von ih 01.09.2017 11:04 Uhr

Fipronil: Ach, du dickes Ei!

Der Fipronil-Skandal zieht weite Kreise. Auch bei uns sind mittlerweile mit dem Insektizid belastete Eier aufgetaucht. Konkrete Informationen für die Bevölkerung fehlen jedoch. Die Verbraucherzentrale Südtirol fordert eine umfassende Kennzeichnungspflicht auch für Eier in verarbeiteten Produkten.

APA (dpa)

Was bisher geschah

Am 20. Juli 2017 informiert die belgische Lebensmittelsicherheitsbehörde die EU-Kommission über Rückstände des Insektizids Fipronil in Hühnereiern. Über das Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel RASFF werden alle europäischen Länder informiert. Schnell wird klar, dass Millionen von Eiern betroffen sind. Belastete Eier tauchen zunächst in Belgien und den Niederlanden, dann auch in Deutschland auf. Bis Mitte August wurden in 15 EU-Ländern sowie der Schweiz und Hongkong mit Fipronil belastete Eier oder daraus hergestellte Lebensmittel entdeckt. In Deutschland werden Millionen von Eiern vernichtet. Eine Handelskette verbannt Frischeier vorübergehend sogar vollständig aus ihren Verkaufsregalen. Der Skandal zeigt nicht zuletzt fragwürdige Praktiken auf: in Österreich werden importierte, bereits gekochte und geschälte Eier aus dem Verkehr gezogen – sie waren für die Gastronomie bestimmt.

Das Insektizid Fipronil wurde offenbar von einem belgischen Unternehmen – unerlaubterweise – dem Reinigungs- und Desinfektionsmittel „Dega 16“ beigemengt, um es wirksam gegen die problematische Rote Vogelmilbe zu machen. „Dega 16“ wurde unter anderem von der niederländischen Reinigungsfirma „Chickfriend“ bezogen und für die Reinigung von Hühnerställen verwendet, auch in Deutschland. Die Hühner nahmen das Gift über die Haut und die Atmung sowie beim Herumpicken auf, und Fipronil gelangte letztendlich in die Eier.

Italien blieb nicht verschont

Am 21. August 2017 erreichte Fipronil auch Italien, das italienische Gesundheitsministerium teilte mit, dass Fipronil in zwei Proben nachgewiesen worden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt seien in Italien laut Ministerium aber keine belasteten Lebensmittel in den Handel gekommen. In den folgenden Tagen wurden weitere Funde bekannt. Das Ministerium berichtete von bislang acht positiven Proben. Diese betreffen Betriebe aus den Regionen Marken, Latium, Lombardei, Kampanien und Emilia Romagna. Es handelt sich offenbar um Legehennenbetriebe, Abpackungsbetriebe und einen Teigwarenproduzenten. Fipronil wurde mehrheitlich in Eiern, aber auch in Derivaten (wie pasteurisiertes Flüssigei) und in Tiefkühl-Omelettes nachgewiesen. Auf welchem Weg das Fipronil in die Produkte kam, ist noch nicht im Detail geklärt. Die für Lebensmittelsicherheit zuständige Carabinieri-Sondereinheit NAS hat 92 Tonnen Eier sowie über 25.000 Hühner beschlagnahmt und angekündigt, sieben Anzeigen einzubringen. Der Großteil der Produkte konnte aus dem Verkehr gezogen werden, bevor die Produkte in den Handel kamen. Die belasteten Tiefkühl-Omelettes des deutschen Herstellers Kagerer wurden jedoch bereits fast vollständig verkauft und werden nun in der Lombardei zurückgerufen. Weitere Analysenergebnisse sind derzeit noch ausständig. Am 30. August teilte das italienische Gesundheitsministerium mit, dass die Tierärztlichen Dienste in den Marken eine Rückrufprozedur für Eier verschiedener Kategorien verfügt haben, weil eine Probe einen Fipronil-Gehalt von 0,98 mg/kg enthielt, und somit den Grenzwert für akute Gesundheitsgefährdung von 0,72 mg/kg überschritt.

Was ist Fipronil und wie giftig ist es?

Das Insektengift Fipronil ist gegen Flöhe, Zecken, Läuse und andere Parasiten wirksam und wird für Haustiere wie Hunde und Katzen verwendet. Für Nutztiere in der Lebensmittelerzeugung ist das Mittel jedoch verboten. Fipronil wirkt toxisch auf das Nervensystem und die Leber, in höheren Dosen führt es zu Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen bis hin zu vorübergehenden Lähmungserscheinungen. Es gilt aber weder als krebserregend noch als erbgutschädigend.

