Thomas Sinha

01.03.2016

Palermos Gegen-Konvent

Bild Francesco Palermo: Facebook; Collage: UT24

Partizipative Prozesse wie die Open Space Veranstaltungen zur Zukunft Südtirols sind ein interessanter Gradmesser für die Anliegen der Bevölkerung und als solche absolut begrüßenswert. Gerade unsere Schweizer Nachbarn haben am vergangenen Wochenende wieder einmal bewiesen, wie positiv es für die demokratische Entwicklung eines Staates ist, wenn die Bürger zu Wort kommen und aktiv mitentscheiden.

Unreife Bürger
Beim ersten breit angelegten Südtiroler Versuch der Bürgerbeteiligung mit dem Autonomiekonvent scheint für Francesco Palermos so einiges schief zu laufen.
Schon vor der Auftaktveranstaltung in der EURAC zeigte der Bozner Senator in einem Interview mit der Neuen Südtiroler Tageszeitung recht deutlich, was er vom Konvent hält: „Wenn die Gesellschaft nicht reif für diesen Konvent ist, dann ist das halt so – und dann passiert halt nix. Von mir aus kann man ruhig auch über die Selbstbestimmung reden. Aber viel Sinn hätte das nicht.“ (Neue Südtiroler Tageszeitung, 16.1.2016)

Ganz abgesehen davon, dass es ein starkes Stück von Herrn Palermo ist, die vermeintliche Unreife der Bürger – seiner Arbeitgeber – als Vorwand herzunehmen, um die Ergebnisse wahrzunehmen oder nicht, möchte man meinen, dass ein in Südtirol gewählter Senator sich den ausdrücklich geäußerten Anliegen von Südtiroler Bürgern verpflichtet fühlen würde – auch jenen, die ihm weniger gefallen. Die Protokolle der Open Space Veranstaltungen sind jedenfalls Handlungsaufforderungen an alle Südtiroler Volksvertreter, auch an ihn.

Was ist “realistisch”?
Was „realistisch“ ist oder weniger, stellt sich immer erst im Nachhinein heraus. Das heutige, zweite Autonomiestatut schien in den fünfziger Jahren auch nicht realistisch. Es bedurfte großer Opfer und langer Verhandlungen, bis die hart erkämpfte Autonomie schließlich in Kraft trat.

Heute haben wir die Chance, die Zukunft Südtirols ohne Menschenopfer demokratisch weiter zu entwickeln. Bei der Konventseröffnung am 23. Januar, an der Senator Palermo teilnahm, war ihm aber das Missfallen zu manchen eingebrachten Themen klar anzusehen.

Notlösung „Open Democrat“?
Schnell musste eine Notlösung her. Diese nennt sich „Open Democrat“, ein Minikonvent des PD, der sich an alle „liberalen, autonomiefreundlichen und im Mittelinks-Lager beheimateten BürgerInnen“ richtet. Also eine Art Gegenveranstaltung zum Autonomiekonvent – zumal gleichzeitig in Neumarkt eine Open Space Veranstaltung stattfand.

Der fromme Wunsch der Organisatoren ist es, die Ergebnisse ihrer Veranstaltung in den Konvent mit einfließen zu lassen.
Francesco Palermo war bei dieser Veranstaltung des PD nicht nur anwesend, er stellte sogar die Themen vor. Das Verhalten des Senators wirkt auf ersten Blick bizarr: einerseits gilt er als einer der Hauptinitiatoren der Open Space Veranstaltungen, dann aber versucht er diese mit einer parallelen PD-Veranstaltung auszuhebeln.

Es hat ganz den Anschein, als ob das „Mittelinks-Lager“ an den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung beim Open Space so lange herumbasteln will, bis endlich jene Themen herauskommen, die beim PD, den Grünen und gewissen SVP-Mandataren in Mode sind: Ausbau des umstrittenen CLIL-Experiments, Aufweichung oder gar Abschaffung des Proporzes.

Dünne Bretter
Das wäre natürlich angenehm: erstens könnte damit die SVP den Regierungspartner PD ruhigstellen (besonders wichtig, seit das Edelweiß allein nicht mehr die Mehrheit im Landtag bildet), zweitens sich mit Hinblick auf die nächsten Landtagswahlen bei den Grünen einschmeicheln (bei den zu erwartenden Stimmverlusten wird es wohl eine Regierungs-Koalition mit einer dritten Partei brauchen), drittens sind solche Schwächungen des Autonomiestatuts in Trient und Rom problemlos durchsetzbar.

Dieses Bohren allzu dünner Bretter wollen aber viele, gerade die jungen Südtiroler, nicht. Sie wünschen sich eine echte Verbesserung Südtirols, ein Upgrade, kein Downgrade.

Wie ungemütlich diese unreifen Bürger doch sein können!


 

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