Bundeskanzler und SPÖ-Chef Faymann zurückgetreten
Noch bis Montagfrüh sah es so aus, als würde Faymann seinem Ruf als politischer Überlebenskünstler gerecht. Die Kritiker waren in den vergangenen Tagen stiller geworden, dafür rückten des Kanzlers Unterstützer umso lauter aus.
Als dann gegen elf Uhr die sieben geladenen Landeschefs zum geplanten Treffen mit dem SPÖ-Chef eintrafen, staunte so mancher von ihnen nicht schlecht, als ihnen der Kanzler seinen Rückzug bekannt gab. Bundespräsident Heinz Fischer und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der nun die Regierungsgeschäfte führt, wurden kurz davor informiert.
Dass er überraschend selbst die Flucht nach vorne antrat und seine Ämter mit sofort zur Verfügung stellt, begründete Faymann – angeschlagen von der Wahlschlappe des roten Hofburg-Kandidaten Rudolf Hundstorfer und dem Pfeifkonzert vom 1. Mai – damit, dass er nicht mehr den ausreichenden Rückhalt in seiner Partei gespürt habe: “Die Mehrheit ist zu wenig.” Faymann will sich nun um eine Aufgabe “im Rahmen der EU” umsehen.
Wie unvorbereitet die Nachricht vom Rückzug die Granden der Partei traf, war unschwer an deren Gesichtern abzulesen, als sie im Anschluss zu einem Mittagessen beim Bundespräsidenten über den Ballhausplatz schlenderten. Salzburgs SPÖ-Chef Walter Steidl sowie der Vorarlberger Landesvorsitzende Michael Ritsch, die als Kritiker gar nicht zu Faymanns Verkündung geladen waren, erfuhren von der Demission überhaupt erst durch Journalisten.
Das Heft in die Hand drückte die Partei fürs erste dem wohl noch immer mächtigsten Mann der österreichischen Sozialdemokratie, Wiens Bürgermeister Häupl, gleichzeitig einer der stellvertretenden Vorsitzenden der SPÖ. Er soll bis zu einem weiteren Parteivorstand nach Pfingsten, konkreter bis Dienstag kommender Woche ausgelotet haben, wen sich die Partei als neuen Chef wünscht. Schon am Freitag soll es neuerlich ein Treffen der Landesparteivorsitzenden geben.
Als Favorit für die Faymann-Nachfolge kristallisierte sich am Montag ÖBB-Chef Christian Kern heraus, für den Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser ebenso offen Partei ergriff wie Ritsch und Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden. Auch aus der steirischen SPÖ wurde deutliche Zustimmung signalisiert, während sich die Machtzentren Wien und Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter ruhig verhielten.
Häupl selbst soll den internationalen Medien-Manager und ehemaligen ORF-Generalintendanten Gerhard Zeiler favorisieren. Der Bürgermeister konzedierte im Anschluss an den Vorstand dann auch, dass derzeit nur Männer zur Diskussion stünden, was sich aber jederzeit ändern könne.
Wer auch immer es wird, soll am 25. Juni bei einem Bundesparteitag in Wien gekürt werden. Ein weiterer Parteitag ist für den Herbst geplant, wo dann auch die inhaltliche Neuausrichtung sowie Kriterien für künftige Koalitionspartner abgesegnet werden sollen. Als Orientierungshilfe soll dabei eine Mitgliederbefragung dienen.
In der Regierung gibt es vorerst einmal Business as usual mit der Ausnahme, dass nun eben der Vizekanzler die Geschäfte führt, der mit dieser Aufgabe auch bereits von Fischer betraut wurde. Mitterlehner bekräftigte anschließend, dass man derzeit nicht vorhabe, die Koalition zu kündigen, wovor ihn Häupl übrigens wenig später warnte: “Es geht jetzt nicht darum, dass wir Neuwahlen ansetzen”, versicherte jedoch der ÖVP-Chef. Näheres weiß man möglicherweise nach einem ÖVP-Vorstand am Dienstag.
Was die SPÖ-Regierungsmitglieder anlangt, folgte vorerst niemand dem Beispiel Faymanns. Selbst dessen engster Vertrauter, Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) erklärte auf Journalisten-Fragen, dass er bereit wäre weiterzumachen, wenn das der neue Regierungschef wünsche. Gleiches war auch von Infrastrukturminister Gerald Klug und Staatssekretärin Sonja Steßl zu hören. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser und Sozialminister Alois Stöger wollten sich gleich gar nicht äußern.
Seitens der Opposition meinte Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig, dass der Wechsel an der SPÖ-Spitze auch als letzte Chance der Regierung gewertet werden könne. Skeptisch zeigte sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: “Eine Neudekoration der Auslage ändert nichts am mangelhaften Sortiment.” NEOS-Obmann Matthias Strolz will keinen Neustart der Koalition sondern den Start einer neuen Koalition.