Das deutsche Bundesinstitut für Risikoforschung bewertet eine Gesundheitsgefahr für den Menschen selbst bei längerfristiger Aufnahme von Fipronil-haltigen Lebensmitteln als unwahrscheinlich. Über die Nahrung können mit einer Mahlzeit oder innerhalb eines Tages 0,72 Milligramm Fipronil pro Kilogramm Körpergewicht aufgenommen werden, ohne dass ein gesundheitliches Risiko erkennbar ist. Der bislang höchste in Belgien gemessene Wert lag bei 1,2 Milligramm Fipronil pro Kilogramm Ei. Eine durchschnittliche erwachsene Person könnte an einem Tag bis zu sieben solcher belasteter Eier essen, bevor eine Gesundheitsgefahr eintritt. Kinder erreichen – je nach Körpergewicht – den gesundheitlichen Richtwert jedoch bereits beim Verzehr von einem bis zwei belasteten Eiern pro Tag. Für Lebensmittel gilt ein Rückstandshöchstgehalt von 0,005 mg/kg, was einer Nulltoleranz entspricht. Wird dieser Grenzwert überschritten, dann ist ein Lebensmittel nicht mehr verkehrsfähig, es darf nicht verkauft und muss vom Markt genommen werden.

Wurden die Verbraucher und Verbraucherinnen rechtzeitig informiert?

Wie erst im Nachhinein bekannt wurde, hatte die belgische Lebensmittelsicherheitsbehörde bereits Anfang Juni 2017 von einem ersten Fipronil-Verdachtsfall Kenntnis. An die EU-Kommission und die anderen europäischen Länder wurden die Informationen jedoch erst am 20. Juli, also rund sieben Wochen später, weitergegeben. Erst ab diesem Zeitpunkt konnten die nationalen Behörden aktiv werden und die betroffenen Produkte identifizieren, um sie vom Markt zu nehmen. Es ist wohl anzunehmen, dass mit Fipronil belastete Eier und daraus hergestellte Produkte schon vor dem 20. Juli in den Handel gekommen und auch verzehrt worden sind. Möglicherweise befinden sich belastete Produkte noch im Handel bzw. in den Vorratskammern der Haushalte. Selbst nach Bekanntwerden der Problematik werden die Verbraucher und Verbraucherinnen von den nationalen Behörden „nur sehr zögerlich, unübersichtlich und teilweise sogar widersprüchlich“ (Zitat: foodwatch) über die Belastung mit Fipronil informiert.

Das italienische Gesundheitsministerium informiert auf seiner Internetseite alle paar Tage über aktuelle Ergebnisse. Zwar wird die Anzahl der Probennahmen aufgezählt, die betroffenen Betriebe werden jedoch nicht beim Namen genannt. In Südtirol werden der Bevölkerung vom zuständigen Sanitätsbetrieb erst gar keine Informationen zur Verfügung gestellt. Die Online-Suche auf der Internetseite des Sanitätsbetriebs ergibt keinen einzigen Treffer für das Schlagwort Fipronil. Walther Andreaus, der Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Südtirol, meint dazu: „Die Konsumenten wünschen sich konkrete Informationen. In welchen Produkten von welchen Herstellern wurde Fipronil nachgewiesen? Sind diese auch bei uns im Handel? Welche Eier sind aus heutiger Sicht unbedenklich? Frankreich zeigt vor, wie es gehen könnte. Dort hat das Landwirtschaftsministerium eine Liste mit belasteten Produkten, die in Frankreich in den Handel gekommen sind, veröffentlicht.“

Die Verbraucherzentrale fordert zum wiederholten Mal eine Kennzeichnungspflicht auch für verarbeitete Produkte, die mit Eiern hergestellt werden. Im Unterschied zu Frischeiern, auf welchen sowohl das Herkunftsland als auch die Haltungsform gekennzeichnet sind, ist bei verarbeiteten Lebensmitteln völlig intransparent, woher und aus welcher Haltungsform die verwendeten Eier stammen. Zudem zeigt sich, dass die lückenlose Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Lieferkette für verarbeitete Lebensmittel noch immer nicht gegeben ist. Auch das muss sich aus Sicht der VZS in Zukunft ändern.

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