 2017 ausgelaufen wäre. Auch hier wird bis 2020 verlängert. Voraussichtlich noch heuer soll die Ausschreibung für beide Positionen ab 2020 erfolgen – wobei eine Bewerbung für eine der beiden Sparten oder auch spartenübergreifend möglich sein soll.
Hintergrund der Entscheidung sei gewesen, dass ihm eine nochmalige Bewerbung auf fünf Jahre zu lang erschienen wäre, betonte Geyer: “Ich möchte noch einmal etwas anderes tun.” Er werde deshalb fix 2020 mit einem Beethoven-Schwerpunkt abtreten. Dass Dominique Meyers Vertrag an der Spitze der Wiener Staatsoper ebenfalls bis 2020 läuft und deshalb möglicherweise ein neuer Posten in der Nachbarschaft frei wird, ließ Geyer bewusst unkommentiert. Klar sei nur, er werde 2020 nicht mehr am TAW sein, sondern etwas anderes angehen. Er habe noch keinen fixen neuen Job: “Und hätte ich ihn, würde ich ihn heute nicht bekannt geben.”
“In der sensiblen Phase der Restrukturierung, die auch mit finanziellen Einschnitten verbunden ist, setzt der Konzern auf Kontinuität. Das ist sowohl künstlerisch wie strukturell die richtige Entscheidung”, zeigte sich jedenfalls Kulturstadtrat Mailath-Pokorny überzeugt.
Eine dritte Personalentscheidung wurde am Freitag ebenfalls bekannt. Jochen Breiholz übernimmt von Sebastian Schwarz, der nach Glyndebourne wechselt, die Position als künstlerischer Leiter der Kammeroper, der zweiten TAW-Spielstätte. Offizielle Übergabe wird hier Anfang Mai sein. “Wir haben uns darauf verständigt, dass er in Ruhe in die Sache einsteigen soll”, so Geyer.
Seine kommende Spielzeit gestaltet das Theater an der Wien mit einem Shakespeare-Schwerpunkt zum 400. Todestag des Dramatikers. Gleich fünf Opern der Saison 2016/17 haben mit dem englischen Dramatiker zu tun. Darunter fällt auch eine Uraufführung – ein “Hamlet” des deutschen Komponisten Anno Schreier, mit dem der Premierenreigen am 14. September eingeläutet wird. Die bisherige konzertante oder theatrale Eröffnung mit einem Einzelevent ist damit Vergangenheit, wie Intendant Geyer ankündigte.
Für die kommende Saison sind nun aber zunächst neben Schreiers Musiktheaterwerk, für das der Schriftsteller Thomas Jonigk das Libretto verfasst hat und das Regisseur Christof Loy wieder ans Haus bringt, weitere 13 Premieren programmiert. Zum Shakespeare-Fokus zählt dabei auch “Falstaff” von Antonio Salieri, der am 12. Oktober mit Stammgast Rene Jacobs am Pult Premiere hat.
Am 11. und 13. November geht es weiter mit einer Doppelpremiere, die Giuseppe Verdis “Macbeth” ans Haus bringt – in der Fassung von 1865, wofür Roberto Frontali die Titelpartie übernehmen wird, und mit dem Finale der Fassung von 1847, wofür Placido Domingo als Macbeth gewonnen wurde. In beiden Fällen wird Ildebrando D’Arcangelo den Banco singen, während Bertrand de Billy am Pult steht. Für die Regie zeichnet wieder der Chef persönlich verantwortlich, nimmt Roland Geyer doch zum dritten Mal in seiner Intendantenzeit am Regiestuhl Platz.
Der 12. Dezember bringt dann die erste Unterbrechung des Shakespeare-Schwerpunkts, wenn Keith Warners “Don Giovanni” aus 2006 neu einstudiert wird. Die Oper wird auch am Silvesterabend zu sehen sein. Das Konzept der szenischen Aufführung am 31. Dezember wolle er dann auch in den kommenden Jahren fortsetzen, so Geyer. Dafür regiert der Jubiläumsdramatiker wieder zum Jahresauftakt, wenn am 19. Jänner Henry Purcells Semiopera “The Fairy Queen”, basierend auf dem “Sommernachtstraum”, unter anderen Anna Prohaska und Kurt Streit zurück an die Wien bringt.
Dann ist aber gut mit den Würdigungen, und am 17. Februar gestaltet Peter Konwitschny Werner Egks “Peer Gynt” aus 1938. Nicht wesentlich lustiger dürfte es dann am 17. März werden, wenn Amelie Niermeyer Gioachino Rossinis “Elisabetta” interpretiert. Und zum Abschluss am 2. Mai regiert nochmals das Zeitgenössische, wenn für Hans Werner Henzes “Elegie für junge Liebende” unter anderen Angelika Kirchschlager verpflichtet wurde. Zum Musiktheater kommen zwei Ballettpremieren am 3. und 8. April hinzu, wenn das Norwegische Nationalballett aus Oslo “Gespenster” nach Henrik Ibsen und “Carmen” nach Georges Bizet interpretiert.
Die bisherige Quasi-Dependance Kammeroper soll nach dem Abgang des künstlerischen Leiters Sebastian Schwarz künftig vermehrt als zweite Spielstätte begriffen werden. “Wir wollen den Schulterschluss noch stärker durchziehen”, kündigte Geyer an. Hier wird das Junge Ensemble – dann in der dritten Generation – vier Neuproduktionen gestalten, wobei mit Jochen Breitholz schon ein Nachfolger für Schwarz gefunden ist. Am 27. September macht Lotte de Beer den Auftakt mit Verdis Klassiker “La Traviata”, der am 11. Jänner Viktor Ullmanns dramatische, im KZ-Theresienstadt entstandene Oper “Der Kaiser von Atlantis” folgt. Am 6. März ist dann mit “Oreste” ein Händel angesetzt, für den Ruben Dubrovsky und sein Bach Consort ins Haus am Fleischmarkt kommen. Und schließlich verantwortet das TAW am 18. Mai mit “Die Schule der Eifersucht” einen weiteren Salieri, dieses Mal mit Stefan Gottfried am Pult.
Trotz der engeren Anbindung an das TAW versucht man aber, in der kommenden Saison abermals ein Off-Ensemble als Gast ans Haus zu holen. So wird das Sirene Operntheater drei Premieren im November präsentieren: Am 3. November ist Simon Voseceks “Hybris” angesetzt, dem am 14. November Hannes Löschels “Nemesis” und am 25. November Christof Dienz’ “Soma” folgen.
Die Ansprüche von Roland Geyer an sein Haus, das er nun fix bis 2020 führen wird, sind dabei galaktisch: “Wir sind auf diesem Globus ein eigenes Sonnensystem.” Und man lade zum Flug durch das Weltall ein.
Zufrieden mit den Zahlen dieses Sonnensystems in der laufenden Saison zeigte sich Thomas Drozda als Chef der Vereinigten Bühnen Wien: “Der Rückblick fällt sehr erfreulich aus.” Im Theater an der Wien liege man derzeit bei 97,2 Prozent Auslastung, in der Kammeroper bei einzelnen Stücken sogar über 100 Prozent, da man Sitze öffneten musste, die eigentlich nicht für den Verkauf vorgesehen waren.